Auch die 22-jährige Nigerianerin aus Oberriexingen wurde mit dem Flugzeug nach Rom abgeschoben. Foto: dpa

Eine 22-Jährige, die hochschwanger nach Italien ausgewiesen wurde, ist dort mit ihrem Baby ohne feste Unterkunft. Die Behörden sehen keine Schuld bei sich und verweisen auf das Gesetz. Der Grünen-Abgeordnete Markus Rösler gibt sich damit nicht zufrieden.

Oberriexingen - Am 1. Mai kommt im Krankenhaus von Bergamo, einer Stadt im Norden Italiens, ein Baby auf die Welt. Jewel, englisch für Juwel, heißt der kleine Junge, dessen Geschichte derzeit einige Aufregung im Landkreis Ludwigsburg und innerhalb der schwarz-grünen Regierungskoalition verursacht.

Denn die Mutter des Kleinen, eine 22-jährige Nigerianerin, ist nach den Informationen des Landtagsabgeordneten Markus Rösler (Grüne) in dem südeuropäischen Land ohne feste Unterkunft. Sie war Ende März, nur gut sechs Wochen vor der Entbindung, von Oberriexingen nach Italien abgeschoben worden – wenige Tage, bevor für sie der gesetzliche Mutterschutz begonnen hätte. Nach der Ankunft in Rom waren sie und ihr gleichaltriger Mann eine Zeit lang sogar komplett ohne Dach über dem Kopf. Inzwischen lebt die Frau vorübergehend in einer städtischen Unterkunft. Dort könne sie nach eigener Aussage aber nicht dauerhaft bleiben, erklärt Markus Rösler.

Der Abgeordnete hat sich deshalb in mittlerweile zwei Briefen an Innenminister Thomas Strobl (CDU) gewandt. Er will klären lassen, wie sich solche Härtefälle bei künftigen Abschiebungen vermeiden lassen. Und er macht dem Koalitionspartner Vorwürfe. „Eine hochschwangere Frau sehenden Auges in die Gefahr der Obdachlosigkeit abzuschieben, ist wahrlich nicht christlich und sozial“, sagt der Politiker aus Vaihingen/Enz.

Rechtlich war die Abschiebung korrekt

Fest steht: juristisch war die Abschiebung korrekt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) habe entschieden, die 22-Jährige und ihren Mann nach Italien zu bringen, weil die Behörden dort für ihr Asylverfahren zuständig sind, schreibt Thomas Strobl in einem Antwortbrief an Rösler. Die Schwangerschaft sei dem Bamf bekannt gewesen, die Behörde hätte darin aber keinen Hinderungsgrund für die Abschiebung gesehen.

Auch ein Eilantrag auf vorläufigen Rechtsschutz in Deutschland sei vor dem Verwaltungsgericht ohne Erfolg geblieben – die Richter hätten vielmehr die Entscheidung des Bamf gestützt. „Das Land hat hierbei keinerlei Prüfungs- und Entscheidungskompetenz. Es besteht kein Ermessensspielraum“, erklärt der baden-württembergische Innenminister. Die Abschiebung sei zudem zwölf Tage vor Beginn des Mutterschutzes erfolgt und nicht drei Tage, wie es zunächst geheißen hatte. Doch Strobl schreibt auch: „Ich verkenne nicht die schwierige Situation.“

Dass die Abschiebung rechtlich nicht zu beanstanden ist, erkennt auch Markus Rösler an. Er sieht aber eine „humanitäre Verantwortung“ bei den hiesigen Behörden und will deshalb wissen, wie das Land künftig mit solchen Fällen besser umzugehen gedenkt. Der Politiker verweist dabei auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2015.

„Ich will verstehen, was da schiefläuft“

Damals hatten die Karlsruher Richter in einem ähnlichen Fall einer syrischen Familie mit kleinen Kindern Recht gegeben, denen die Abschiebung nach Italien drohte. Im Urteil unterstrichen die Richter, dass die deutschen Behörden vor einer Abschiebung die italienischen Ämter über die Ankunft der Familie informieren müssten. Zudem müsse „in Abstimmung“ zwischen den Beamten der beiden Länder sichergestellt werden, dass die Familie nach der Abschiebung eine „gesicherte Unterkunft“ erhalte. Dieser Schutz dürfe nicht nur für Familien, sondern auch für andere, zum Beispiel Schwangere gelten, meint Rösler.

Denn Fälle wie den aus Oberriexingen gebe es immer wieder, erklärt der Grünen-Politiker. Allein aus seinem Wahlkreis kenne er weitere Beispiele. Immer wieder sei das Problem, dass die Behörden in Italien sich nicht für die Abgeschobenen zuständig fühlen würden. „Ich will verstehen, was da schiefläuft“, meint Rösler.

Er hält per Telefon und via E-Mail Kontakt zu der 22-Jährigen und versucht zusammen mit dem Oberriexinger Arbeitskreis Asyl, aus der Ferne zu helfen. Denn eine Rückkehr nach Deutschland ist für die junge Familie derzeit nicht möglich.