Zwischen Menschen und Nagetieren gibt es überraschende Parallelen. Doch das ist natürlich purer Zufall.
Stuttgart - Auch am 30. Jahrestag des Mauerfalls bleibt festzustellen, dass Ost- und Westdeutschland noch nicht richtig zusammengewachsen sind. Zu groß sind die Unterschiede im Blick auf Lebensverhältnisse, kulturelle Eigenheiten oder politische Einstellungen der Bevölkerung auf beiden Seiten der ehemaligen Zonengrenze. Weniger bekannt ist, dass es nicht nur innerhalb der Art Homo sapiens eindeutige Ost-West-Differenzen gibt, sondern auch innerhalb der Art Mus musculus, besser bekannt als Hausmaus. Allerdings führen Forscher diese Unterschiede nicht auf die deutsche Teilung zurück. Es sei eher ein Zufall, dass die Verbreitungsgebiete beider Mäusevarianten ausgerechnet in Brandenburg aneinander grenzen, meint Emanuel Heitlinger, Biologieprofessor an der Humboldt-Universität in Berlin.
Offenbar haben sich die Westmaus (Mus musculus domesticus) und die Ostmaus (Mus musculus musculus) schon vor mehreren 100 000 Jahren auseinanderentwickelt. Über viele Generationen haben sich so die typischen Merkmale beider Varianten herausgebildet. Während die Westmaus etwas größer, dicker und eher grau gefärbt daherkommt, ist die Ostmaus kleiner und brauner. Natürlich wäre es unseriös, an dieser Stelle irgendwelche Bezüge zur Körperfülle der Westdeutschen oder zur politischen Orientierung von Teilen der ostdeutschen Bevölkerung herzustellen. Das geben die vorliegenden Daten nicht her. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Andererseits gibt es in der Natur etliche Beispiele für die Koevolution von Spezies, die – wie Mäuse und Menschen – schon sehr lange Seite an Seite leben. Und werden sich nicht auch Herrchen und ihre Hunde im Lauf der Jahre immer ähnlicher?
Merkwürdige Parallelen
Alles pure Spekulation. Bleiben wir lieber bei den Fakten. Und die besagen, dass es in puncto Fortpflanzungsverhalten eindeutige Unterschiede zwischen Mäusen und Menschen gibt. Während die Zahl der Ost-West-Eheschließungen im Lauf der Jahre spürbar gestiegen ist, begeben sich weibliche Mäuse auf beiden Seiten der Mäusegrenze vorzugsweise innerhalb der eigenen Unterart auf Partnersuche. Männliche Tiere sind längst nicht so wählerisch und nutzen mehr oder weniger jede Gelegenheit. Schon wieder so eine merkwürdige Parallele zum Verhalten mancher Homo-sapiens-Männchen.
Jedenfalls kommt es gelegentlich zu Kreuzungen aus West- und Ostmäusen. Die dabei entstehenden Mischlinge stellen aus genetischer Sicht sogenannte Hybride dar. Solche Mäuse sind den Ergebnissen zufolge insgesamt robuster und neigen beispielsweise nicht so stark zu Parasitenbefall. Auch bei anderen Lebewesen gilt: Je weniger verwandt die Eltern miteinander sind, desto vitaler und gesünder sind in der Regel die Nachkommen. Umgekehrt ist es, wenn sich Verwandte miteinander paaren. Dann treten in folgenden Generationen vermehrt Probleme auf – etwa ein schwächeres Wachstum, Gesundheitsstörungen oder auch eine gebremste geistige Entwicklung. Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang von Inzuchtdepression. Dieses Phänomen war in früheren Zeiten bisweilen in adligen Kreisen oder auch in abgelegenen Dörfern mit eingeschränkten Partnerwahlmöglichkeiten anzutreffen.
Vereinigt Euch!
Aus genetischer Sicht ist es auf jeden Fall von Vorteil, sich einen Partner aus einem möglichst weit entfernten Genpool zu suchen. Die Empfehlung von Karl Marx „Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!“ erscheint in diesem Zusammenhang in einem ganz neuen Licht. Und wenn dabei auch mal der eine oder andere Kapitalist zum Zuge kommt, ist das sicher kein Nachteil, sondern ein wertvoller Beitrag zur genetischen Vielfalt.
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