Zo Radoniaina Rakotonoely, genannt Rado, hat in der Stadtgärtnerei endlich seinen Traumjob gefunden. Foto: Simon Granvil/e

Zo Radoniaina Rakotonoely, genannt Rado, kommt aus dem Inselstaat Madagaskar. In Kornwestheim lernt der 26-Jährige das Gärtnern. Nach Deutschland hat ihn allerdings der Zufall geführt.

Eichen statt Palmen, Löwenzahn statt Mandarinenbäumen: Im tropischen Klima seiner Heimat Madagaskar gedeihen andere Pflanzen als die, mit denen es Zo Radoniaina Rakotonoely nun bei der Stadtgärtnerei in Kornwestheim zu tun hat. Dort lässt sich der 26-Jährige zum Gärtner ausbilden. Um eine berufliche Perspektive zu haben, ist Rado, wie ihn Freunde, Familie und Kollegen nennen, nach Deutschland ausgewandert.

Der Weg, den der junge Mann eingeschlagen hat, ist alles andere als typisch. Dass einige seiner Landsleute den Inselstaat in Südostafrika verlassen, ist zwar an sich nichts Besonderes. Die wirtschaftliche Situation hat sich dort in den vergangenen Jahren verschlechtert, erklärt der 26-Jährige. Zudem sei das Niveau im Bildungssektor in Madagaskar wesentlich schlechter als beispielsweise in vielen europäischen Ländern. Für viele Berufe gibt es dort keine schulische Ausbildung. Doch – anders als die meisten seiner Landsleute – möchte der Lehrling später nicht als Pflegekraft oder im Büro arbeiten. Ihn zieht es in die Natur.

Ein Zufall führte ihn nach Deutschland

Dass es den 26-Jährigen ausgerechnet nach Deutschland verschlagen hat, ist dem Zufall geschuldet. Nach seinem Schulabschluss hat er zunächst in Hotels gejobbt, als Kellner und als Barmann. Auch das Handwerk des Zerspanungsmechanikers hat er gelernt. Beide Branchen konnten ihn jedoch nicht begeistern. Die Arbeit in der Natur fasziniert ihn hingegen schon lange. „Sie bietet immer etwas Neues, etwas Anderes. Das finde ich interessant“, sagt er.

In seiner alten Heimat hat er gern den Kleingarten der Familie gepflegt. Dort wuchsen vor allem Bananen. Allerdings gibt es in Madagaskar keine Schule für den Garten- und Landschaftsbau. Die übrigen beruflichen Alternativen im Inselstaat überzeugten ihn nicht. Über die Mutter seiner damaligen Freundin, eine Deutschlehrerin, lernte er die deutsche Sprache zum ersten Mal kennen. So entwickelte sich die Idee, in die Bundesrepublik auszuwandern.

Begeisterung für den Job ist spürbar

Anfang 2020, bevor sich die Coronapandemie in Europa ausgebreitet hatte, stieg er mit seiner Lebensgefährtin in den Flieger. Mehr als 8000 Kilometer Luftlinie sind es zwischen Deutschland und seiner Heimat. Zehn Stunden dauert ein Flug. Nach Stationen in Düsseldorf und Heidelberg, wo er für seinen Lebensunterhalt Kinder betreut hat, wohnt das Paar mittlerweile in Filderstadt. In einer Klinik hat er ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert, wollte dort aber im Anschluss nicht bleiben. „Ich kann so etwas nicht auf Dauer machen“, sagt er. Stattdessen schaute sich der 26-Jährige nach einer Ausbildung zum Gärtner um und wurde in Kornwestheim fündig.

Im vergangenen Jahr hat er sein erstes Ausbildungsjahr begonnen. Der Job macht ihm Spaß, und im neuen Team fühlt er sich wohl, sagt er. Endlich kann er etwas tun, was seinen Talenten und Neigungen entspricht. „Man merkt ihm an, dass bei ihm ein riesiges Interesse vorhanden ist“, lobt sein Chef Jörg Raff, der Leiter der Kornwestheimer Stadtgärtnerei. Der städtische Betrieb bildet vor allem aus, um das Team dauerhaft zu verstärken. Der Fachkräftemangel geht schließlich auch nicht an Kornwestheim vorbei. Bei dem jungen Mann bestehe zwar das Risiko, dass er nach der Ausbildung andere Wege gehen möchte, meint Raff. Aufgrund der spürbaren Begeisterung für den Beruf wollte der Leiter der Stadtgärtnerei dem 26-Jährigen dennoch eine Chance geben.

Mit dem neuen Wissen steht ihm die Welt offen

Doch das Paar aus Madagaskar denkt – trotz gelegentlichen Heimwehs – nicht daran, der Region Stuttgart schon bald wieder den Rücken zuzukehren. In der vergangenen Woche haben die beiden, zum ersten Mal seit 2020, die alte Heimat besucht, um sich dort das Jawort zu geben. Ihre gemeinsame Zukunft sehen sie jedoch in Deutschland. „Wir wollen so lange bleiben, wie wir können und dürfen“, betont der Azubi. Auch seine Frau lässt sich derzeit ausbilden – in einer Klinik.

Für den Fall, dass die Sehnsucht nach der südostafrikanischen Insel doch einmal größer wird oder das Paar weitere Länder der Erde entdecken möchte, ist der 26-Jährige allerdings vorbereitet, wenn er die Ausbildung beendet hat. Dessen ist sich sein Chef sicher. „Er bekommt hier das Handwerkszeug, das ihm überall hilft“, sagt Raff. In Kornwestheim lernt der Auszubildende nicht nur eine große Vielfalt an Grün kennen, sondern schafft sich Grundlagen in der Bodenkunde, im Mauer- und Wegebau und im ressourcenschonenden Umgang mit Wasser. Dieses Wissen bringt ihn auch in anderen Ländern weiter, meint Raff. „Wer so etwas kann, dem steht die Welt offen“, betont er.

Gleichwohl bestehen natürlich einige Unterschiede zwischen Deutschland und Madagaskar, die sich auf die tägliche Arbeit auswirken. Die vier Jahreszeiten, wie man sie hier kennt, gibt es im Inselstaat nicht. „Dort sind es Frühjahr, Sommer und die Regenzeit“, sagt Rakotonoely. Auch die Pflanzenarten unterscheiden sich. Eine Sache hat den 26-Jährigen allerdings am meisten überrascht: „Ich hätte nicht gedacht, dass es hier zum Teil sogar grüner als in Madagaskar ist.“

Internationale Azubis

Die Ausbildung
In der Regel dauert die Ausbildung bei der Stadtgärtnerei Kornwestheim drei Jahre. Sie besteht aus Blockunterricht in der Berufsschule, sechs überbetrieblichen Lehrgängen und der Mitarbeit im Betrieb. Die Stadtgärtnerei hat sich auf die Pflege von Grünanlagen spezialisiert. Um alle Tätigkeitsfelder im Garten- und Landschaftsbau abzudecken, kooperiert sie mit einer hiesigen Gartenbaufirma. Die Stadtgärtnerei Kornwestheim bildet erst seit wenigen Jahren selbst aus. Zo Radoniaina Rakotonoely ist daher erst der zweite Azubi dort.

Die Auszubildenden
Derzeit sind 51 Auszubildende sowie dual Studierende bei der Stadt Kornwestheim beschäftigt. Sie kommen nicht nur aus dem Inland, sondern auch aus dem Ausland. Zu den genauen Nationalitäten möchte sich die Stadt aus Datenschutzgründen nicht äußern. Sie verrät aber, dass etwa zehn Prozent der jungen Leute keine deutschen Staatsbürger sind.