Michael Bettermanns Arbeitsplatz kann sich sehen lassen. Foto: Michael Bettermann

30 Jahre lang hat Michael Bettermann bei IBM als IT-Projektleiter gearbeitet, dann wurde seine Abteilung ausgelagert. Mit 56 Jahren wagte der Böblinger einen kompletten Neuanfang – jetzt arbeitet er als Liftbediensteter am Arlberg.

St. Anton/Böblingen - Den ganzen Tag über war Michael Bettermann damit beschäftigt, Schnee zu schippen, Eis an den Seilbahnstützen abzuschlagen oder Stationszugänge frei zu fräsen. Da kann es am Feierabend schon mal passieren, dass er auf dem Sofa einschläft, nur wenige Minuten nachdem er den Fernseher eingeschaltet hat. „Es ist eine befriedigende Müdigkeit, wenn man sich körperlich betätigt hat“, sagt der 59-Jährige. Die Wintersaison verbringt der Böblinger am Arlberg in St. Anton als Seilbahnbediensteter, fernab von seiner Familie. Hauptsächlich sorgt er dafür, dass der Ablauf an der Gampbergbahn reibungslos vonstatten geht.

Dazu gehört es auch, bei starkem Schneefall die Liftstation wieder für die Skifahrer zugänglich zu machen. „Um 7.30 Uhr beginnt der Dienst an der Bergbahn, dann bereiten wir alles vor, bis die ersten Gäste um 9 Uhr kommen“, erzählt er. Danach überwacht er den Einstieg, behält jeden Fahrgast im Auge und hilft Kindern oder Anfängern. „Die Arbeit macht mir Freude“, sagt er mit Überzeugung.

30 Jahre bei IBM als Projektleiter – dann kam der Umbruch

Dabei sah Bettermanns Arbeitsalltag vor ein paar Jahren noch ganz anders aus. Er arbeitete 30 Jahre lang als IT-Projektleiter bei IBM, bis sein Bereich in viele kleine Tochterfirmen zerschlagen und schließlich nach China ausgelagert wurde. 120 Mitarbeiter verloren dabei im Jahr 2016 ihre Jobs, darunter auch Bettermann. Im Alter von 56 Jahren musste er sich plötzlich neu orientieren: „Ich habe etwa 80 Bewerbungen geschrieben, davon wurde ich nur zu fünf Vorstellungsgesprächen eingeladen.“ Eine Anstellung ergab sich daraus nicht. Sechs Monate lang war er auf der Suche und musste die unangenehme Erfahrung machen, plötzlich nicht mehr gefragt zu sein. „Nur zu Hause rumhängen, das ist nichts für mich“, sagt er.

Dann fiel seinem Sohn die originelle Anzeige auf, mit der man nach Liftbediensteten in einem Skigebiet suchte: „Warum die Karriereleiter erklimmen, wenn es Gondeln gibt?“, hieß es da. Der passionierte Skifahrer, der auch den Böblinger Skiclub ehrenamtlich leitet, fühlte sich sofort angesprochen. Seine 23 und 26 Jahre alten Söhne und seine Frau gaben ihm grünes Licht, den Job für eine Saison auszuprobieren.

Die Voraussetzungen waren, dass das Skigebiet groß genug ist, um für eine komplette Saison Abwechslung zu bieten und von Böblingen aus in drei Stunden erreichbar ist. Von dem Skigebiet am Arlberg bekam er als erstes eine Zusage – und die Entscheidung war gefallen.

Ein Arbeitsplatz mitten in den Bergen

Die Bezahlung liegt zwar nur etwas über dem österreichischen Mindestlohn; dafür bekommt Bettermann für sich und seine Frau eine Saisonkarte zum Skifahren, kostenlose Verpflegung tagsüber im Bergrestaurant und ein kleines Zimmer im Mitarbeiterwohnheim zur Verfügung gestellt. Doch das Wichtigste: „Ein Arbeitsplatz mitten in den Bergen – das ist eigentlich unbezahlbar“, findet Bettermann.

Vier Tage arbeitet er an der Liftstation, dann hat er einen Tag frei. Zeit, um Besuch von Familie und Freunden zu empfangen und seinem Hobby nachzugehen: dem Skifahren. „In der Saison komme ich auf mindestens 30 Skitage“, sagt er zufrieden.

Etwa 400 Saisonkräfte sind im Winter in dem Skigebiet beschäftigt – ob auf der Piste, in den Bergrestaurants oder an den Liften. Bettermanns Kollegen kommen aus der ganzen Welt: „Der Job ist vor allem toll für junge Leute, die direkt nach der Schule erst einmal etwas anderes sehen wollen“, findet er. Unter den internationalen Kollegen fühlt sich aber auch der 59-Jährige so wohl, dass er bereits den dritten Winter in Folge in St. Anton verbringt. Und im Sommer für gute zwei Monate als Begleiter die Gondel der Vallugabahn steuert.

Der Kontrast zu seinem früheren Leben könnte nicht größer sein: „Als Büromensch konnte ich meine Arbeit nur virtuell auf dem Computer verfolgen. Heute sehe ich sofort, was ich an einem Tag geleistet habe.“ Die Kehrseite sei allerdings, dass er seine Familie in dieser Zeit nur selten sieht. „Am Ende der Saison bin ich immer wehmütig, weil es vorbei ist. Andererseits freue mich dann aber auch auf meine Familie.“