Gerald Bengesser aus Freiberg reist als junger Mann spontan mit einer Organisation nach Neuseeland. Der Anfang eines großes Abenteuers mit Stationen in Australien, auf den Fidschi-Inseln und Schweden. Sein großes Glück aber wartet in Papua-Neuguinea.
Gerald Bengesser scheint immer wieder staunend auf sein Leben zurückzublicken, zumindest auf die vergangenen gut 20 Jahre. Diesen Eindruck gewinnt man jedenfalls, wenn man sich mit dem 42-jährigen gebürtigen Freiberger unterhält. Wer die Geschichte des Mannes hört, der mit 21 Jahren „als Schwabe zum ersten Mal in die Fremde ging“, wie er schmunzelnd erzählt - und mit Fremde meint er Hamburg - und nach vielen Abenteuern schließlich in Ozeanien landete, bekommt von Anfang an eine Ahnung von dieser Verwunderung.
„Noch am Flughafen stehend, machte ich mir fast in die Hose“
„Ich war damals keineswegs selbstbewusst und traute mir vieles nicht zu, obwohl ich tief in mir drin schon längst am liebsten mal ins Ausland gegangen wäre“, erzählt sich Bengesser. In Hamburg leistete er Zivildienst in der sozial-diakonischen Einrichtung „Jesuscenter“ beim Schanzenviertel. „Es war der erste Schritt in die richtige Richtung“, sagt Bengesser rückblickend, während er die einzelnen Stationen hinzufügt, die sich nach seinem Aufenthalt in Hamburg fast schicksalhaft aneinander gereiht haben – und ihn weit, weit weg vom Schwabenland ins Ungewisse geführt haben.
Diese Ungewissheit, die sich plötzlich mit der immer stärker drängenden Lust auf Abenteuer verband, war es, die wohl den Reiz dieser Jahre ausmachten. Noch in Hamburg hatte Bengesser durch einen Bekannten erfahren, dass die Organisation Jugend mit einer Mission (JMEM) Helfer benötige: Ziel war Auckland. Mit heutzutage 1,4 Millionen Einwohner die größte Stadt Neuseelands.
Gerald Bengesser ließ sich blind darauf ein: „Noch am Flughafen stehend, machte ich mir fast in die Hose, so aufgeregt war ich.“ Von dort ging es rasch weiter; und zwar nach Tauranga und schließlich per Schiff auf die Fidschi-Inseln, wo er als Volunteer für die christliche Organisation im Maschinenraum arbeitete. Eine völlig neue Welt, die sich für den Informatikkaufmann öffnete. „Als ich gefragt wurde, ob ich dorthin mit will, war für mich sofort klar, dass ich mitfahre“, erzählt Gerald Bengesser: „Als ich noch in Hamburg war, trug ich das Bild von einem weißen Schiff im Kopf, das vor einer Insel anlegt. Weniger als ein Jahr später war ich schließlich auf dem Weg nach Fidschi.“
Mit einem Zertifikat in der Tasche geht es zurück
Da er ehrenamtlich arbeitete, lag eines Tages die Frage nahe: Wie lange reicht mein Geld? „Ich bin damals von einem Abenteuer ins andere gestolpert. Aber als Christ bin ich mir heute sicher, dass es schon eine gewisse Führung gab – außerhalb meiner eigenen Möglichkeiten – die mich steuerte.“ Und da Gerald durch den Film „Verschollen“ zudem seine Faszination für Inseln entdeckt hatte, war er von dem bevorstehenden Ziel restlos angetan: „In Fidschi habe ich herausgefunden, dass die besagte Insel im Film gerade mal 40 Kilometer vom Hafen Lautoka, an dem wir angelegt haben, entfernt war.“ Und so erfüllten sich große und kleine Sehnsüchte auf der Reise wie von selbst. Und nebenbei erlernte er zahlreiche Fertigkeiten.
„Es war eine Art ‚Training on the job’“, so Bengesser zum Aufgabenspektrum: „Schweißen, Ölwechsel, Pumpen und kleine Motoren reparieren oder Wasserkreisläufe beherrschen, das waren meine Tätigkeiten. Aber ich war auch an Land aktiv, habe dabei geholfen, die Menschen vor Ort zu unterstützen“. Eine PR-Tour der Organisation brachte ihn zurück nach Neuseeland.
Mittlerweile war Bengesser aber schon 15 Monate unterwegs und die Frage stand an: Was mache ich als Nächstes? Auch hier war die Antwort rasch bei der Hand, denn er erhielt das Angebot eine Jüngerschaftsschule zu besuchen, die für ihn als Crewmitglied kostenfrei war. Sechs Monate dauerte die Fortbildung, drei davon in Neuseeland, die anderen drei auf den Philippinen. „Dort habe ich dann das Medizinteam unterstützt. Wir waren in Waisenhäusern und Gefängnissen – und stets im Auftrag der christlichen Nächstenliebe unterwegs“, so Bengesser, der mit einem Zertifikat in der Tasche nach Deutschland zurückkehrte.
Drei Monate Resturlaub werden zu drei Jahren
Dort fand er im Raum Heilbronn in der Baubranche einen Job als Assistent des Projektleiters. Doch es hielt ihn wieder nicht lange in Baden-Württemberg, auch diese Stelle führte ins Ausland – und zwar für drei Jahre nach Schweden. „Das Projekt war 2009 beendet. Da ich drei Monate Resturlaub angehäuft hatte, stand wieder einmal die Überlegung an, was ich damit mache. Kurzentschlossen habe ich eine Reise nach Neuseeland gebucht“, erzählt der Deutsche, der noch ein dickes Grand Finale im Gepäck hat. Dort angekommen trifft er auf den ihm schon bekannten Kapitän seiner vorherigen Abenteuerreisen – und folgt ihm spontan nach Australien für eine neuerliche PR-Tour.
Wieder wird Bengesser im Maschinenraum eingesetzt: „Ich ging davon aus, dass ich die drei Monate bleibe und dann zurück nach Deutschland gehe.“ Aber es kam wieder anders, Abenteuerlust und Entdeckergeist hielten ihn schlichtweg zurück. „Ich hatte es ja auch nicht eilig und schließlich fuhr ich einfach mit nach Papua-Neuguinea – zu einer neuen Mission. Ich wollte das Leben im Dschungel kennenlernen.“
Fasziniert erzählt Gerald Bengesser von den „über 800 Sprachen und ebenso vielen verschiedenen Kulturen“, die es dort gebe. „Nur 150 Kilometer weiter denkt man, das ist ein anderes Land. Jede Region hat ihre eigenen Herausforderungen. Und wenn das Schiff anlegte, wurden wir meist mit einer Art Willkommensfest begrüßt“, erzählt der Weltenbummler. „Wir haben an Land Brillen ausgegeben, Wassertanks repariert, medizinische Grundversorgung geleistet, es gab OPs gegen Grauen Star und wir haben jede Menge Zähne gezogen.“ Als wolle er Zeugnis davon ablegen, zückt Gerald Bengesser das Handy und zeigt Fotos. Vielfach zeigen sie Menschen mit einem Gebiss in katastrophalem Zustand: Zahlreiche Zähne fehlen, die übrigen sind oft verfault oder abgebrochen. „Es kam häufig vor, dass wir im Schnitt bei einem Menschen sieben Zähne ziehen mussten.“
Amors Pfeil trifft Gerald Bengesser
In Papua-Neuguinea schwang das Geld auch wieder das Zepter: „Aus drei Monaten waren drei Jahre geworden. Die ehrenamtliche Arbeit brachte mir nichts ein.“ Als Bengesser dann aber das Kapuna Hospital an der Südküste Papua-Neuguineas besucht, kann er sich plötzlich vorstellen, dort zu leben. 2015 fliegt er noch mal nach Deutschland „um gewisse Dinge zu erledigen“, kommt zurück – und es trifft ihn prompt Amors Pfeil.
Gerald Bengesser verliebt sich in seine heutige Frau Julie, mit der er die fünfjährige Tochter Eliana hat und lebt bis 2021 in der Hospital-Community. Das Paar holt sich 2016 bei einem Urlaub in Geralds Heimat Freiberg den Segen des Vaters und heiratet 2017. Vater und Bruder fliegen zur Hochzeit in die ferne Region. Dort ist Gerald Bengesser mittlerweile Leiter der City Mission in Port Moresby. Er lebt außerhalb der Stadt mit seiner Familie auf einer kleinen Farm.
Das Leben ist niemals langweilig
Eine Rückkehr nach Deutschland kann er sich lediglich für zwei, drei Jahre vorstellen – aber nicht mehr: „Die Menschen in Deutschland wissen gar nicht, was sie für ein wunderbares Land haben. Viele können es nicht schätzen und genießen.“ Er habe gelernt mit wenig auszukommen und dabei glücklich zu sein. Für ihn zählt die Gemeinschaft und die Tatsache, dass Papua-Neuguinea niemals langweilig ist: „Im positiven wie negativen Sinn. Hier gibt es echte Herausforderungen. Und obwohl vieles ineffizienter ist und die einzelnen Aufgaben mehr Zeit beanspruchen, haben die Menschen hier trotzdem mehr Zeit, um zu leben.“
Wer gerne Kontakt zu Gerald Bengesser aufnehmen will, kann sich unter der E-Mail gjmissions@gmail.com bei ihm melden.