Auf dem Sprung ins Finale der Champions League: Torhüter Loris Karius vom FC Liverpool Foto: dpa

Loris Karius spielte einst in der Jugend des VfB Stuttgart, hat sich zuletzt beim FC Liverpool als Stammtorhüter etabliert und erlebt nun sein größtes Spiel.

Liverpool - Rauslaufen oder stehenbleiben, das waren die Optionen, zwischen denen sich Liverpools deutscher Torwart Loris Karius entscheiden musste in dieser 88. Minute gegen den Tabellenletzten West Bromwich Albion am vergangenen Wochenende. Er wählte die schlechteste Variante, nämlich erst das eine und dann das andere – und so streckte er am Ende hilflos die Arme vom Körper und hatte keine Chance gegen den Kopfball von Salomón Rondón zum 2:2-Endstand. Es war eine dieser Aktionen, die nicht eindeutig als Torwartfehler einzustufen sind. Aber einen besonders glücklichen Eindruck machte Karius eben auch nicht.

Dass sich der 24 Jahre alte Schlussmann durch diesen Wackler aus der Ruhe bringen lässt vor dem Halbfinal-Hinspiel des FC Liverpool in der Champions League gegen den AS Rom an diesem Dienstag (20.45 Uhr) an der Anfield Road ist allerdings nicht zu erwarten. Denn erstens scheint es grundsätzlich schwierig, Karius aus der Ruhe zu bringen. Und zweitens hat er schon andere Turbulenzen überstanden in seiner noch recht jungen aber schon sehr wechselhaften Karriere.

Als 16-Jähriger erstmals nach England

Im Alter von 16 Jahren zog es den in Biberach aufgewachsenen und beim VfB Stuttgart von 2005 bis 2009 ausgebildeten Karius zum ersten Mal nach England. Er wechselte in die Jugendabteilung von Manchester City, spielte für die U 18 und für die Reserve des Clubs. Im Training übte er mit Englands Nationaltorwart Joe Hart. Karius spricht noch heute mit großer Hochachtung davon, wie sehr er von der täglichen Zusammenarbeit profitiert hat. Doch zugleich blockierte Hart auch seinen Zugang zur ersten Mannschaft. Er hatte keine Aussicht auf Einsätze in der Premier League. Karius entschloss sich deshalb, einen Schritt zurück zu machen: Nach zwei Jahren in Manchester wechselte er zu Mainz 05, erst auf Leihbasis, dann dauerhaft. Dort etablierte er sich im Profifußball und schaffte 2016 den Sprung nach Liverpool.

Doch sein zweiter Anlauf in England begann holprig. Karius brach sich in der Vorbereitung die Hand und war nach seiner Genesung nur zweite Wahl. Als seine Chance kam, ließ er sie durch die Hände rutschen, im wahrsten Sinne des Wortes. Weil Stammtorwart Simon Mignolet nicht überzeugte, wurde Karius zur Nummer eins auf Probe befördert, leistete sich allerdings mehrere Fehler. Die Fachleute waren sich einig, dass der Import auf Deutschland nicht gut genug für den ruhmreichen FC Liverpool sei, Trainer Jürgen Klopp setzte ihn nach nur zehn Spielen in der Liga wieder auf die Bank. Und bei weniger nachsichtigen Trainern wäre die Karriere des Torhüters in der Premier League möglicherweise schnell wieder vorbei gewesen. Jürgen Klopp dagegen gehört zu der Sorte von Übungsleitern, die geduldig sind und Fehler verzeihen.

Duell der Torhüter im Halbfinale

Er erteilte Karius in dieser Saison in allen Spielen der Champions League das Startrecht und machte ihn Anfang des Jahres, nach mehreren Wechseln mit Mignolet, wieder fest zur Nummer eins in allen Wettbewerben. Seitdem spielt er – und zwar zur Zufriedenheit des Trainers. „Ich wäre der größte Idiot im Weltfußball, wenn er kein guter Torwart wäre und ich ihn trotzdem aufstellen würde“, sagte Klopp neulich. Auch von den Experten wird Karius neuerdings gelobt. „Er hat in den vergangenen Wochen gezeigt, dass er ein sehr guter Keeper ist. Mit seinen Paraden und dem Selbstvertrauen, das er dadurch bekommt, könnte er Liverpool auf das nächste Level bringen“, glaubt der ehemalige Premier-League-Torwart Shay Given.

Karius hat an Sicherheit gewonnen, weil er zum ersten Mal seit seiner Ankunft an der Anfield Road regelmäßig zum Einsatz kommt und sich seiner Rolle als Stammkraft sicher sein darf. Er ist solide mit dem Fuß, hat sich in der Beherrschung seines Strafraums verbessert und kommandiert seine Mitspieler mit großer Selbstverständlichkeit. Final zerstreut hat er die Zweifel allerdings noch nicht.

Gelegentlich macht Karius immer noch einen flatterhaften Eindruck. In Liverpool halten sich deshalb die Debatten, ob der Club zur neuen Saison nicht lieber einen Torhüter von Weltrang verpflichten sollte. Als Kandidat wird ziemlich nachdrücklich der brasilianische Nationaltorwart Alisson von Liverpools Gegner AS Rom gehandelt. Das Halbfinale der Champions League ist deshalb auch ein Torhüter-Duell. Karius kann im direkten Vergleich beweisen, dass sein Arbeitgeber auf seiner Position keinen Handlungsbedarf hat. Dazu sollte er allerdings entschlossener auftreten als in der 88. Minute gegen West Bromwich Albion.