Die Wilhelma ist im vergangenen Jahr aufwendig renoviert werden. Foto: Lg/Kovalenko

Wolfgang Thie denkt darüber nach, den Betriebssitz nach Marbach am Neckar zu verlegen. Der Neckar Käpt’n fühlt sich von der Stadt Stuttgart nicht ausreichend unterstützt.

Stuttgart - Leinen los heißt es am Karfreitag. Dann legen von der Anlegestelle an der Wilhelma erstmals in diesem Jahr wieder die Ausflugsboote ab, und der Neckar-Käpt’n startet mit seinen Personenschiffen in die neue Saison. Bei Flottenchef Wolfgang Thie ist von der Vorfreude früherer Jahre indes nicht mehr viel übrig geblieben. Manche Entwicklung im Freizeitverhalten der Gesellschaft, die unveränderte Baustellensituation am Neckarufer in Bad Cannstatt und die aus seiner Sicht zähe Zusammenarbeit mit der Stadt Stuttgart haben den gebürtigen Hanseaten ein Stück weit mürbe gemacht.

Waren das Zeiten, als über die warmen Monate des Jahres hinweg sich pro Saison rund 200 000 Menschen von den Linienschiffen der damaligen Berta Epple GmbH über den Neckar schippern ließen. Die Spitzenbilanz aus den 70er-Jahren ebbte dann langsam, aber kontinuierlich ab, ein Vierteljahrhundert später waren es jährlich immer noch bis zu 120 000 Menschen, die die mehrstündigen Fahrten zwischen dem Stuttgarter Hafen und Marbach als reizvolles Freizeitvergnügen betrachteten. Als Wolfgang Thie mit Ehefrau Susanne 1997 die Flotte übernahm und daraus den Neckar-Käpt’n machte, bekam er bald zu spüren, dass sich das Freizeitverhalten der Bevölkerung rasant zu verändern begann.

Immer mit dem Trend gehen

Allgemeine Linienfahrten wurden immer uninteressanter, mit speziellen Event- und Themenausflügen konnte der Abwärtstrend zumindest verlangsamt werden. Thie versuchte mit der Zeit zu gehen und Trends aufzuschnappen, startete Gruppenausflüge für private Gesellschaften oder ließ ein großes Partyfloß mit Beats & Burger übers Wasser treiben. Inzwischen hat sich das Interesse auf 70 000 bis 80 000 Schiffsbesucher pro Saison mit rund 800 regulären und 80 Sonderfahrten eingependelt. Ein paar verregnete Sommer, defekte Schleusen und dazu die 2015 begonnenen Bauaktivitäten beim Rosensteintunnel und der neuen Bahnbrücke im Zuge von Stuttgart 21 haben dem Neckar-Käpt’n die Bilanzen zuletzt regelmäßig verhagelt.

„Es fehlten jedes Jahr zwischen 50 000 und 70 000 Euro“, sagt Thie, der schmerzhafte Konsequenzen ziehen musste. Zwei von einst fünf Schiffen der Flotte wurden verkauft, das Personal drastisch reduziert. „Es waren mal 27 Beschäftigte, jetzt sind es noch 17 und über die Wintermonate zehn“, listet der Kapitän auf, schließlich „machen die Personalkosten rund die Hälfte unserer Ausgaben aus“.

Dass der Sommer 2018 mit vielen warmen, trockenen Tagen keinen spürbaren Mehrbetrieb für den Neckar-Käpt’n brachte, ist für Wolfgang Thie auch ein Zeichen einer verfahrenen Situation. „Es liegt an den äußeren Umständen. Wir haben hier in dieser Baustellengegend einfach ein schlechtes Image“, beklagt der 62-Jährige. Seine Bemühungen, während der mehrjährigen Zeit mit Bauschutt, Zäunen und Containern rund um den Anlegeplatz Verbesserungen zu erreichen, sind zu großen Teilen erfolglos geblieben. Obendrein hat er zuletzt vermehrt mit nächtlichen Einbrüchen zu kämpfen. „Durch die großen Container hat man am Ufergelände gute Deckung“, sieht Thie den Zusammenhang zu den jüngsten fünf Vorfällen.

Stadt will von Zerwürfnis nichts wissen

Die Anlegestelle am Mühlgrün kann er zwar für seine Boote nutzen, aber nicht zum Ein- und Ausstieg von Personen. Das aber hatte Thie seit langem gefordert. „Es tut sich einfach nichts“, ärgert sich der Flottenchef, der den Schwarzen Peter den verschiedenen Ämtern zuschiebt. Die Stadt sieht das anders. „Das Rosensteinufer wird neu gestaltet. Es sind auch neue Anlegestellen im Bereich zwischen Wilhelma und Neckarböschung geplant“, sagt Pressesprecherin Ann-Katrin Gehrung im Namen des Stadtplanungsamts. Vor dem Eingangsbereich der Wilhelma soll eine fest gebaute Anlegestelle für Ausflugsschiffe entstehen. „Nördlich der neuen Eisenbahnbrücke planen wir eine schwimmende Konstruktion, die Platz für zwei Liegeplätze für Fahrgastschiffe bietet“, sagt Gehrung .

Von einem Zerwürfnis mit dem Neckar-Käpt’n will man bei der Stadt nichts wissen. „Bei diesen Plänen haben wir uns auch mit Herrn Thie abgestimmt. Er hatte das vorgeschlagene Konzept wohlwollend aufgenommen. Auch in die weiteren Schritten wollen wir ihn einbinden“, sagt Gehrung und spricht von „Gesprächen noch im April“.

Keine Lust mehr auf „verbeamtete Verkrustungen“

Wolfgang Thie beschreibt die Situation deutlich negativer. Auf die „vielen verbeamteten Verkrustungen“ im Verwaltungsapparat habe er „keine Lust mehr“. Die eigene Rente beschäftige ihn längst mehr als das Wohl der Stadt, gibt er zu. Mehr noch: Ganz offen spielt Thie mit dem Gedanken, den Betriebssitz des Neckar-Käpt’n von Stuttgart nach Marbach am Neckar zu verlegen, um Gewerbesteuern zu sparen. „Das steht im Raum“, bestätigt der 62-Jährige, der dies zusammen mit seinem Steuerberater prüfen will.

Aber jetzt geht es erst mal wieder raus aufs Wasser. Sein Hauptschiff, die „Wilhelma“, hat Thie im vergangenen Jahr aufwendig renovieren lassen. Auch die Homepage (www.neckar-kaeptn.de) wurde ganz neu gestaltet und nutzerfreundlicher gemacht. Vielleicht erwischt der Neckar-Käpt’n ja noch einmal die Erfolgswelle.