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Seit die 32-jährige Kristina Köhler (CDU) Ende November vom Bundespräsidenten vereidigt wurde, ist sie von der politischen Bildfläche verschwunden.

Berlin - Seit die 32-jährige Kristina Köhler (CDU) Ende November vom Bundespräsidenten vereidigt wurde, ist sie von der politischen Bildfläche verschwunden. Im Gegensatz zu Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, die nach mehr Macht trachtet.

Die Natur wandelt sich bekanntlich rasant. Neuerdings gehören auch Politiker zu den Spezies, die Winterschlaf halten. Die Kanzlerin ist schon seit Wochen von einer mentalen Kältestarre befallen. Und dann gibt es auch noch die Familienministerin. Die heißt Kristina Köhler, woran man ruhig erinnern darf, denn die kann man schon mal vergessen. Seit die 32-jährige CDU-Politikerin Ende November vom Bundespräsidenten vereidigt wurde, ist sie nämlich von der politischen Bildfläche verschwunden. Keine Interviews, keine Auftritte, erst recht keine Talk-Shows. Aktenstudium ist angesagt. "Staub fressen" nennen das die Ministerialbeamten.

Das muss man der Neuen nicht vorwerfen. Im Gegenteil. Köhler war Innenpolitikerin, ehe die Kanzlerin auf die Idee kam, die Nachwuchskraft aus Hessen an den Kabinettstisch zu holen. Sie muss sich einarbeiten, was sie auch in nicht uncharmanter Offenheit zugibt.

Das wird ihr derzeit nicht gerade leicht gemacht, und das liegt ausgerechnet an ihrer populären Amtsvorgängerin Ursula von der Leyen, die in ihrer neuen Funktion als Arbeitsministerin weder auf vertrautes Personal noch auf das alte Politikfeld verzichten will. Von der Leyen holte bereits Staatssekretär Gerd Hoofe mit ins neue Haus. Nun geht die Leyensche Variante der Familienzusammenführung weiter: Auch die Abteilungsleiter Malte Ristau und Annette Niederfranke wechseln mit von der Leyen ins Arbeitsministerium.

Das ist nicht irgendeine Personalrochade, sondern ein Politikum ersten Grades. Ristau, übrigens SPD-Mitglied, gilt als "Vater" des Elterngeldes, und Niederfranke konzipierte das letztlich gescheiterte Kinderschutzgesetz.

Für Kristina Köhler ist das alles mehrfach unangenehm: Ihr Ressort wird personell entkernt. Die beiden wichtigsten Abteilungen sind nun ohne Führung, besetzt sind nur noch die politisch nachrangigen Abteilungen für "Gleichstellung", "Ältere Menschen" und "interne Verwaltung". Die Zentralfelder Familie sowie Kinder und Jugend sind aber vakant.

Prekär für Köhler ist aber auch, dass von der Leyen ihre Personalpolitik mit einem politischen Anspruch verbindet, den Köhler als Kampfansage begreifen kann: Die Arbeitsministerin will Themen wie die Lage der Alleinerziehenden, Kinderarmut und Berufschancen junger Frauen weiter unter ihrer Federführung vom neuen Ministerium aus betreuen. Das ist durchaus ein politischer Coup, denn hätte zu Zeiten der Großen Koalition der SPD-Arbeitsminister Olaf Scholz ähnliches im Schilde geführt, wäre ein Aufstand der Familienministerin von der Leyen sicher gewesen. Mit Köhler aber kann man das eher machen. Ihr politisches Gewicht muss sie sich noch erarbeiten.

Das wird nicht leicht. Die politischen Großprojekte in der Familienpolitik sind durch von der Leyen bereits angeschoben worden: Ausbau der Krippenplätze und das Elterngeld. Ihrer Nachfolgerin bleibt die unbequeme Nacharbeit. Die Gemeinden haben kaum Geld, um den ab 2013 verbrieften Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für Kinder unter drei Jahre umzusetzen. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Weiterenwicklung des Elterngeldes und die Verlängerung der Vätermonate wird Köhler in Konflikte mit dem Finanzminister bringen - und zu alledem bleibt als schwerste Bürde der Streit um das teure Betreuungsgeld. Ob es kommt ist genauso fraglich wie seine genaue Ausgestaltung - ob als Barzahlung oder per Gutschein. Die Zeiten, da man als Familienministerin glänzen konnte, scheinen also vorbei.

In der Koalition wird der selbstbewusste Zugriff von der Leyens durchaus nicht unkritisch gesehen - vor allem nicht bei der CSU. Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich sagte unserer Zeitung: "Beim Familienministerium geht es um eine gesellschaftliche Grund-Institution unserer Gesellschaft. Es darf nicht in der allgemeinen Sozialpolitik untergehen."

Kritik kommt aber auch von der Opposition. Die grüne Familienpolitikerin und stellvertretende Vorsitzende ihrer Fraktion, Ekin Deligöz, spricht von einer "Schwächung des Ministeriums". Köhler werde es schwer haben: "Ihr Kernpersonal fehlt jetzt, und die großen Entwürfe sind längst gelaufen". Die familienpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Caren Marks, fordert Köhler auf, Stellung zu beziehen. Bislang sei sie " als Familienministerin in keiner Weise auffällig geworden."

Die Ministerin muss aus dem Winterschlaf erwachen. In Kürze wird sie dem zuständigen Ausschuss des Bundestags ihr Arbeitsprogramm erklären. Die Parlamentarier haben genau registriert, dass von der Leyen ihren entsprechenden Auftritt schon vor Weihnachten absolviert hatte. Über Twitter ließ die Internet-affine Ministerin wissen, dass sie übers Jahr das Buch "Zwei an einem Tag" gelesen hat. Kein schlechter Vorsatz, wenn sich das auf politische Entscheidungen bezieht.