Angela Merkel trifft sich in Brüssel mit US-Präsident Donald Trump. Zuvor hatte sie seinen Vorgänger, Barack Obama, beim Evangelischen Kirchentag in Berlin getroffen. Bilder dazu in unserer Bilderstrecke. Foto: AP

Was für ein Tag. Erst Merkel und Obama beim Kirchentag in Berlin. Es wird gejubelt. Dann Merkel und Trump bei der Nato in Brüssel, dort wird demonstriert. Kontrastprogramm zwischen zwei US-Präsidenten.

Berlin - Der Name kommt ihm natürlich nicht über die Lippen. Viele Menschen, die dem früheren US-Präsidenten Barack Obama beim Evangelischen Kirchentag am Brandenburger Tor zujubeln, haben Donald Trump trotzdem im Ohr und vor dem geistigen Auge. Ganz sicher auch Obamas „Freundin“ Angela, die an diesem Himmelfahrtstag mit ihm über Gott und die Welt spricht. Noch am Nachmittag wird die Kanzlerin beim Nato-Gipfel in Brüssel auf den neuen US-Präsidenten treffen. Er ist Neuland für sie. Mit Obama dagegen ist sie eingespielt. Man schätzt sich, man lobt sich. Viele seiner Sätze beginnen mit: „Wie Angela sagt (...)“. Kein Nachteil für Merkel im Wahlkampf.

Während sich in Belgien Menschen als Freiheitsstatuen verkleiden und gegen Trump demonstrieren, haben Kirchentags-Teilnehmer in Berlin Tränen in den Augen, als Obama auf Deutsch „Guten Tag“ sagt und bekennt, er liebe diese Stadt. Sie klatschen, als er seine mühsam erkämpfte Gesundheitsreform verteidigt und pauschal von der Bedrohung spricht, dass sie wieder abgeschafft werden könnte.

Jeder weiß, dass es Trump ist, der das will. Millionen Amerikaner könnten ihre Krankenversicherung verlieren. Obama erwähnt ihn aber auch nicht, als er auf Freiheitsrechte für Religionen und Presse, auf Intoleranz, Nationalismus und antidemokratische Strömungen verweist. Er sagt nicht, dass Trump mit seinem „America first“ Abschottungspolitik betreibt und Medien Falschnachrichten vorwirft, wenn sie kritisch über ihn berichten.

Obama ganz Sportsmann? Wohl kaum

Aber er sagt: „Das Wichtigste ist, dass wir (...) Strömungen zurückdrängen, die Menschenrechte oder Demokratie oder die Freiheit des Einzelnen zurückdrängen wollen.“ Dieser Kampf müsse geführt werden. Er betont: „Ich bin sehr stolz auf meine Arbeit als Präsident.“ Aber er sehe sich als „Staffelläufer“. Jetzt habe er den Stab übergeben an den nächsten Läufer.

Obama ganz Sportsmann? Wohl kaum. Auffallend oft spricht er von seiner Hoffnung in die jungen Menschen, die nächste Generation, die er auch hier beim Kirchentag sehe. Die nächste Generation. Nicht die des 70-jährigen Donald Trump.

Es ist Obamas größter öffentlicher Auftritt seit er mit seiner Frau Michelle nach Trumps Amtseinführung im Januar Washington verließ. Anhänger von ihm sind enttäuscht, dass er sich trotz aller Turbulenzen um Trump so rar gemacht und stattdessen an Urlaub und das große Geldverdienen durch Vorträge gedacht hat. Obama sagt: „Ich habe vor allem versucht, Schlaf nachzuholen.“ In den acht Jahren seiner Amtszeit ist er gealtert, grau geworden. Darüber macht der 55-Jährige selbst schon Scherze. In Berlin ist er hellwach und warmherzig.

„Welcome home“ (Willkommen Zuhause) - das ist die Aufschrift auf einem der Plakate, die ihm entgegengehalten werden. Und dass er bleiben solle - in Deutschland werde ja bald gewählt. Obama legt Wert auf größtmögliche Übereinstimmung mit Merkel. Beide sprechen davon, dass es nie „hundertprozentige Lösungen“ gebe. Es würden immer Fehler gemacht. Sie nicken sich oft zu.

In der Flüchtlingskrise sei nicht alles gut gelaufen, aber Hunderttausende oder gar Millionen Menschen in Deutschland hätten Mitgefühl gezeigt, „dass man etwas bewegen kann“, sagt Merkel. Es wird geklatscht - auch von Obama. Merkel betont: „Wir dürfen nicht immer in Monaten denken, wir müssen in Jahren denken. Das hat mein Leben geprägt.“ So sei auch nach Jahren die Berliner Mauer wieder gefallen. Großer Beifall. Obama strahlt.

Sitzordnung sorgt für Lacher

Er sagt: „Wir können uns nicht hinter einer Mauer verstecken.“ Investitionen in die Heimatländer von Flüchtlingen seien auch Investitionen in das eigene Wohlergehen. Zuvor ging es auch um Mexiko, das Trump mit einer Mauer von den USA abschirmen will.

Gelacht wird auch. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Heinrich Bedford-Strohm, setzt zu einer Frage an Obama mit den Worten an, jetzt sitze ja mal der lange Zeit mächtigste Mann der Welt neben ihm (...). Merkel verzieht das Gesicht, im Publikum Amüsement. Der Bischof reagiert irritiert. Bis Merkel ihn aufklärt: „Ich hab’ so geguckt, weil neben Ihnen sitze ja jetzt erstmal ich.“

Mit dem aktuell wohl mächtigsten Mann der Welt sollte Merkel später bei der Nato in Brüssel und am Freitag und Samstag beim G7-Gipfel in Italien zusammenkommen. Kontrastprogramm zu Obama. Balanceakt für Merkel. Trump will eine kampfbereitere und finanziell besser ausgestattete Nato, damit die USA entlastet werden. Die Nato-Staaten werden ihm da folgen. Sie haben es selbst längst beschlossen und halten es für nötig, mehr Verantwortung zu übernehmen.

Auch sie wissen noch nicht, wohin die Reise mit Trump geht. Erst wollte er sich in Kriege nicht groß einmischen, dann ließ er einen Stützpunkt der syrischen Armee bombardieren sowie nach eigenen Worten die „Mutter aller Bomben“ in Afghanistan abwerfen.

Auf dem Gelände des neuen Nato-Hauptquartiers in Brüssel wollen Merkel und Trump einen Gedenkort eröffnen, der Stücke des am 11. September 2001 attackierten World Trade Centers in New York sowie der Berliner Mauer vereint. Ein schönes Symbol. Eine Antwort von Obama wirkt aber auch nach: „Die Weltordnung befindet sich am Scheideweg.“