Der traurige Christbaum beim Kapitol in Rom ist nun berühmt. Foto: Pacific Press via ZUMA Wire

Die Römer haben ihren hässlichen Weihnachtsbaum lieben gelernt. Anfangs war er noch ein Gespött der Leute und Indiz dafür, was in der Stadt alles schief läuft.

Rom - Am Ende ist er doch einer von ihnen. Nach anfänglichem Schimpfen und Fluchen über den mickrigen und kahlen Weihnachtsbaum, den Bürgermeisterin Virginia Raggi ihren Bürgern auf die zentrale Piazza Venezia stellen ließ, solidarisieren sich immer mehr Römer mit diesem armen zerrupften Geschöpf. Aus dem ursprünglich verächtlich ausgerufenen „Spelacchio“ (der Kahle) ist ein Kosename geworden. Der Hashtag #siamotuttispelacchio (wir sind alle Spelacchio) hat die Schmäheinträge auf dem Kurznachrichtendienst Twitter fast schon abgelöst. Spelacchio selbst meldet sich dort seit einigen Tagen auf einem eigenen Kanal zu Wort. Rund 2500 User folgen ihm bereits. „Ich habe mehr Follower als Zweige“, freut sich die 21 Meter hohe Fichte.

Treibstoff für den Minderwertigkeitskomplex

Im schnodderigen römischen Dialekt jammert er dort ein wenig vor sich hin. Aber offenbar scheint er den Römern auch Hoffnung zu geben. Zuvor dominiert in den sozialen Medien Häme und Spott. Fotos, beispielsweise von dem prächtigen Weihnachtsbaum in Mailand mit dem Hashtag #questoeunalberodinatale (Das nenne ich einen Weihnachtsbaum), machten die Runde. Der Baum vor dem Nationaldenkmal in der Hauptstadt war ein Schub für das Minderwertigkeitsgefühl mancher Hauptstädter. Schließlich steht die Modemetropole dafür, was im Norden des Landes alles gut läuft und im Süden, zu dem sich die Römer zählen, nicht: Mailand ist sauber, Mailand ist reich, Mailand hat den schöneren Weihnachtsbaum. Und Rom kämpft mit dem Müll, den Schulden und mit einem zerrupften Weihnachtsbaum – ein Sinnbild der Misswirtschaft! Schließlich ist er nicht nur hässlicher als der im vergangenen Jahr, nein, sein Auf- und Abbau und sein Schmuck kosten mit 48 000 Euro auch noch doppelt so viel.

Ein kleines Weihnachtswunder

Die vorweihnachtliche Stimmung drohte in einem Desaster zu enden. Daher gleicht die Geschichte des Baumes in Rom einem kleinen Weihnachtswunder: Spelacchio hat es geschafft, den so tief liegenden Zorn der Römer über ihre Stadtregierung umzuwandeln in eine Botschaft. So appelliert der Baum in seinen Nachrichten an seine Fans an die wirklich wichtigen Werte: „sono bello dentro“ (Ich bin von innen schön) und „Ich bin nicht hässlich, ich bin schlicht.“ Die Leute lieben ihn dafür.