Vertraute Parteifreunde, Ministerpräsident Kretschmann und die neue Finanzministerin Edith Sitzmann. Foto: dpa

Sie hat fünf Jahre lang dem Regierungschef Kretschmann als Fraktionsvorsitzende den Rücken frei gehalten. Jetzt übernimmt Edith Sitzmann das Finanzministerium. Ihr Verhandlungsgeschick kann dabei von Nutzen sein.

Stuttgart - Die Szene gilt als Schlüsselszene der Koalitionsverhandlungen. Die grün-schwarzen Unterhändler haben sich in den letzten Streitpunkten verhakt, dann stellt Edith Sitzmann, ganz professionelle Schlichterin, nach Moderatorenart eine Pinnwand auf, die kleine Verhandlungsrunde schart sich darum, schiebt die Streitpunkte hin und her, nachts um zwei platzt der Knoten. Die letzten Stolpersteine für die grün-schwarze Koalition sind aus dem Weg geräumt. Das Verdienst gebührt Edith Sitzmann. Das findet zumindest der Ministerpräsident. Winfried Kretschmann hält ganz große Stücke auf seine Fraktionsvorsitzende. „Sie hat das Verhandeln so in den Genen, dass den Schwarzen manchmal ganz anders wurde“, schwärmt er beim Parteitag der Grünen geradezu von der Leistung der Freiburger Abgeordneten.

Er lobt die Professionalität Sitzmanns, und würdigt sie als „gewiefte Verhandlerin“. Damit steht der Regierungschef nicht allein. „Edith hat viel gerissen“, meint auch der Bundestagsabgeordnete Chris Kühn voller Anerkennung. Jetzt ist Sitzmann designierte Finanzministerin. Bei den Grünen überrascht das nicht. „Wenn Edith sie das Finanzministerium will, bekommt sie es“, das war klar, sobald fest stand, dass die Grünen die Verantwortung für die Finanzen übernehmen würden.

Unerschütterlich loyal

Die Fraktionsvorsitzende hat sich ihre mächtige Position durch unerschütterliche Loyalität und zähe Sachpolitik erarbeitet. Wie verhandeln geht, weiß die Historikerin und Kunstgeschichtlerin aus dem Effeff. „Man verhandelt nicht um jedes Komma“, schüttelte sie in der vergangenen Legislaturperiode gelegentlich den Kopf über allzu detailversessene Kolleginnen. „Gib mir drei wesentliche Punkte und ich verhandle sie rein“, sagt die 53-Jährige nicht ohne Selbstbewusstsein. Von Finanzen versteht die gebürtige Regensburgerin etwas. Sie war schon zwei Jahre lang finanzpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion ehe sie 2006 die Zuständigkeit für die Wirtschaftspolitik übernahm. Schon bei der Regierungsübernahme der Grünen hatte Sitzmann die Wahl, als Kretschmanns Staatsministerin in die Villa Reitzenstein einzuziehen oder die Fraktion zu übernehmen. Die Abgeordnete wählte die parlamentarische Option. Als Vorsitzende hat sie die 36 selbstbewussten grünen Volksvertreter (davon 19 Neulinge) Vorsitzende geräuschlos geführt. Querschläge aus der Fraktion, wie sie bei der SPD deren Fraktionschef Claus Schmiedel austeilte, gab es auf der grünen Regierungsseite nie.

Gegen ihr publicity bewusstes Pendant Claus Schmiedel wirkte die nüchterne „liebe Edith“ (Originalton Schmiedel) oftmals blass. Jetzt gebe sie schon so viel Geld für Schminke aus, witzelte die naturverbundene Hobbyfotografin, doch bleibe der Vorwurf an ihr haften. Selbstinszenierung ist der passionierten Langläuferin und Fahrradreisenden nicht gegeben. Auch als Rednerin setzt die Lyrikliebhaberin, die spontan Rilkes Panther rezitieren kann, mehr auf Fakten als auf Feuerwerk.

Denken in langen Linien

Edith Sitzmann ist eine Politikerin, die in langen Linien denkt. Unter ihrer Führung hat sich die Fraktion die Haushaltskonsolidierung auf die Fahnen geschrieben. Sie war Mitglied der Kommission für Haushalt und Verwaltungsstruktur, die nachhaltige strukturelle Sparvorschläge erarbeiten sollte. Damit ist die Kommission nicht weit gekommen. Das lag wohl am wenigsten an Sitzmann. Sie trat entschieden für die von der Regierung beschlossenen Einsparungen auch bei Beamten ein und wurde dafür schon im ersten Jahr der grün-roten Regierung nieder geschrien und ausgebuht. Trillerpfeifen und Tröten hallten zwar nach, doch Sitzmann blieb standhaft. „Der laute Beamtenprotest war zwar nicht schön, aber er hat mich nicht eingeschüchtert, oder zum Kurswechsel veranlasst“, gab sie hinterher zu Protokoll. Was durchaus als Seitenhieb gegen den „lieben Claus“ verstanden werden konnte. Schmiedel hatte sich angesichts der Kritik geschmeidig zum Beamtenversteher gewandelt.

Gelassenheit und Geduld zeichnen Sitzmann aus, ihren ruhigen Ton finden Lautsprecher tendenziell langweilig. Sitzmann ist verlässlich. Absprachen, die sie trifft, hält sie ein. Ihr öffentliches Image ärgert sie schon gelegentlich. Wenn ihr Name selten fiel, wenn über potenzielle Nachfolger von Winfried Kretschmann diskutiert wurde, erinnerte sie daran, dass doch sie als Fraktionsvorsitzende die Kronprinzessin sei, zumindest nach den Maßstäben, die zu CDU-Regierungszeiten gegolten hatten. Sitzmann ist sich ihres Wertes schon bewusst. Sie sei es, die die Errungenschaften verhandelt habe, für die Minister sich bei ihren Reisen durch das Land feiern ließen, konnte sie schon mal erwähnen. Die Grünen fühlen sich durch die Zuständigkeit für die Finanzen nun strukturell gestärkt. Sitzmann kann aus dem Schatten ins Licht treten. Ihre Parteifreunde sagen, „die Finanzministerin kann eine starke Figur sein.“