An der Ecke Fruwirth- und Heinrich-Pabst-Straße ist kein Durchkommen mehr. Die Kreuzung ist ohnehin ein Nadelöhr. Foto: Rüdiger Ott

Die Betroffenen an der Universität sind entsetzt über eine Straßensperrung. Labore können nicht mehr mit technischen Gasen versorgt werden.

Hohenheim - Nun ist es nicht so, dass Gerd Schmid an Unterbeschäftigung leidet. Er hat ziemlich viel zu tun, immerhin ist er Projektmanager in der Speisemeisterei, einem Nobelrestaurant im Schloss Hohenheim, das weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt ist. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel hat dort bereits Dorade mit schwarzem Trüffel gegessen.

Seit einigen Tagen hat Schmid einen Zusatzjob. Er wird alle Gäste, die für die nächsten drei Wochen eine Reservierung haben, anrufen. Er wird sich für die Unannehmlichkeiten entschuldigen und erklären, dass sie das Restaurant nicht erreichen können, weil ihnen eine Baustelle die Zufahrt versperrt. „Was spannend ist, wenn man einem Japaner auf Englisch den Weg erklären muss“, sagt Schmid. Das hört sich so an, als nehme er das ganze mit Humor. Das tut er nicht. „Da steht man als Firma ziemlich blöd da.“

Die Überraschung war recht groß, als die Bauarbeiter an der Ecke Fruwirth- und Heinrich-Pabst-Straße am vergangenen Dienstag erst mit allerlei Absperrgerät und tags darauf mit Baggern anrückten, um die Kreuzung aufzugraben. Erstens wird der Campus durch die Baustelle in zwei Teile geschnitten, denn die Kreuzung ist das Nadelöhr des Universitätsgeländes. Und zweitens hat von der Baustelle niemand gewusst. Zumindest keiner der Betroffenen.

Die Betroffenen sind verärgert

So wie der Fahrer, der vor den rot-weiß gestreiften Gittern seinen Lastwagen parken musste. In dem Tank hinter seinem Rücken schwappten 600 Liter flüssiges Argon, bestimmt für ein Labor auf der anderen Seite der Absperrung. Ortskundige könnten sich zwar auch über die Hinterhofparkplätze einiger Institute durchschlagen.

Inzwischen ist ein solcher Weg sogar als Umleitung ausgeschrieben. Und auch weniger Versierte würden auf der Landkarte wohl die schmale Kirschenallee entdecken, die von der Filderstraße in Richtung Hohenheimer Schloss abzweigt. Beides kam für den Lastwagenfahrer aber aus Sicherheitsgründen nicht in Betracht. Wer mit flüssigem Argon unterwegs ist, transportiert Gefahrgut und benötigt breite Straßen.

Entsprechend ungehalten zeigen sich die Verantwortlichen der Uni. „Das Tiefbauamt hat den Termin mit uns nicht abgestimmt und einfach losgelegt“, sagt Claus Lenkl, der Mitarbeiter im Rektoramt ist. „Die Universität kann deshalb nicht mehr mit technischen Gasen versorgt werden.“ Dazu zählen etwa auch handelsübliche Druckgasflaschen, die in vielen Instituten zur Grundausstattung gehören. Zudem gibt es auf dem Gelände Museen und Gärten. Viele Besucher seien unterwegs.

„Die Uni ist ja kein kleiner Betrieb“, sagt Lenkl. „Wir hätten uns eine frühzeitige Information gewünscht und sind massiv verärgert.“ Das zuständige Universitätsbauamt sei zwar informiert gewesen, „aber offensichtlich wussten die auch nicht mehr“, sagt Lenkl. Von der Vollsperrung seien die dortigen Kollegen jedenfalls ebenso überrascht worden.

Die Kritik, die Stadt hätte die Baustelle ohne Rücksprache eingerichtet, weist Ralf Feind vom Tiefbauamt zurück. „Das ist mit dem Universitätsbauamt abgestimmt“, sagt er. Dieses Amt ist eine Behörde des Landes und plant und koordiniert die Bauarbeiten an den Universitäten der Landehauptstadt.

Die Vorlesungen beginnen bald

Der Baubeginn vorige Woche „war der Wunsch des Universitätsbauamts, und wir haben das so eingetaktet“, sagt Feind. Weil der Campus kein Wohngebiet ist, habe es keine Anwohnerinformation gegeben. Dafür wurden die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) unterrichtet, die Busfahrer der Linien 74 und 76 steuern deshalb die Haltestelle vor der Mensa nicht mehr an.

Dabei handelt es sich um eine vergleichsweise kleine Baustelle. Die Bauarbeiter wechseln einen Kanal aus. Im Anschluss wird auf der Fahrbahn eine neue Asphaltdecke aufgetragen und die Gehwege erneuert. Feind rechnet damit, dass die Arbeiten drei Wochen dauern. Am Montag, 8. Oktober, soll die Kreuzung laut Plan wieder befahrbar sein, eine Woche später sollen auch die Gehwege fertig sein, wenn alles funktioniert.

„In zwei Wochen beginnt die Uni“, sagt Christoph Schneckenaichner. Er ist der Filialleiter der Buchhandlung Wittwer in Hohenheim. Er weiß, was geschieht, wenn fast 10 000 Studenten mit ihren Autos vor allem zu Semesterbeginn den Campus verstopfen. „Wenn das los geht, bricht hier alles zusammen“, sagt er. Als er am vergangenen Mittwoch zur Arbeit kam und dort seine Kollegen traf, „konnte das keiner so recht glauben“.

Der Lastwagenfahrer mit dem flüssigen Argon erreichte letztlich auf unbekanntem Weg sein Ziel auf der anderen Seite der Baustelle. Für die 100 Meter benötigte er mehrere Stunden.