Die Deutschen haben Schokolade zum Fressen gern: Jeder nascht durchschnittlich mehr als zwölf Kilo im Jahr. Immer beliebter werden Sorten mit einem Kakao-Anteil von 60 Prozent und mehr. Woran liegt es, dass Dunkles im Trend ist?
Stuttgart -
Stimmt es, dass die Deutschen immer mehr auf dunkle Schokolade abfahren?
Ja, sagt Torben Erbrath, Geschäftsführer beim Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI). „Der Trend zu dunklen Sorten hält bereits seit 15 Jahren an. Vor zehn Jahren lag der Anteil an Bitterschokolade im Sortiment bei etwa 15 Prozent, inzwischen beträgt er mehr als 20 Prozent.“ Ritter Sport etwa hat bei den 100-Gramm-Tafeln, die das ganze Jahr über angeboten werden, insgesamt 24 Sorten. Ein Drittel davon, sagt Sprecher Thomas Seeger, ist dunkel. Teilweise seien die Tafeln gefüllt, enthielten Marzipan oder auch Pfefferminze. „Vor 20, 30 Jahren war der Anteil an dunkleren Sorten deutlich geringer“, sagt Seeger. Auch Deutschlands größter Lebensmittelhändler, Edeka, bestätigt, dass es einen Trend zu mehr Bitterschokolade gibt. „Das Sortiment hat sich in den vergangenen 20, 30 Jahren bis zu drei- und vervierfacht“, sagt Sprecher Christhard Deutscher. „Heute können die Edeka-Einkaufsmärkte fast 1000 Tafelschokoladenartikel über unsere Einkaufsgenossenschaft beziehen.“ Das Angebot der Edeka-Geschäfte variiere aber sehr stark, der Anteil an dunkler Schokolade im Sortiment könne jedoch bei bis zu 25 Prozent liegen. Auch der Discounter Aldi teilt mit: „Insgesamt stellen wir bei den dunklen Sorten tatsächlich eine Steigerung im Verkauf fest.“ Konkurrent Lidl hingegen verzeichnet bei seinen Kunden keine besondere Vorliebe für dunkle Schokolade: „Wir erkennen keinen Trend. Wir bieten mit mehr als 30 feinen Schokoladen für jede Geschmacksrichtung etwas Passendes an.“
Wie sieht es bei Vollmilchschokolade aus?
Deutschland ist klar ein Milchschokoladenland. Das belegen Zahlen des Düsseldorfer Marktforschungsunternehmen IRI Information Resources. „Der Tafelschokoladenmarkt teilt sich in Bitterschokolade, Milchschokolade, Mischschokolade und weiße Schokolade auf. Der Umsatzanteil der Bitterschokolade beträgt dabei 18 Prozent“, sagt Süßwarenexpertin Lydia Schaefers. Mit 72,3 Prozent liegt Milchschokolade klar vorn, auf weiße Schokolade entfallen 5,8 Prozent und auf Mischschokolade 3,9 Prozent
Wie erklärt sich die Entwicklung bei Bitterschokolade?
Mit der demografischen Entwicklung: Die Menschen leben immer länger. „Dunkle Schokolade wird von der älteren Generation bevorzugt“, sagt Christhard Deutscher von Edeka. Zudem habe Bitterschokolade eine qualitativ hochwertige Anmutung. „Der Geschmack verändert sich im Laufe des Lebens“, erklärt Thomas Seeger von Ritter Sport. „Je jünger die Menschen sind, desto süßer lieben sie es, je älter sie sind, desto herber und kakaohaltiger mögen sie es.“ Dass Bitterschokolade immer mehr Fans hat, weil viele Menschen Allergien oder Unverträglichkeiten haben, erkennt er nicht. „In Asien etwa verträgt nur ein geringer Anteil der Bevölkerung Milch, trotzdem wird dort vermehrt Milchschokolade verzehrt.“
Wird es künftig noch mehr dunkle Schokolade in den Regalen geben?
„Der Trend schwächt sich langsam ab“, sagt Christhard Deutscher von Edeka. „Dafür ist weiße Schokolade wieder im Kommen.“ Das registriert auch Ritter Sport. „Der Hype lässt ein bisschen nach“, erklärt Thomas Seeger. „Der Trend wird sich normalisieren, aber sicher nicht auf ein niedriges Niveau fallen.“ Torben Erbrath vom Deutschen Bundesverband der Süßwarenindustrie kann sich hingegen vorstellen, dass der Absatz bei dunkler Schokolade noch steigen wird. „Wenn die Gesellschaft immer älter wird, wird sich der Trend noch verstärken.“
Wie unterscheiden sich Bitter- und Vollmilchschokolade?
Durch den Kakao- und den Milchpulveranteil. „Bitterschokolade, die aus mindestens 60 Prozent Kakao und mehr besteht, enthält kein Milchpulver“, sagt Thomas Seeger. „Vollmilchschokolade dagegen enthält Milchpulver , der Kakaoanteil liegt bei rund 30 bis 35 Prozent.“ Zart- oder Halbbitter besteht aus mindestens 50 Prozent Kakao, Edelbitter aus 40 Prozent Edelkakao, der aus speziell ausgewiesenen Regionen stammt. Die Kakaobohne Criollo etwa zählt zu den teuersten der Welt und gilt als empfindlich und anfällig für Krankheiten. Sie wird in Süd- und Mittelamerika angebaut.
Ist Bitterschokolade gesünder?
„Es gibt zahlreiche medizinische Untersuchungen, die darauf hinweisen“, sagt Seeger. Dunkle Schokolade enthalte Stoffe, denen nachgesagt werde, dass sie das Immunsystem stärken, den Blutdruck senken und die Funktion der Blutgefäße verbessern. „Um eine gesundheitsfördernde Wirkung zu erzielen, muss man aber große Mengen an Schokolade essen.“ Letztlich ist Schokolade ein Genussmittel – das reichlich Kalorien hat. Das ist bei heller wie bei dunkler Schokolade so. Bitterschokolade enthält zwar weniger Zucker, aber dafür mehr Kakaobutter und damit einen höheren Fettanteil.
Schmeckt Bitterschokolade wirklich bitter?
Eingefleischten Milchschokoladen-Fans mag das so vorkommen, weil sie weniger Zucker enthält, sagt Seeger. „Der Ausdruck herb trifft es besser, naturbelassene, dunkle Oliven oder Medizin können bitter sein.“ Bei dunklen Sorten spiele die Qualität der Kakaobohnen eine größere Rolle als bei Vollmilchschokolade. „Bitterschokolade enthält in der Regel einen höherwertigen Kakao und hat deshalb charakteristischere Geschmacksnoten.“
Zwölf Kilogramm Schokolade im Jahr sind umgerechnet 120 Tafeln. Essen die Deutschen besonders viel Schokolade?
In Europa liegen sie auf dem Spitzenplatz. Das belegen Auswertungen des europäischen Schokoladen- und Süßwarenverbands Caobisco. Die neuesten Zahlen stammen allerdings aus dem Jahr 2013. Demnach verputzten die Deutschen im Schnitt 12,2 Kilogramm Schokolade, die Schweizer landeten mit 10,8 Kilo auf Platz zwei, gefolgt von den Norwegern mit 9,6 Kilo und Engländern mit knapp 8,9 Kilo. Schlusslicht waren die Bulgaren: Mit 550 Gramm hält sich ihre Lust auf Schokolade sehr in Grenzen. Der Deutsche Süßwarenverband hat bereits Zahlen für 2014 vorgelegt: Vergangenes Jahr naschten die Deutschen 9,56 Kilogramm Schokolade.
Lässt bei den Deutschen der Appetit auf Süßes nach?
Das kann man so nicht sagen. Den Unterschied bei den Schoko-Studien erklärt Caobisco so: Der Deutsche Süßwarenverband rechnet bei seinen Erhebungen etwa kakaohaltige Brotaufstriche und Kakaopulver nicht mit ein. Deshalb fallen die Zahlen geringer aus. Ein Blick in die Statistik des Süßwarenverbands BDSI zeigt jedoch: Die Deutschen fahren nach wie vor auf Schokolade ab. In den letzten sechs Jahren lag der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch zwischen 9,3 und 10,1 Kilogramm.
Wie viel geben die Deutschen im Schnitt für Schokolade aus?
Deutsche Verbraucher haben im vergangenen Jahr pro Kopf durchschnittlich rund 32,3 Kilogramm an Süßwaren, Knabberartikeln und Speiseeis verzehrt. Nach Berechnungen des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie gaben sie dafür 116,65 Euro aus. Rund 50 Euro davon entfielen allein auf Schokolade. Etwa 40 Prozent der in Deutschland verkauften Süßwaren stammen nach Angaben der Branche aus Discountern.