Paola Egonu, Superstar des italienischen Clubs Imoco Volley Conegliano: Noch ist nicht sicher, ob es auch nächste Saison Champions-League-Volleyball in Stuttgart zu sehen geben wird. Foto: Baumann

Der Meister von 2019 muss in die Qualifikation zur Königsklasse – und fühlt sich deshalb ungerecht behandelt. Nun könnte es sogar sein, dass der Verein komplett verzichtet.

Stuttgart - In der Bundesliga zählt Allianz MTV Stuttgart zu den Top-Vereinen. Priorität haben Siege in Meisterschaft und Pokal, darauf begrenzt sind die Ambitionen nicht. Sie gehen weiter – Richtung Europa. Zuletzt standen Stuttgarts Volleyballerinnen dank starker Leistungen (und günstiger Auslosungen) zweimal im Viertelfinale der Champions League, der Kader für die nächste Saison wurde mit dem Ziel zusammengestellt, ein ähnliches Niveau zu erreichen. Nun allerdings könnte es passieren, dass der MTV in der Königsklasse gar nicht erst dabei ist. Weil der Club schon jetzt, lange vor dem Auftakt der Runde, eine herbe Niederlage einstecken musste. Am grünen Tisch.

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Zuletzt hatte Deutschland bei den Frauen einen festen Startplatz in der Champions League – für den Meister. Allgemein wurde erwartet, dass es dabei bleibt. Dann aber schlug das Coronavirus zu. Die Bundesliga (VBL) entschloss sich, die Saison einen Spieltag vor Ende der Hauptrunde zu beenden und keinen Meister zu küren. Parallel wurde versucht, vom europäischen Verband (CEV) ein zweites Ticket für die Königsklasse zu erhalten. Schließlich hatten der SSC Schwerin (50 Punkte) und Allianz MTV Stuttgart (49) beim Abbruch nicht nur nahezu gleichauf gelegen, die Reihenfolge hätte sich im direkten Duell am letzten Spieltag auch noch ändern können. Das Problem: Die CEV sprach Deutschland zwar einen weiteren Startplatz zu, allerdings nicht für die Gruppenphase der Champions League, sondern nur für die Qualifikation, die in drei K.-o.-Runden ausgespielt wird – was natürlich weit weniger attraktiv ist. Und aktuell vor allem die Verantwortlichen der Stuttgarter Volleyballerinnen stark beschäftigt.

Nur über ein Rechenmodell abgestimmt

Denn der VBL-Vorstand hat entschieden, den SSC Schwerin für die Gruppenphase und den MTV für die Qualifikation zu melden. „Es gibt für einen solchen Fall kein Regelwerk“, sagt Liga-Pressesprecher Fabian Kunze, „das Ziel war, eine möglichst faire Entscheidung zu treffen.“ Genau dies ist aus Sicht von Aurel Irion nicht gelungen. „Wie das Ganze abgelaufen ist, empfinden wir als ungerecht“, sagt der Geschäftsführer von Allianz MTV Stuttgart, der vor allem kritisiert, dass im VBL-Vorstand nur über einen Lösungsvorschlag abgestimmt worden ist: „Das ist aus unserer Sicht nicht plausibel.“

Das Rechenmodell, das laut Kunze letztlich herangezogen wurde, besteht aus zwei Komponenten. Es zählen die per Quotientenregel erstellte Tabelle der abgebrochenen Saison und die Meisterschaftsplatzierungen der vergangenen drei Jahre. Hier liegt der SSC Schwerin (Bundesliga-Erster 2020, Vizemeister 2019, Meister 2018 und 2017) vor Allianz MTV Stuttgart (Bundesliga-Zweiter 2020, Meister 2019, Vize-Meister 2018 und 2017). Allerdings lassen sich natürlich auch Rechenmodelle finden, in denen es umgekehrt ausgesehen hätte. Als unfair empfindet der MTV vor allem, dass das internationale Abschneiden der vergangenen Jahre keine Rolle spielte. „Das kann ich absolut nicht verstehen“, sagt Sportchefin Kim Renkema, „es ist eine politische Entscheidung, die für uns richtig hart ist.“ Und die mit einem latenten Vorwurf verbunden ist – in Richtung Michael Evers. Er ist nicht nur der Macher beim SSC Schwerin, sondern auch seit 14 Jahren der (von den Vereinen gewählte) VBL-Präsident – mit entsprechendem Einfluss. „Diese Konstellation ist nicht sehr glücklich“, sagt Irion. Und Renkema meint: „Wir halten allgemein nichts von Doppelrollen, weil Interessen vermischt werden. Aber wenn wir das kritisieren, stehen wir alleine da. Die anderen Vereine sind für dieses Konstrukt, wir müssen es also akzeptieren.“

Evers wehrt sich gegen die Kritik

Es sind Sätze, die Evers nicht nachvollziehen kann. „Die Stuttgarter können mich doch nicht erst wählen und dann kritisieren, dass ich diese Rolle inne habe“, sagt der VBL-Boss, der betont, sich in der Frage, wer nächste Saison Champions League spielen darf, komplett herausgehalten zu haben: „Dem Vorstand wurden von der VBL-Geschäftsführung drei Lösungsmodelle vorgelegt. Ich habe mich als Betroffener bewusst nicht an der Entscheidungsfindung beteiligt – um mir hinterher nichts nachsagen lassen zu müssen. Denn ich kann die Frustration in Stuttgart absolut nachvollziehen.“

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Dort überlegen die Verantwortlichen nun, ob es überhaupt sinnvoll ist, für die Königsklasse zu melden (muss bis 31. Juli passieren) oder es nicht besser wäre, sich gleich für den CEV-Cup zu entscheiden. Denn das Risiko ist groß: es drohen sechs Spiele und drei Auswärtsreisen mehr, dazu Geisterspiele ohne Einnahmen in der Scharrena. „Team und Umfeld in Stuttgart haben die Champions League verdient. Aber die Qualifikation könnte in Zeiten von Corona die finanziellen und sportlichen Ziele unserer gesamten Saison gefährden“, meint Irion, der sich deshalb mit der VBL-Entscheidung auch nicht abfinden will: „Wir werden prüfen lassen, ob alles satzungskonform ist und dann überlegen, ob wir gegen den Beschluss vorgehen.“