Gedämpfte Stimmung bei Allianz MTV Stuttgart: Sportdirektor Bernhard Lobmüller (li.) und Cheftrainer Guillermo Naranjo Hernández Foto: Tom Bloch

Es ist das wichtigste Spiel der noch jungen Saison: An diesem Mittwoch (19 Uhr) trifft Volleyball-Bundesligist Allianz MTV Stuttgart im Pokal-Halbfinale auf die Roten Raben Vilsbiburg. Eine spannende Sache – zumal es ausgerechnet jetzt die ersten Spannungen gibt.

Stuttgart - Das neue Mekka des deutschen Volleyballs ist Mannheim. Dort finden am Sonntag, 29. Januar, die Pokal-Endspiele der Frauen und Männer statt – vor 12 000 Zuschauern. Die Stuttgarterinnen wissen, wie sich das Erlebnis SAP-Arena anfühlt, vor neun Monaten unterlagen sie dort im Finale ganz knapp gegen den Dresdner SC. Umso motivierter sind sie, in diesem Jahr den Pott zu holen. Voraussetzung ist ein Erfolg im Halbfinale in der Scharrena gegen die Roten Raben Vilsbiburg (es gibt noch genügend Tickets an der Abendkasse). „Es ist für uns ein Schlüsselspiel“, sagt Sportdirektor Bernhard Lobmüller, „ein Sieg würde uns einen enormen Schub geben.“ Wie die Chancen stehen? „Wenn wir unsere Leistung zu 100 Prozent abrufen, werden wir gewinnen. Davon bin ich überzeugt.“

Das Problem: Die Stuttgarterinnen haben einen höchst erfolgreichen Rundenauftakt hingelegt – bis zum Sonntag. Ausgerechnet vor dem Pokal-Halbfinale gab es die erste Niederlage, mit 1:3 im Bundesliga-Duell beim SC Potsdam. Doch statt die bisher schwächste Leistung der Saison gelassen zu analysieren, kam es prompt zu den ersten Misstönen – die verdeutlichen, dass es im MTV-Team doch nicht so rund läuft, wie es der starke Start hatte vermuten lassen.

Guillermo Naranjo Hernández ärgerte sich über die Pleite in Potsdam derart, dass er die komplette Reiseplanung infrage stellte: In Berlin hatte seine Mannschaft am Tag zuvor beim außer Konkurrenz antretenden Juniorinnen-Nationalteam einen 3:1-Sieg gelandet. „Ich kann Doppelspieltage aus Spargründen verstehen“, erklärte der Trainer, „aber ausgerechnet vor einem der wichtigsten Spiele des Jahres ergibt diese Mehrfachbelastung überhaupt keinen Sinn.“

Der unnötige Satzverlust gegen das Schlusslicht kostete Kraft

Eine Aussage, die nach Meinung von Sportdirektor Lobmüller ziemlich überflüssig war: „Das sehe ich vollkommen anders. Der Spielplan hat der Liga und den Vereinen in der Gestaltung viel abverlangt, das Ergebnis ist voll in Ordnung. Ich finde vielmehr, dass wir uns im Spiel am Samstag gegen den VCO Berlin nicht professionell genug verhalten haben.“

Was Hernández durchaus als Kritik an seiner Arbeit verstehen darf. Schließlich hatte sich sein Team gegen das Schlusslicht viel schwerer getan als erwartet, der völlig unnötige Verlust des dritten Satzes kostete weitere Körner. Zudem verzichtete der Trainer darauf, die talentierte Außenangreiferin Julia Schaefer einzusetzen und so seine etablierten Kräfte ein bisschen zu schonen. „Wir können es uns nicht leisten, allein wegen einer Partie bei VCO Berlin 4000 Euro an Reisekosten auszugeben“, sagt Lobmüller, „wir alle sind mit unseren zwölf Wunschspielerinnen sehr zufrieden, und jetzt muss ein Team mit unserer Qualität ein solches Programm auch wegstecken können.“

Bleibt die Frage: Ist das nur eine kleine Meinungsverschiedenheit zwischen Sportdirektor und Trainer – oder steckt mehr dahinter? Fakt ist, dass Hernández unantastbar bleibt, solange er erfolgreich arbeitet. Er stand mit seinem Team in den vergangenen zwei Jahren in vier Finals, viel mehr hätte er nicht erreichen können. Diese Leistung weiß natürlich auch der Sportdirektor zu schätzen. Offensichtlich ist aber auch, dass sich das Verhältnis zwischen Lobmüller und Hernández zuletzt mehr und mehr abkühlte. Und dazu kommt, dass es aktuell noch die eine oder andere Schwierigkeit mehr gibt.

Die Integration der beiden jungen, sensiblen US-Amerikanerinnen Nia Grant (23) und Aiyana Whitney (23) geht offenbar doch nicht ganz so schnell voran wie erhofft. Was auch mit Kim Renkema zu tun hat. Die Kapitänin war in der Vergangenheit maßgeblich daran beteiligt, dass das Team perfekt funktionierte – doch nun muss sie sich um ihre eigenen Problemen kümmern. Nach einer Virusinfektion kämpft Renkema um ihre Form und ihren Platz im Team. Aktuell ist sie hinter Renata Sandor und Michaela Mlejnkova nur die Nummer drei im Außenangriff, Trainer Hernández setzt sie kaum ein. Das ist, weil vor allem Leistung zählt, verständlich. Doch andererseits schwächt er damit zwangsläufig seine Kapitänin und große Integrationsfigur. Ein Dilemma, das dem MTV wohl noch eine Weile erhalten bleibt. „Kim brennt vor Ehrgeiz“, sagt Lobmüller, „doch es fehlt ihr derzeit noch etwas an körperlicher Fitness, und das weiß sie auch.“

Daran wird Renkema arbeiten, aber auch für den Rest der Mannschaft und die Verantwortlichen gibt es einiges zu tun – damit aus den ersten Misstönen keine bleibende Disharmonie wird. Ein Sieg gegen Vilsbiburg würde dabei sicher helfen.