Jelena Wlk war eines der Gesichter des Stuttgarter Volleyballs – nun beendet die Außenangreiferin ihre Karriere Foto: Baumann

Künftig muss der erfolgreiche Volleyball-Bundesligist Allianz MTV Stuttgart ohne echtes Eigengewächs auskommen: Außenangreiferin Jelena Wlk (22) hört auf – weil sie an die eigene Zukunft denkt.

Stuttgart - Aus dem kleinen Finger ihrer linken Hand ragt ein Stück Draht heraus, geschützt durch einen dicken Verband. Jelena Wlk musste sich operieren lassen, nachdem sie sich einen Bruch des Fingers samt knöchernem Sehnenausriss zugezogen hatte. Doch die Verletzung ist nicht der einzige Grund, warum die Außenangreiferin am Dienstag nicht mit dem Team von Allianz MTV Stuttgart nach Schwerin reiste, wo an diesem Mittwoch (19 Uhr) das entscheidende dritte Spiel im Play-off-Halbfinale stattfindet. Für Jelena Wlk (22) ist das Thema Bundesliga-Volleyball erledigt. Egal, ob die Saison in Schwerin endet oder ob ihr Team den Einzug in die Finalserie gegen den Dresdner SC schafft. „Seit ich mich entschlossen habe, meine Karriere zu beenden“, sagt sie, „fühle ich mich wie befreit.“

Schon länger war zu sehen, dass etwas nicht stimmt mit Jelena Wlk: Sie hat ihr Lächeln verloren. Früher wirkte ihre positive Art ansteckend, wenn sie aufs Feld kam, um mal wieder ein Spiel zu drehen. So wie das Pokalfinale 2015 gegen Aachen. Doch zuletzt strahlte Jelena Wlk nur noch auf den Plakaten, mit denen der Erstligist für sich wirbt. „Ich habe den Spaß am Volleyball verloren“, sagt das letzte Stuttgarter Eigengewächs im Team, „am Ende war es für mich nur noch harte Arbeit.“

Ein Vereinswechsel war für Jelena Wlk nie ein Thema

Das hatte damit zu tun, dass sie nie über die Jokerrolle hinter den gesetzten Renata Sandor, Kim Renkema und Michaela Mlejnková hinauskam. Aber auch damit, dass ihr Verhältnis zu Trainer Guillermo Naranjo Hernandez nicht mehr das beste war. Sie hatte das Gefühl, zu stagnieren. Und auch mit den lautstarken Ansagen des temperamentvollen Spaniers kam sie immer weniger zurecht. Jelena Wlk sagt: „Mit ihm als Trainer habe ich keine Perspektive mehr gesehen.“ Und dennoch war ein Vereinswechsel für die frühere WM-Zweite (U 21) und EM-Zweite (U 20) im Beachvolleyball nie ein Thema – dafür fühlt sie sich in der Stadt Stuttgart viel zu wohl.

Dazu kommt: Die Zukunftsfrage stellt sich für eine junge Volleyballerin nicht nur unter dem sportlichen Aspekt. Bei einem Netto-Monatseinkommen von rund 1200 Euro gibt es wenig Spielraum, um etwas zu sparen. Und auch die berufliche Ausbildung bleibt im Soll. Ihr Studium – International Business in Pforzheim – hat sie nach zwei Semestern abgebrochen. Zwischen Bundesliga, Pokal und Champions League war keine Zeit für die Hochschule. „Ich habe immer versucht, etwas nebenher zu machen, doch das geht bei einem so engen Spielplan nicht“, sagt sie: „Doch ich will nicht erst mit 30 anfangen zu arbeiten und ein normales Leben zu führen.“

Duale Ausbildung bei einem der Hauptsponsoren des Vereins

Deshalb ist nun Schluss, nach fast sechs Jahren in der Bundesliga (davon zwei im Juniorinnen-Nationalteam beim VCO Berlin). Von September an heißt es: Schulbank statt Schmetterball. Jelena Wlk beginnt ein duales BWL-Studium bei der Allianz in Stuttgart, einem der Hauptsponsoren ihres Vereins. „Als Leistungssportler, der ein diszipliniertes und strukturiertes Leben gewohnt ist und Druck aushalten kann, hat man bei vielen Arbeitgebern ganz gute Karten“, sagt die Außenangreiferin, die künftig höchstens noch zum Spaß im Sand oder bei der zweiten Mannschaft des MTV spielen will: „Aber natürlich hat es mir auch ein bisschen geholfen, dass ich als Volleyballerin bei der Allianz bekannt war.“

Das freut Bernhard Lobmüller. Er kann verstehen, dass Jelena Wlk ihren Fokus verändert – von Berufung auf Beruf. „Sie wird nie vom Volleyball leben können“, sagt der Manager des Bundesligisten, „dass sie nun ein Angebot der Allianz angenommen hat, zeigt mir, dass unser Konzept aufgeht.“

Neue Talente müssen ausgebildet werden

Bleibt allein die Frage, wie Jelena Wlk ersetzt werden soll. Schließlich ist sie mehr gewesen als ein Joker. Sie war eines der Gesichter einer sympathischen Mannschaft. Und die einzige Spielerin aus dem eigenen Nachwuchs. „Für uns muss ihr Abschied Ansporn sein, neue Jelenas aus der Jugend zu bekommen“, sagt Lobmüller, „doch sind uns dabei die Hände gebunden. Gefordert sind hier vor allem der MTV Stuttgart und der Bundesstützpunkt.“ Allerdings hat Lobmüller angeboten, dass Giannis Athanasopoulos sich künftig auch in die Stützpunkt-Arbeit einbringt. Jelena Wlk hält viel vom Co-Trainer des Bundesliga-Teams, dennoch sieht sie unter den Talenten aktuell niemanden, der ihre Rolle problemlos übernehmen könnte – was das Eigengewächs durchaus bedauert: „Es ist doch schade, wenn gar keine Stuttgarterin mehr im Team steht.“

Das ist schon an diesem Mittwoch in Schwerin der Fall. Jelena Wlk wird das Spiel im Internet verfolgen – und ihrem Team die Daumen drücken. Physisch ist das kein Problem: Schmerzen bereitet ihr nur der kleine Finger.