Musikalischer Gruß an seine Wahlheimat: Tian Jiang live in Gerlingen. Foto: Simon Granville

Wie das Gerlinger Rathaus für einen Neubürger mit US-Pass während Corona dessen Heimreise ermöglicht – und wie sich der renommierte Pianist Tian Jiang dafür bedankt.

Ordnungsämter sind in der Beliebtheitsskala von vielen Menschen nicht gerade weit oben angesiedelt. Wie der Name schon nahelegt, werden sie oft mit Bürokratie, umstrittenen Vorschriften und Geldbußen verbunden. Dass aber ein Ordnungsamt sehr hilfreich agieren kann, zeigt ein Fall während der Pandemie in Gerlingen.

 

Ein Gerlinger Neubürger war während dieser Zeit gerade mit seiner Frau auf Konzertreise in Südafrika. Als vor fünf Jahren der Corona-Virus grassierte, organisierte die Bundesregierung Heimflüge für die eigenen Bürger im Ausland. Während die deutsche Gattin des Neubürgers problemlos die Ausreisepapiere bekam, stellte sich für ihren Mann die Lage deutlich schwieriger da. Denn dass der amerikanische Staatsbürger Tian Jiang auf dem Ticket der Bundesregierung nach Deutschland fliegen konnte, war so nicht vorgesehen.

In ihrer Not wandte sich das Paar an die Stadt Gerlingen. Bürgermeister Dirk Oestringer, gerade frisch im Amt, beauftragte den Ordnungsamtsleiter Rainer Zimmermann mit dem sensiblen Fall. Wie es dieser geschafft hat, in zahllosen Kontakten mit dem Auswärtigen Amt in Berlin eine Bordkarte für den Pianisten in einer deutschen Maschine zu bekommen, bleibt bis heute sein Geheimnis.

„Er hat damals Bürokratie mit Bürokratie erschlagen“, meint Bürgermeister Oestringer augenzwinkernd am Sonntagabend in der Gerlinger Stadthalle. Dort gibt es nicht nur ein Wiedersehen mit dem mittlerweile pensionierten Amtsleiter und dem weitgereisten Musiker. Auch der Gerlinger Alt-Bürgermeister Georg Brenner, ein guter Bekannter Jiangs, ist gekommen, um die Kunst des prominenten Mitbürgers einmal mehr live erleben. Und mit ihm 700 weitere Menschen: Die Stadthalle, die genau seit einem halben Jahrhundert in Betrieb ist, ist ausverkauft.

Mit Inbrunst: Tian Jiang live in Gerlingen. Foto: Slotwinski

Tian Jiang hatte nach Corona Dirk Oerstringer versprochen, sich für die Hilfe aus dem Gerlinger Rathaus auf seine Weise zu bedanken. Da aber der in Shanghai geborne Pianist auf den Bühnen der ganzen Welt unterwegs ist, hat es zwar eine Weile gedauert. Doch der Muttertag ist für ihn ein gelungener Anlass, den Menschen in seiner Wahlheimat einen Querschnitt seiner Tastenkunst zu zeigen. Die reicht von komplexen Klassikern wie Rachmaninoff und Chopin bis hin zu virtuosen Interpretationen von weltbekannten Broadway- und Filmmelodien. Und natürlich seine Eigenkompositionen, die an seine chinesische Heimat erinnern: Stücke, die von der Sehnsucht eines jungen Musikers nach der Familie zeugen, der sich in den USA durchsetzen muss.

Die Gerlinger feiern den sympathisch auftretenden Chinesen stehend. Und als Bürgermeister Oestringer verkündet, dass der Erlös des Konzerts in den Bau einer Hebebühne investiert wird, um behinderten Künstlern den Zugang zu erleichtern, gibt es noch einen Extra-Applaus.