Für die Kommunen bringt jeder Einwohner bares Geld. Deshalb empfiehlt es sich, das Zählen ganz genau zu nehmen. Foto: dpa

Bund und Länder streiten sich um die Kosten für den neuen Zensus. Derweil warten die Kommunen auf die organisatorischen Vorgaben.

Stuttgart - Baden-Württembergs Kommunen sehen sich durch die im Jahr 2021 geplante Volkszählung unter Druck. „Der Zensus ist schon für die Haushaltsplanung 2020 relevant, doch wegen der mangelnden Einigung zwischen Bund und Ländern fehlt es noch immer an den gesetzlichen Rahmenbedingungen“, sagte der Dezernent des Städtetag, Norbert Brugger, unserer Zeitung. Der Bundesrat hat Ende Juni für das zuvor vom Bundestag verabschiedete Zensusgesetz den Vermittlungsausschuss angerufen. Der wird voraussichtlich nach der Sommerpause tagen.

Solange der Streit um die Kostenbeteiligung des Bundes von mindestens 415 Millionen Euro nicht beigelegt ist, kann auch das Land seine organisatorischen Vorgaben an die Kommunen nicht verabschieden – doch darauf warten diese händeringend. Dabei geht es vor allem um die kommunale Aufgabe, die Einwohnerzahlen nicht nur anhand von Melderegistern rechnerisch zu ermittelten, sondern diese auch mit Stichproben abzugleichen. Mit einer solchen Befragung von Haushalten lassen sich „Karteileichen“ entdecken. „Diese Stichproben haben für die Ermittlung der neuen städtischen Einwohnerzahlen herausragende Bedeutung für den Zehnjahreszeitraum bis zum nachfolgenden Zensus 2031“, sagt Brugger.

Pflicht zu Stichproben

Anders als beim letzten Zensus 2011, als nur große Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern solche Stichproben machen mussten, kommt dieses Instrument, das zu erheblich genaueren Ergebnissen führt, nun grundsätzlich in jeder Gemeinde zum Einsatz. Bei der letzten Volkszählung hatte die Trennung dazu geführt, dass die größeren Kommunen meist einen Einwohnerschwund hinnehmen mussten – während die kleineren, die lediglich die Melderegister zugrunde legten, ungeschoren davon kamen. Die Folge des Einwohnerverlusts: massive finanzielle Einbußen bei den Zahlungen von Bund und Ländern.

Gegen diese Ungleichbehandlung klagten deshalb bundesweit 350 Städte, davon allein 144 in Baden-Württemberg. Das Bundesverfassungsgericht beurteilte die Berechnungsmethode im vergangenen Herbst zwar als verfassungsgemäß. Dennoch hat das Bund die Stichprobenmethodik geändert: Nun soll in großen wie in kleinen Gemeinden gefragt werden. Die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder rechnen 2021 mit 11,4 Millionen Befragten – gegenüber 9,1 Millionen zehn Jahre zuvor. In Baden-Württemberg soll rund eine halbe Million Menschen mehr von den Stichproben erfasst werden: rund 1,6 Millionen.

Abgeschottete Erhebungsstellen

Organisatorisch bedeutet dies, dass die Kommunen sogenannte Erhebungsstellen einrichten. Das sind kleine Behörden, die personell und technisch völlig abgeschottet von der übrigen Verwaltung ihrer Arbeit nachgehen – niemand soll sie beeinflussen. Deshalb seien zum Beispiel Maßnahmen zur Sicherung der Räumlichkeiten gegen unbefugten Zutritt, zur Sicherung der Transportwege oder zur Sicherung des Schriftverkehrs notwendig, teilte das Statistische Landesamt den Kommunen kürzlich mit. Da die kleinen Gemeinden dies nicht allein bewältigen können, nehmen die 35 Landkreise dies in die Hand, was einen gewaltigen Kraftakt bedeutet.

Doch auch die neun Stadtkreise sowie alle Städte mit mindestens 30 000 Einwohnern werden wohl dazu verpflichtet werden, Erhebungsstellen einzurichten, ferner soll es eine Option für alle Großen Kreisstädte mit weniger als 30 000 Einwohnern geben. Diese Regelung zeichnet sich derzeit in den Gesprächen der Kommunen mit dem Finanzministerium ab. Mit den insgesamt 88 Erhebungsstellen vor zehn Jahren wird man diesmal jedenfalls nicht auskommen.

Der Bund will nicht zahlen

Dieser Aufwand wird Millionenkosten nach sich ziehen, und die Kommunen dürfen davon ausgehen, dass das Land sie dafür entschädigt. Denn die Landesverfassung sieht in Artikel 71 vor, dass sie für übertragene Pflichtaufgaben einen finanziellen Ausgleich erhalten. Die 30,5 Millionen Euro, die 2011 für den Zensus flossen, werden wegen des gestiegenen Aufwands aber nicht annähernd ausreichen. Die Länder versuchen deshalb, sich am Bund schadlos zu halten und verlangen mindestens 415 Millionen Euro – mit der Möglichkeit zu Nachforderungen. Doch der verweist darauf, dass er erstmals für die gesamte Informationstechnik aufkommt – und will nicht zahlen.

Wir wichtig für die Kommunen die genaue Erhebung ihrer Einwohnerzahl ist, hat Brugger kürzlich den Städtetagmitgliedern vorgerechnet: Beim Zensus 2011 führte ein fehlender Einwohner in der Stichprobe – über zehn Jahre gerechnet – zu einem Einnahmeverlust im Finanzausgleich von 100 000 Euro für die betroffene Kommune.