Seit Deutschland über die Aufnahme von Flüchtlingen diskutiert, wird die Notwendigkeit von Erwachsenenbildung wieder ein Stück offensichtlicher. Foto: factum/Granville

Die Volkshochschulen auch im Kreis Ludwigsburg haben einen offiziellen Bildungsauftrag – der aber dem wirtschaftlichen Aspekt entgegensteht.

Strohgäu - Von einer „positiven Aussage für die Volkshochschulen“ spricht der Leiter der Gerlinger VHS über die Ankündigung im Koalitionsvertrag der grün-schwarzen Landesregierung, die Weiterbildung sowie das lebenslange Lernen insgesamt zu stärken. Aber „wie das geschehen soll, bleibt offen“, sagt Reinhard Neil, zumal die Regierung die mittelfristige Schuldenbremse berücksichtigen müsse.

Das Bekenntnis der Landesregierung zur Weiterbildung ist für den scheidenden VHS-Leiter aber nicht nur der Ausdruck eines gefälligen Entgegenkommens der Politik. Es sei vielmehr eine Konsequenz aus dem Verfassungsauftrag des Landes. In Artikel 22 heißt es dort: „Die Erwachsenenbildung ist vom Staat, den Gemeinden und den Landkreisen zu fördern.“

Die Ökonomisierung der Weiterbildung, wie sie sich Ende der 1990er und Anfang der 2000er Jahre gestaltete, sieht Neil gerade vor diesem Hintergrund kritisch. Dies habe nämlich zur Folge gehabt, dass seitdem der Fokus aus wirtschaftlichen Gründen auf Angebote gelegt werden müsse, die traditionell stark nachgefragt werden, also etwa auf Kurse in den Bereichen Gesundheit, Sport und Sprachen. Gesellschaft, Politik und Umwelt zählen nicht dazu. „Das sind keine Massenfächer.“

Gleichwohl sei es aber eben ein „Bildungsauftrag, über Problemfelder zu informieren“. Neil spielt damit auch auf die laufende gesellschaftspolitische Diskussion an, die im Kontext der Flüchtlingsunterbringung an Fahrt gewann. Die VHS sei eine Weiterbildungsstätte, die in den aktuellen Fragestellungen Zusammenhänge darstelle, auf den historischen Kontext eingehe und Erklärungsansätze für aktuelle Entwicklungen biete – und damit eine Möglichkeit schaffe zu verhindern, dass die Menschen „einfachsten Argumenten hinterherlaufen“. Dabei sei die VHS auch in der Pflicht, „sich der Diskussion zu stellen“ und sich nicht nur auf ihre Darstellung zu fokussieren.

Niederschwelliges Angebot der Fortbildung

In diesem niederschwelligen Angebot der Allgemeinbildung sieht Neil – neben der beruflichen Fortbildung – eine Aufgabe der sogenannten aufsuchenden Weiterbildung. In diesen Fällen lehren die Dozenten außer Haus, eben dort, wo sich die Zielgruppe befindet.

Der Bereich der beruflichen Weiterbildung ist für die Volkshochschulen im Land seit jeher ein zentraler Bestandteil ihres Angebots. „Die berufliche Weiterbildung an den Volkshochschulen in Baden-Württemberg wächst leicht, die Zahl der Unterrichtsstunden stieg von 2014 auf 2015 um drei Prozent“, sagt Hermann Huba, der Direktor des Volkshochschulverbandes Baden-Württemberg. Nicht auf den ersten Blick erkennbar sei, dass berufliche Weiterbildung an Volkshochschulen weit über diesen Programmbereich „Arbeit-Beruf“ hinausreiche: „Rund zwei Drittel aller VHS-Angebote sind beschäftigungsrelevant – zum Beispiel Angebote aus der Allgemeinbildung hinsichtlich Schlüsselqualifikationen; Angebote aus dem Programmbereich Sprachen hinsichtlich Deutsch und Fremdsprachen für den Beruf sowie Angebote aus dem Programmbereich Gesundheit hinsichtlich betrieblichem Gesundheitsmanagement, Entspannung und Stressbewältigung.“

Auch bei der beruflichen Weiterbildung sei der niederschwellige Zugang von Bedeutung. „Ohne Zugangsvoraussetzungen können die Interessierten an der Volkshochschule in Anfangskurse einsteigen, erste Zertifikate erwerben und über Aufbaumodule Schritt für Schritt ihren beruflichen Aufstieg unterstützen“, teilt der VHS-Landesverband mit. Entwicklungspotenzial bestehe bei der Digitalisierung: Webinare und soziale Medien entdeckten die Einrichtungen erst nach und nach.