Ein Prosit der Gemütlichkeit: Kretschmann (links) und Kuhn Foto: Lichtgut/Oliver Willikonsky

Das 171. Cannstatter Volksfest hat begonnen. OB Fritz Kuhn stach am Freitagnachmittag im Hofbräuzelt das erste Fass an. Nach vier Schlägen floss das Bier.Frank Rothfuß

Stuttgart - Der Hofnarr musste es richten. Alles war gerichtet, das Fass stand bereit, Zapfhahn und Schlegel lagen da, allein, die Hauptpersonen fehlten. Stuttgarts OB Fritz Kuhn und Ministerpräsident Winfried Kretschmann (beide Grüne) ließen auf sich warten. Also schmetterte Hofnarr Luigi auf der Bühne des Hofbräuzelts einen Gassenhauer nach dem anderen, plauderte und kalauerte, bis die hohen Herren schließlich ins Zelt hasteten. Der Landesvater hatte noch mit dem Bundesrat getagt, und wie’s dann halt so ist, freitags im Berufsverkehr kommt man selten so schnell voran wie gewünscht. Womöglich hat der OB im Stau noch mal über die Tunnelpläne der CDU sinniert und gleich ein neues Wunschprojekt hinzugefügt: Einen Tunnel vom Rathaus bis zum Wasen.

Der OB macht’s kurz und knapp

Die Gäste beim Volksfest würden einen solchen Neubau sicher befürworten. Saßen sie doch auf dem Trockenen, weil der OB verspätet kam. Seit einigen Jahren hat das Stadtoberhaupt ja wieder das Recht auf den ersten Schluck. Erst wenn er das erste Fass angestochen hat, wird auf dem Festplatz und in den Zelten das Bier ausgeschenkt. Keine Fisimatenten also mehr, kein großes Gelaber. Rasch ans Werk. Ganz im Sinne von Kuhn. Der ja im Laufe der Jahre seine Rede von kurz über ganz kurz bis zu nicht mehr vorhanden weiter entwickelt hat. Ein rasches Gespräch mit Moderatorin Sonja Faber-Schrecklein muss genügen, statt Witzen reicht er den Wetterbericht, „am Sonntag gibt es 25 Grad.“ Einen witzigen OB hatten wir mit Manfred Rommel ja schon. Da kann es nicht schaden, einen zu haben, der die Sonne scheinen lassen kann. Und mit dem Zapfhahn kann er ganz ordentlich umgehen. Viermal hieb Kuhn zu, dann saß der Hahn im Fass, das erste Bier des Volksfests floss. Das teilten sich Kuhn und Kretschmann brüderlich. Der Ministerpräsident war übrigens im roten Hemd gekommen. Das war keine Reminiszenz an die alte Liebe und auch kein Schmähen des Koalitionspartners. Er trage ihn der Unterstützung des VfB wegen, sagte Kretschmann. Die Wahrheit wird viel banaler sein. Wir vermuten mal: Seine Frau Gerlinde hat das Hemd morgens für ihn rausgelegt.

Stimmsicher, schlagfertig

Es ist schon erstaunlich. Kretschmann ist eigentlich wie gemacht für die Bierzelte dieser Welt. In seiner Jugend hat er mal vor einem Auftritt mit seiner Musikkappelle 36 Halbe getrunken. Und singen kann er auch. „Auf em Wasa graset Hasa“, schmettert er so inbrünstig ins Mikrofon, dass Hofnarr Luigi neidisch wird und um seinen Job als Anheizer bei Hofbräuwirt Hans-Peter Grandl bangt. Kretschmann blödelt: „Ich weiß nicht, was der Kult um die Schläge soll. Das Bier wird ja nicht weniger, egal wie oft man drauf haut.“ Und fährt hernach noch Karussell mit Moderatorin Sonja Faber-Schrecklein. Trinkfest, stimmsicher, schwindelfrei, schlagfertig, in Bayern würden sie ihn auf den Händen durchs Bierzelt tragen. Dort marschieren die Landesfürsten ja im Triumphmarsch ins Zelt, als ob sie die Berge und den blauen Himmel höchstpersönlich erfunden hätten. Und was macht Kretschmann? Schleicht nach der Eröffnung mit seinem Kabinett ins Zelt von Sonja Merz. Wenn man eh schon mal da ist, kann man diesen Termin gleich auch noch mit erledigen. Aufs Brimborium verzichtet er gerne. Der Mann will halt in Ruhe sein Bier trinken.

Die Vogelfänger auf „der“ Wasen

Den großen Auftritt lieben dagegen die fünf Jungs von Voxxclub. Sie sind einer jener Klone der Musikindustrie, die neuerdings ihre Produkte mit Schlager überzuckert. Schlicht deshalb, weil Schlagerfans noch CDs kaufen. Also bringt man fünf fesche Burschen zusammen, erfindet einen Gründungsmythos von wegen Studenten, die sich in einer WG kennen lernten, steckt sie in Lederhosen, klaut bei Queen, singt irgendwie alpenländisch und fertig ist „Rock mi“. Den Gute-Laune-Brüller gab Voxxclub am Freitag zum besten. Sowie „Zawui, Zawui“, ein Lied der Vogelfänger. Eine passende Wahl für ein Fest, bei dem halbe Göckele gereicht werden. Schlecht vorbereitet waren sie allerdings, die Voxxclubberer, wollten sie doch dauernd die Cannstatter Wasen eröffnen. Da müssen sie noch ein bisschen üben. Aber sie haben ja Zeit dafür, das Volksfest auf dem Cannstatter Wasen geht bis zum 9. Oktober.

Gäste aus Bayern

Der Cannstatter Volksfestverein hat seinen Gästen aus Bayern sicher eingebimst, wie es richtig heißt. Am Sonntag um 11 Uhr dürfen sich beim Volksfest-Umzug durch Bad Cannstatt erstmals die Bayern einbringen. Mit dabei sind dann auch die Damen der Trachtengruppe Eichelsee. Kurios: Um ihre Kleider anzuziehen, brauchen sie sage und schreibe vier Stunden. Da heißt es wirklich früh aufstehen.