Selbst auf Bierdeckeln wird für die Nichtraucherkampagne geworben. Foto: dpa

Die Bayern stimmen am Sonntag über das schärfste Rauchverbot in ganz Deutschland ab.

München - Die Bayern stimmen am kommenden Sonntag über das schärfste Rauchverbot in ganz Deutschland ab. Ministerpräsident Horst Seehofer hofft, nach jahrelangem Hin und Her endlich einen Schlussstrich ziehen zu können. Der Volksentscheid „wird eine befriedende Wirkung in der Gesellschaft haben“, sagte er. „Und dann is' a Ruh!“ Wahlkampf betreibt der CSU-Vorsitzende Seehofer nicht. Er hat von den Fehlern seiner Vorgänger gelernt. Die CSU hat zu diesem Thema schon jede Position vertreten und sich die Finger verbrannt.

Im Dezember 2007 beschlossen CSU, SPD und Grüne in seltener Einigkeit das bundesweit strengste Rauchverbot in der Gastronomie. Nur noch in „Raucherclubs“ war Tabak erlaubt. Viele Wirte gingen auf die Barrikaden und nahmen CSU-Fraktionschef Georg Schmid als treibende Kraft ins Visier. Bei der Kommunalwahl drei Monate später wurde die CSU hart abgestraft, bei der Landtagswahl 2008 verlor sie sogar die absolute Mehrheit. Der neue Regierungschef Seehofer und sein Koalitionspartner FDP lockerten das Gesetz: Rauchen in bayerischen Gasthäusern blieb zwar grundsätzlich verboten. Aber sie können ein separates Raucherzimmer einrichten, und in Einraumkneipen und Bierzelten sind Kippen wieder erlaubt. Das brachte die glühenden Nichtraucher sofort auf die Barrikaden.

Totales Rauchverbot

Der Passauer ÖDP-Stadtrat Sebastian Frankenberger brachte das Volksbegehren „Für echten Nichtraucherschutz“ auf den Weg. Sein Ziel: Totales Rauchverbot in Bars, Kneipen, Wirtshäusern, Diskotheken, Festzelten - ohne jede Ausnahme. Anfangs wurde der 28-Jährige belächelt. Doch 1,3 Millionen Bürger - erforderlich waren 950.000, das sind ein Zehntel der Wahlberechtigten - unterschrieben den Antrag und erzwangen so die Volksabstimmung am Sonntag. Die einfache Mehrheit entscheidet. Der Gesetzentwurf verbietet wieder das Rauchen in Einraum-Gaststätten mit weniger als 75 Quadratmeter „Gastfläche“. Der Inhaber soll sich auch nicht darüber hinwegsetzen dürfen.

Die Initiatoren des Volksbegehrens wollen erreichen, dass in Gaststätten, Kultur- und Freizeiteinrichtungen einschließlich Diskotheken und Tanzlokalen kein Rauchernebenraum eingerichtet werden darf. In vorübergehend betriebenen Bier-, Wein- und Festzelten sowie Festhallen soll ein Rauchverbot ohne Ausnahme gelten.

Gesundheitsschutz oder Verbotsstaat

Die FDP und die Mehrheit von CSU und Freien Wählern wollen die Ausnahmen erhalten, SPD und Grüne wollen sie dagegen abschaffen. Frankenberger konnte neben Rot-Grün auch einige Ärzte für sein Bündnis gewinnen. Er kritisiert: „Die momentane Regelung ist sehr schwammig und schlecht kontrollierbar. Wir Nichtraucher brauchen einen einheitlichen und konsequenten Schutz unserer Gesundheit.“ Auf der Gegenseite ist der Verein zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur federführend. „Wir wollen Toleranz und Freiheit in der Entscheidung des Einzelnen“, sagt ihr Bündnis-Sprecher Franz Bergmüller. Und bei der FDP heißt es: „Der Volksentscheid ist ein reiner Verbotsentscheid. Wir wollen, dass Bayern Freistaat bleibt.“ Einig sind sich beide Seiten darin, dass es spannend wird. Nach einer Infratest-Umfrage im Auftrag der Wirte ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen zu erwarten. „Das wird ganz, ganz knapp“, sagt auch Frankenberger. Z

Entwarnung für die Jubiläums-Wiesn

Sollte die Mehrheit für das Gesetz stimmen, träte es automatisch am 1. August in Kraft. Es wäre das schärfste in Deutschland. In allen anderen Bundesländern gibt es Ausnahmen wie in Bayern jetzt. Nur das Saarland hatte ein totales Verbot ab 1. Juli geplant. Aber weil keine finanzielle Entschädigung für besonders stark betroffene Gastwirte vorgesehen war, stoppte der Verfassungsgerichtshof das Gesetz. Eine derartige Klage planen die Verbotsgegner in Bayern derzeit nicht. „Wenn der Bürger entschieden hat, dann werden wir das auch so akzeptieren“, sagt Bergmüller. Auf dem Oktoberfest, das 2010 seinen 200. Jahrestag feiert, darf auf jeden Fall noch einmal geraucht werden. Erst 2011 müsste eine neue Regelung dort umgesetzt werden.