Der Artenschutz hat so viele Bayern auf die Beine gebracht wie kein Volksbegehren zuvor Foto: dpa

Es ist ein denkwürdiger Tag für den Naturschutz: Bayerns Regierungskoalition will die im Volksbegehren verlangten schärferen Naturschutzregeln „eins zu eins“ zum Gesetz machen – und sogar noch darüber hinausgehen.

München - Mit 1,74 Millionen Unterschriften, umgerechnet 18,3 Prozent der Wählerstimmen, war das Volksbegehren „Gegen das Artensterben – Rettet die Bienen!“ zu Jahresbeginn das erfolgreichste in der bayerischen Geschichte. Und jetzt hat die Regierungskoalition aus CSU und Freien Wählern auch noch angekündigt, den Text „eins zu eins“ in Gesetzesform zu gießen. Damit haben die Initiatoren, ausgehend von der kleinen Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP), um die sich zahlreiche Naturschutzverbände sowie Grüne und SPD geschart haben, mehr erreicht, als sie selber für möglich gehalten hatten.

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte: „Wir dürfen das tiefe Empfinden dieser zwei Millionen Menschen nicht ignorieren.“ Der Politik gehe es aber „nicht um ein erzwungenes Übernehmen“ schärferer Umweltforderungen, sondern um einen „neuen Gesellschafts- und Generationenvertrag“, der Bayern beim Naturschutz an die Spitze aller Bundesländer bringen werde. Die Kosten, alle Forderungen umzusetzen, bezifferte Söder auf etwa 70 Millionen Euro. „Das werden wir aufbringen. Wenn wir’s machen, dann g’scheit.“

Verdreifachung des Öko-Landbaus

Zu den Forderungen des Volksbegehrens gehören unter anderem: eine Ausweitung der ökologisch bewirtschafteten Flächen von derzeit zehn auf 30 Prozent, der Verzicht auf Pestizide im Grünland, Blühstreifen an Feldern und Straßen als „Bienenfutter“, die landesweite Vernetzung von Biotopen und das automatische Unterschutzstellen etwa von größeren Streuobstwiesen als Biotope.

Massiver Widerstand kam vom Bayerischen Bauernverband, der seine Mitglieder zu Unrecht als die „Sündenböcke“ im Naturschutz diffamiert sah und etwa in der Ausweitung kostenträchtiger ökologischer Landwirtschaft keinen Sinn erkennt, weil der Markt für so viele, zwangsläufig auch teurere Bioprodukte nicht vorhanden sei. Und sowohl CSU als auch Freie Wähler machten sich anfangs eher für die Bauern stark als für die Naturschützer.

Ein „Runder Tisch“ aller Interessengruppen, Parteien und vieler Experten hatte sehr viel zum Dialog beigetragen; dieser soll nach Aussagen Söders auch „institutionalisiert“ werden. Und der Bauernverband hat am Dienstag ein umfangreiches Papier veröffentlicht, in dem er von den gut zwanzig Kernforderungen des Volksbegehrens nur mehr sechs für unannehmbar erklärt – jedenfalls so lange die Landwirte nicht einen finanziellen Ausgleich für die entstehende Verdienstausfälle bekommen. Beispielhaft ist hier Verzicht auf das Bewirtschaften und Düngen von Gewässer-Randstreifen. In allen anderen Bundesländern ist das bisher schon verboten; in Bayern lassen sich die Bauern ihre bisherige „Freiwilligkeit“ bezahlen. Diese Zuschüsse wollen sie nicht verlieren.

Söder kündigt „großes Paket“ an

Die Spitzen von Regierung und Koalition kündigten am Mittwoch aber noch mehr an: ein „Volksbegehren plus“. Söder sagte „an diesem historischen Tag“, man wolle etwa bei den Bestimmungen gegen die Lichtverschmutzung „über die Forderungen des Volksbegehrens hinausgehen“. Man wolle gesetzgeberisch „ein großes Paket“ schnüren, das nach den Polemiken der Kampagne auch „zur Versöhnung“ mit den Landwirten beitragen werde.

Nötig ist ein Zusatzgesetz auch, weil der vom Volk unterschriebene und damit sakrosankte Gesetzestext einige praktische Probleme enthält. Man müsse, so sagte es Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, „einen Kartoffelsack zu einem Anzug umschneidern.“ So haben sich die Landwirte vehement gegen das Verbot ausgesprochen, ihre Wiesen – zum Schutz von bodenbrütenden Vögeln und Jungwild – nach dem 15. März nicht mehr walzen zu dürfen. Diese Bestimmung soll nun flexibilisiert werden. CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer wandte sich aber gegen bereits kursierende Verdächtigungen, die Koalition wolle mittels laxer Ausführungsbestimmungen das Volksbegehren verwässern. „Wir wollen keine Mogelpackung. Es ist uns bitter ernst.“ Kreuzer fuhr fort: „Wir brauchen einen Kraftakt und ein Umdenken.“ Das war auch an die eigene, persönliche Adresse und die einer lange widerstrebenden CSU gerichtet. „Aber es muss dann auch ein Erfolg kommen“, sagte Kreuzer.

Ein Problem ist die Koalition schon losgeworden: Wenn sie den Text des Volksbegehrens unverändert zum Gesetz macht, erspart sie sich den nächsten Volksentscheid – der sie dann nach Lage der Dinge und nach dem Stand der Umwelt-Mobilisierung in Bayern gezwungen hätte zu tun, was sie eigentlich gar nicht wollte.