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Stuttgart 21: Beim Thema Volksabstimmung will Innenministerium für Aufklärung sorgen.

Stuttgart - Die politische Entscheidung ist gefallen, aber die Vorbereitungen für die Volksabstimmung über Stuttgart 21 haben erst begonnen. Ein Punkt sorgt dabei für immer mehr Diskussionen: der Stimmzettel für den 27. November.

Zwei Juristen, drei Meinungen. Das ist ein gerne gebrauchter spöttischer Ausspruch, wenn es zu einem Thema unterschiedliche Deutungsweisheiten gibt. Im Fall des Stimmzettels zur Volksabstimmung über das Milliardenprojekt Stuttgart 21 scheint genau das Gegenteil der Fall zu sein. Nachdem am Mittwoch das Kündigungsgesetz der grün-roten Landesregierung wie von ihr beabsichtigt im Landtag gescheitert war und danach das Kabinett unter Führung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann offiziell grünes Licht für die Volksabstimmung gegeben hatte, mehrt sich nun die Kritik am Wahlzettel. "Das kapiert doch kein Mensch" oder "Das ist Volksverdummung" beschweren sich immer mehr Bürger.

Auch im politischen Raum wird das Kopfschütteln heftiger. Der frühere S-21-Projektsprecher und SPD-Landtagsabgeordnete Wolfgang Drexler sagte am Freitag unserer Zeitung: "Ich halte den Stimmzettel für sehr schwierig nachvollziehbar, weil er sehr holprig formuliert und verwirrend ist." Er erhalte unzählige Anrufe von erbosten Bürgern. Drexler forderte die Landesregierung auf, die geplante Informationbroschüre zur Volksabstimmung so zu gestalten, "dass der Bürger die Konsequenzen seiner jeweiligen Wahlentscheidung" verstehe. Der Vizechef der CDU-Landtagsfraktion, Winfried Mack, hatte die Landesregierung zuvor aufgefordert, die Frage "klarer und verständlicher zu formulieren". Was jetzt vorliege, sei "völlig unverständlich". Die Fragestellung sei "nicht einmal auf dem Niveau von schlechtem Bürokratendeutsch", hatte Mack kritisiert.

Verwirrender Text

In der Tat ist der Text des amtlichen Stimmzettels verwirrend. Der Originaltext lautet: "Stimmen Sie der Gesetzesvorlage ,Gesetz über die Ausübung von Kündigungsrechten bei den vertraglichen Vereinbarungen für das Bahnprojekt Stuttgart 21 (S21-Kündigungsgesetz)' zu?" Darunter steht ein Ja und ein Nein. Hinzu kommen zwei Erläuterungen. "Mit Ja stimmen Sie für die Verpflichtung der Landesregierung, Kündigungsrechte zur Auflösung der vertraglichen Vereinbarungen mit Finanzierungspflichten des Landes bezüglich des Bahnprojekts Stuttgart 21 auszuüben." Gleich daneben heißt es: "Mit Nein stimmen Sie gegen die Verpflichtung der Landesregierung, Kündigungsrechte zur Auflösung der vertraglichen Vereinbarungen mit Finanzierungspflichten des Landes bezüglich des Bahnprojekts Stuttgart 21 auszuüben." Im Klartext: Wer Ja ankreuzt, unterstützt die Linie der Grünen, die aus dem Projekt aussteigen und es stoppen wollen. Wer bei Nein sein Kreuz macht, hält nichts von der Kündigung, sondern will, dass Bahn, Land und Stadt das Projekt S 21 vollenden.

Landeswahlleiterin Christiane Friedrich, die juristisch gesehen verantwortlich für den Stimmzettel ist, verteidigte am Freitag die Formulierung. "In diesem Fall tritt das Volk an die Stelle des Landtags und entscheidet über die Gesetzesvorlage, die dort gescheitert ist." Andere Möglichkeiten gebe es nicht. "Das ist keine Volksbefragung, in der die Bürger mit Ja oder Nein über den Bahnhofsbau abstimmen." Für die Frage zur Volksabstimmung sei allein der (mittlerweile gescheiterte) Gesetzentwurf der grün-roten Landesregierung die Basis.

Die Hoffung der Kritiker auf eine Korrektur dürfte also vergebens sein. CDU-Politiker Mack hatte vorgeschlagen, um weiteren Protest von Bürgern und bereits angekündigte Verfahren beim Petitionsausschuss des Landtags zu vermeiden, könne man den bisherigen Fragetext durch die Formulierung "Sind Sie für die Kündigung der Verträge zu Stuttgart 21 durch die Landesregierung?" ersetzen. Doch Friedrich winkt ab. Zum einen sei der Stimmzettel durch die grün-rote Landesregierung beschlossen worden, zum anderen wurde er am Freitag in der neuen Ausgabe des "Staatsanzeigers" veröffentlicht - und ist damit amtlich. Das baden-württembergische Innenministerium hat aber inzwischen reagiert. Seit Freitag gibt es auf der Homepage einen separaten Link zur Volksabstimmung - mit allen Hinweisen zum Wahlverfahren.