Bundesfraktionsvorsitzender der CDU Volker Kauder Foto: AP

Unionsfraktionschef Kauder zu Hartz IV, zur Bundeswehrreform und Föderalismusdebatte.

Berlin - Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, wirft der SPD vor, dass sie auf dem Rücken von Hartz-IV-Empfängern, Kindern und Kommunen Parteipolitik betreibt.

Herr Kauder, ist jetzt doch noch in letzter Minute die Tür zu einer raschen Einigung geöffnet, und wie schnell erwarten Sie Resultate?

An Union und FDP wird es nicht liegen. Wir waren während der gesamten Verhandlungen kompromissbereit. Wir haben insbesondere ein Angebot vorgelegt, das die Finanzlage der Kommunen erheblich verbessern könnte, die für die neuen Leistungen für die Kinder aus Hartz-IV-Familien zuständig sein sollen. Ich denke auch, dass wir die Diskussionen über die Erhöhung des Regelsatzes jetzt beenden sollten. Der neue Satz von 364 Euro ist nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts errechnet worden.

Wirkt es nicht ein wenig peinlich für die Bundespolitik, dass der Durchbruch zu einer vernünftigen Einigung aus den Ländern kommt?

Peinlich nur für die SPD-Bundesspitze. Sie ist am Freitag von den eigenen Ländern im Bundesrat gestoppt worden. Das war auch nur vernünftig.

Würden Sie zustimmen, dass die Verhandlungen auf beiden Seiten von zu viel Ideologie und Parteitaktik befrachtet waren. Jedenfalls ist das der Eindruck der Bürger.

Was die SPD motiviert hat, kann ich schlecht beurteilen. Wir hätten die zwischenzeitlichen Forderungen der SPD-Unterhändler aber auch in Zeiten ohne Wahlkämpfe nie akzeptiert. Wir müssen unser Geld zusammenhalten.

Wird es zum Dauerzustand, dass die Koalition ihre Projekte aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat nicht durchsetzen kann?

Nein, die Föderalismusreform hat die Zahl der durch den Bundesrat zustimmungspflichtigen Gesetze ja reduziert. Bei der Reform der Kommunalfinanzen müssen wir noch mal mit den Ländern einig werden. Dafür wird unter anderem auch der Druck der SPD-Oberbürgermeister schon sorgen.

"Die Linie der Südwest-Grünen bestimmt nicht Kretschmann"

Kommt nach der Steuervereinfachung doch noch die Steuersenkung?

Im Jahr 2012 werden wir sehen, ob es Spielräume gibt. Wenn ja, dann werden die Entlastungen bei den unteren und mittleren Einkommen kommen. Gerade jetzt wird ja wieder deutlich, dass die kalte Progression einen Teil der Lohnerhöhungen auffrisst. Das wollen wir ändern, wenn es irgend geht.

Erwarten denn die Arbeitnehmer in diesem Jahr zu Recht kräftige Lohnerhöhungen?

Ja, Lohnzuwächse halte ich angesichts der konjunkturellen Entwicklung eindeutig für berechtigt. Es ist jetzt an der Zeit, dass auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Art Aufschwungsdividende bekommen. Sie haben in der Krise zum Teil auch erheblich auf Lohn verzichtet. Der Abschluss bei VW hat die Richtung vorgegeben.

Gibt es innerhalb der Koalition bald eine neue Konfliktlinie: nicht mehr die Steuerpolitik, sondern nun die Sicherheitspolitik?

Die Koalition wird daran garantiert nicht scheitern. Aber tatsächlich ist das Thema innere Sicherheit für die Koalition eine Herausforderung. Die Union meint, dass wir die Vorratsdatenspeicherung brauchen. Darin werden wir von der Polizei bestärkt. Da gibt es noch keine gemeinsame Linie mit der FDP. Dagegen sind wir aber beim Thema Visa-Warndatei schon sehr weit. Da werden wir uns einigen.

Baden-Württemberg will den Länderfinanzausgleich ändern. Unterstützen Sie dieses Anliegen der Landesregierung?

Dafür habe ich volles Verständnis. Baden-Württemberg will nicht die Solidarität aufkündigen. Aber es geht nicht, dass ein Land, das auf bestimmte Wohltaten für die Bürger schmerzlich verzichtet, um ohne neue Schulden auszukommen, zusehen kann, dass andere Länder, die Geld aus dem Südwesten bekommen, sich die Wohltaten munter weiter leisten: von freien Kindergartenplätzen bis zum Verzicht auf Studiengebühren. Das ist ein Unding. Das muss korrigiert werden.

Zum Wahlkampf in Baden-Württemberg: Grünen-Chef Cem Özdemir wirft Ministerpräsident Stefan Mappus vor, mit Ressentiments gegen Ausländer zu arbeiten.

Stefan Mappus hat zu Recht eines gesagt: Die Linie der Südwest-Grünen bestimmt nicht der offizielle Spitzenkandidat Kretschmann, sondern die Herren Palmer und Özdemir. Cem Özdemir erweckt den Eindruck, dass er Ministerpräsident werden will. Das ist doch aufgrund der öffentlichen Wahrnehmung eine zulässige Aussage. Dass Herr Özdemir nun seine türkische Abstammung in die Argumentation einführt, ist ausgemachter Quatsch. Seine Abstammung ist uns egal, aber er führt in Baden-Württemberg das große Wort und erweckt damit den Eindruck, nach mehr zu streben.