Bestens befreundet, aber doch zwei Parteien - Volker Kauder, der Unionsfraktionschef im Bundestag, betont im Interview mit unserer Zeitung die Unterschiede zur CSU. Foto: Georg Moritz

Das Wahlziel ist für den Chef der Unionsfraktion im Bundestag Volker Kauder klar: Angela Merkel muss Kanzlerin bleiben – egal mit welchem Regierungspartner, egal mit welcher Prozentzahl.

Berlin - Das Wahlziel der Union? Da kann es nur eines geben, sagt der Chef der Unionsfraktion im Bundestag: Angela Merkel muss Kanzlerin bleiben – egal mit welchem Regierungspartner, egal mit welcher Prozentzahl. Das ist eine klare Absage an die von Horst Seehofer ausgegebene 40-Prozent-Zielmarke.

Herr Kauder, ist Angela Merkel die geschäftsführende Vorsitzende einer sozialdemokratischen Regierung, wie Martin Schulz sagt?
Angela Merkel ist die Vorsitzende der Christlich Demokratischen Union und die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland.
Macht Ihnen der von Martin Schulz ausgelöste kleine Umfrageboom der SPD Angst?
Über Umfragen zerbreche ich mir nicht den Kopf. Die Union muss ihre Positionen überzeugend vortragen, das ist wichtiger als auf andere zu schielen.
Ausgerechnet die Kanzlerpartei ist die letzte, die sich – an diesem Wochenende – zur offiziellen Kür der Spitzenkandidatin durchringt. Ein schlechtes Omen?
Die CDU hat ja schon auf dem Parteitag in Essen Anfang Dezember klar gemacht, dass Angela Merkel unsere Kandidatin ist. Jetzt kommt es mit der CSU zur gemeinsamen Kür – ein guter Schluss ziert alles. Zu spät ist das sicher nicht. Umgekehrt sehe ich eher ein Problem für Martin Schulz: ganze acht Monate im Wahlkampfmodus – das ist ein Experiment.
Ist es eine Bürde für die Union, dass man sich in einem zentralen Punkt – der Obergrenze bei der Zuwanderung – nicht auf eine gemeinsame Position einigen konnte?
Die zentrale Aussage ist eine gemeinsame: Wir wollen das Ausmaß der illegalen Zuwanderung drastisch reduzieren. Und da haben wir auch schon einiges erreicht. Das zeigen die Zahlen des Jahres 2016. Die Frage ist jetzt, wie man das dauerhaft sicherstellen kann. Die CDU sagt: Wir müssen vor allem mit Herkunftsländern und mit Transitländern – wie bereits mit der Türkei geschehen – Vereinbarungen schließen. Die CSU ist für eine strikte Obergrenze. Sie wird das für den Wahlkampf in ihren Bayern-Plan schreiben. Nun gut, wir sind zwei Parteien. Wir sind bestens befreundet, aber es gibt eben auch Nuancen.
Da geht es nicht nur um eine Nuance: Es geht um die Frage, ob unsere Gesellschaft prinzipiell für Zuwanderung offen bleibt.
Wir sind uns einig, dass diejenigen, die einen Asylgrund haben oder aus Bürgerkriegsregionen kommen, bei uns Aufnahme finden. Diejenigen, die ohne Grund kommen, müssen unser Land wieder verlassen.
Steuerpolitisch sind sich beide Parteien auch noch nicht einig. Wird am kommenden Wochenende eine gemeinsame Position gefunden?
Nein, am Wochenende wird ja noch kein Wahlprogramm verabschiedet. Das kommt wesentlich später. Aber eins ist klar: Wir wollen in der nächsten Wahlperiode eine Steuersenkung. Dafür haben CDU und CSU gemeinsam mit dem Bundesfinanzminister 15 Milliarden Euro vorgesehen. Nach unseren Vorstellungen sollen damit hauptsächlich Familien sowie Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen entlastet werden. Und wir sind uns einig, dass wir in der nächsten Legislaturperiode beginnen werden, den Soli-Zuschlag abzubauen.
Und wie wird mit den Überschüssen aus 2016 umgegangen?
Die Union hätte gerne den Überschuss von etwas über 6 Milliarden Euro zur Schuldentilgung eingesetzt. Das wäre ein starkes Signal an die junge Generation gewesen: Wir nehmen Euch eine Last und geben Euch mehr Spielraum. Das war mit der SPD nicht zu machen. Wir werden in der nächsten Sitzungswoche den Nachtragshaushalt beschließen und das Geld in die Rücklage einstellen.
Sind 40 Prozent das Wahlziel der Union?
Wahlziel ist, dass wir wieder stärkste Partei werden, so dass ohne uns keine Regierung gebildet werden kann und Angela Merkel Kanzlerin bleibt. Ich lasse mich von niemandem auf irgendwelche Zahlen festlegen.
Das 40-Prozent-Ziel wird von Herrn Seehofer ausgegeben…
… und ich habe meine Position dargelegt.
Kommt es vor dem Wahlkampf denn noch zu einer Wahlrechtsreform?
Die Unionsfraktion will das und hat in der letzten Fraktionssitzung erneut einen Vorschlag beschlossen. Seit Beginn der Wahlperiode hat Bundestagspräsident Lammert immer wieder Vorschläge vorgelegt. Wir sollten eine drohende erhebliche Vergrößerung des Bundestages verhindern, weil sie ihn teurer und schwerfälliger macht. Im Augenblick kann ich nicht versprechen, dass die SPD da mitzieht.
Was auch noch ansteht: Sie haben oft ein härteres Vorgehen gegen die großen Internet-Plattformen wie facebook gefordert, wenn sie sich weigern, Hassbotschaften zu löschen. Was tut sich da?
Die Zeit der Runden Tische ist vorbei. Ich habe ausführlich mit dem Bundesjustizminister über das Thema gesprochen. Wir erwarten, dass er noch im Februar einen Vorschlag unterbreitet, wie wir das Ziel erreichen können, dass sich die sozialen Medien an das geltende Gesetz halten. Opfer von Verunglimpfungen müssen eine Anlaufstelle bei den Plattformen haben und sich wehren können. Eines kann ich schon sagen: Es wird bei Verstößen gegen Verpflichtungen erhebliche und für die Unternehmen sehr spürbare Bußgelder geben, die auch an deren Erträge gekoppelt sein werden.
Auch diese große Koalition hat die alte Erfahrung bestätigt, dass solche Bündnisse den Rand des politischen Spektrums stärken, siehe den Erfolg der AfD. Muss die Union nach der Wahl alles daran setzen, aus diesem Bündnis heraus zu kommen?
Wir stellen uns der Wahl, dann entscheiden die Wähler. Deshalb kann ich zum jetzigen Zeitpunkt dazu gar nichts sagen. Das zentrale Ziel ist die Bildung einer stabilen Regierung. Man muss bei der Wahl des Koalitionspartners zwischen dem Wünschenswerten und der Realität unterscheiden. Natürlich gemahnt der Blick nach Österreich, dass eine immerwährende große Koalition nicht das attraktivste Angebot an die Wähler ist. Aber wir können jetzt nicht über den Wahlausgang spekulieren. Unsere Priorität ist: Angela Merkel muss Bundeskanzlerin bleiben – und dann schauen wir, mit wem das möglich ist.
Die AfD-Wähler scheinen die einzigen zu sein, die den neuen US-Präsidenten gut finden. Wie schauen Sie auf seine ersten beiden Wochen im Amt?
Ich muss die demokratische Entscheidung der US-Wähler akzeptieren. Aber manche Äußerungen, vor allem mit Blick auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit, vernehme ich mit Sorge. Allerdings werden die USA sich sicher sehr genau überlegen, ob sie mit anderen Ländern einen Handelskrieg anfangen. Die wirtschaftlichen Verflechtungen etwa zwischen China und den USA sind so groß, dass die Amerikaner einen solchen Handelskrieg nicht gewinnen könnten. Wenn die vielen billigen, in China gefertigten Produkte auf dem US-Markt nicht mehr oder nur zu wesentlich höheren Preisen zur Verfügung stehen, trifft das die einfachen Leute, von denen viele Trump gewählt haben.
Deutschland könnte auch betroffen sein…
Wir sollten gelassen bleiben. Im Übrigen haben wir auch unsere Möglichkeiten. Wir könnten ja auch Zölle auf US-Produkte erheben. Aber wir wollen den freien Handel, weil wir überzeugt sind, dass wir alle davon profitieren. Wir müssen den Amerikanern also im Gespräch klarmachen, dass sie von einer Abschottungspolitik selbst stark betroffen wären. Wenn in der Abschottung das Heil läge, müsste Nordkorea das erfolgreichste Land der Welt sein.
Wir werden also mit Trump leben müssen…
Ja, deshalb finde ich es falsch, Donald Trump persönlich zu attackieren. Damit wäre überhaupt nichts gewonnen. Frank-Walter Steinmeier hat ihn - noch als Außenminister - einen Hassprediger genannt. Das ist nicht akzeptabel. Wir werden mit den Amerikanern im Gespräch bleiben müssen. Das kann nur funktionieren, wenn man sich nicht gegenseitig die Ehre abschneidet.
Wird die Bundesregierung bis zum Sommer noch ein weiteres Hilfspaket für Griechenland schnüren müssen?
Das sehe ich nicht. Der Finanzminister hat mir vor wenigen Tagen versichert, dass das nicht zu erwarten sei. Die Unionsfraktion hat sich klipp und klar positioniert: Der IWF muss im Boot bleiben. Sonst kann es keine weiteren Unterstützungsmaßnahmen für Griechenland geben. Dabei bleibt es. Aber das Thema steht nicht an.
Zum Schluss: Was macht Volker Kauder nach der Wahl?
Ich möchte Vorsitzender der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag bleiben.