Folie und Netz gegen die Vogelgrippe: Die Geiervoliere im Jahr 2016. Foto: Lg/Max Kovalenko

Nach Fällen von Vogelgrippe in drei baden-württembergischen Zoos ist der Ornithologe der Stuttgarter Wilhelma alarmiert. Falls sich die Infektionskrankheit weiter ausbreitet, wird die Stallpflicht ausgerufen, Volieren werden abgedeckt.

Stuttgart - Noch stelzen die Flamingos durch ihren Tümpel in der Wilhelma und die Vögel in der Voliere haben freien Blick. Doch seit November sind 14 Fälle von Vogelgrippe in Baden-Württemberg nachgewiesen worden, unter anderem in Zoos. Deshalb mussten die Tierparks in Heidelberg, Karlsruhe und Mannheim schließen. Droht auch der Wilhelma ein neuerlicher Lockdown?

Überschaubares Risiko

Bisher ist der zoologisch-botanische Garten ohne Infektionsfälle davongekommen. Das Virus wird der Expertenmeinung nach über Geflügeltransporte, aber auch von Zugvögeln verbreitet. „Die überwintern vorwiegend im Rheingraben, im Rhein-Neckar-Raum“, erläutert der Ornithologe der Wilhelma, Günther Schleussner. Deshalb sei das Risiko für die Vögel im Zoo überschaubar. Aber: „Wir sind im Stand-By-Modus. Sobald das Ministerium für Ländlichen Raum und das Veterinäramt Stuttgart das veranlassen, können wir binnen kurzem die Vögel aufstallen.“ Das heißt: nach drinnen bringen oder Folien und feinmaschige Netze über die Volieren spannen, damit es keinen Kontakt zu Wildvögeln geben kann.

Etliche geflügelte Bewohner würde das allerdings schwer beunruhigen. Günther Schleussner: „Viele stehen jetzt kurz vor der Brut. Müssten wir sie einfangen, wäre die Zuchtsaison zu Ende, bevor sie begonnen hat.“ Andererseits: Hätte man einen bestätigten Fall, müsste man alle Tiere testen und die Infizierten keulen. „Man muss also das Notwendige gut abwägen“, sagt der Ornithologe. Pinguinen und den gänsegroßen Basstölpeln aber will man das Aufstallen nur zumuten, „wenn es nicht anders geht“.

Mit Taschenlampe auf Jagd

Erschreckt haben sich die Tierärzte und der Ornithologe vor einigen Wochen, als einige Gänse im Rosensteinpark positiv getestet worden seien. Allerdings war deren Virusvariation nicht hochansteckend. Trotzdem hat die Wilhelma schon epidemiologische Einheiten gebildet, damit Erreger nicht durch alle Gehege hinweg übertragen werden können. Günther Schleussner hofft, „dass wir nicht wie bei der ersten Vogelgrippe im Jahr 2006 bis spät in die Nacht mit der Taschenlampe Vögel einfangen müssen“.

Dass Stuttgart für Zugvögel unattraktiv ist, weil es zu wenig Weideflächen bietet, wäre in dem Fall tatsächlich mal was Positives.

Noch ein weltweit verbreitetes Virus

Aviäre Influenza
heißt im Volksmund Vogelgrippe oder Geflügelpest. Sie ist eine durch Viren ausgelöste Infektionskrankheit, die ihren natürlichen Reservoirwirt im wilden Wasservogel hat. Diese Viren treten in zwei Varianten (gering/hochpathogen) und verschiedenen Subtypen (H1-16 in Kombination mit N1-9) auf. Geringpathogene Viren der Subtypen H5 und H7 verursachen bei Hausgeflügel, insbesondere bei Enten und Gänsen, kaum oder nur milde Krankheitssymptome. Allerdings können diese Viren spontan zu einer hochpathogenen Form mutieren, zur Geflügelpest.

Risikoeinschätzung
Das Friedrich-Löffler-Institut ist ein Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit und schätzt das Risiko einer Ausbreitung von H5-Viren bei Wildvögeln sowie eine Übertragung auf Geflügel und gehaltene Vögel in Deutschland derzeit als hoch ein. Seit Mitte Oktober 2021 sind in Deutschland Hunderte von infizierten Wildvögeln aus mindestens zwölf Bundesländern sowie über 50 Ausbrüche bei Geflügel und gehaltenen Vögeln aus zahlreichen Bundesländern gemeldet worden. Die bisher schwerste Geflügelpest-Epizootie, so das Institut, hätten Deutschland und Europa zwischen dem 30. Oktober 2020 und April 2021 erlebt. czi