Den Beobachtern am Randecker Maar entgeht kein Zugvogel und kein Schmetterling. Foto: Horst Rudel

Die Forschungsstation Randecker Maar lädt am Sonntag anlässlich des 50jährigen Bestehens zum Tag der offenen Tür. Die Ornithologen lassen sich über die Schulter schauen und erzählen in stündlichen Führungen Wissenswertes über den Vogelzug und die Insektenwanderungen.

Bissingen - Kann es bei einer Station, die den Vogel- und Insektenzug erfasst, überhaupt einen Tag der offenen Tür geben – oder muss man nicht eher von einem Tag des offenen Vogelschlags reden? So oder so: Am Sonntag, 7. Oktober, lässt sich Wulf Gatter, der Leiter der Forschungsstation Randecker Maar, von 9 Uhr bis 16 Uhr bei der Arbeit über die Schulter schauen. Bei einer Arbeit, die den ehemaligen Leiter des ökologischen Forstreviers Lenningen seit fünf Jahrzehnten bei Wind und Wetter an den markanten Geländeeinschnitt bei Bissingen-Ochsenwang führt.

Seit den 1960er-Jahren zählt und bestimmt der mittlerweile 75 Jahre alte Ornithologe, unterstützt von einem wechselnden Team von Wissenschaftlern aus aller Herren Länder, die Vögel und die Insekten, die auf dem Weg zum Winterquartier durch diese hohle Gasse müssen. „Wir verfügen über die längsten Zählreihe über den Vogel- und Insektenzug in Europa an einem Punkt“, sagt Gatter – und damit über eine Datenmenge, die aus wissenschaftlichter Sicht beinahe unbezahlbar ist. Weil störende Einflüsse in der Abgeschiedenheit der Schwäbischen Alb nahezu ausgeschlossen werden können, lassen die Zahlen langfristige Vergleiche zu. Und da hat Gatter, lange bevor es der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann beim Putzen seiner Windschutzscheibe festgestellt hat, einen dramatischen Rückgang der heimischen Schmetterlinge und der Insekten konstatiert.

Dramatischer Rückgang bei Schmetterlingen und Insekten

„Noch in den 1980er-Jahren haben wir in 24 Stunden tausende von Schwebfliegen in der Reuse gefangen. Jetzt ist es vielleicht noch ein Dutzend“, sagt er. Und manche Schmetterlinge, die früher täglich in großer Zahl auf Augenhöhe an der Forschungsstation vorbeigezogen ist, hat er schon Jahre nicht mehr gesehen. Die Zeiten, da ein Experte aus dem Beobachtungsteam allein damit beschäftigt war, Insekten zu bestimmen und zu zählen, sind lange vorbei. Immerhin: Nachdem das Thema Insektensterben inzwischen auch auf der politischen Tagesordnung steht, gewinnen die über Jahrzehnte dokumentierten Zahlenreihen der Forschungsstation plötzlich an Gewicht. Derzeit ist Gatter damit beschäftigt, die bisher ausschließlich von Hand erhobenen Daten in den Computer zu übertragen. „Nachdem sich jahrelang niemand dafür interessiert hat, gibt es plötzlich ein Interesse an unserer Arbeit“, sagt er.

Die Ausdauer, mit der die Vogelkundler am Randecker Maar ihre Arbeit tun, gerät ihnen im kurzfristigen Politik- und Verwaltungsbetrieb trotzdem zum Nachteil. Um den 15 000 Euro-Etat zu decken, ist die Station auf Spenden und Sponsoren angewiesen. „Das Land Baden-Württemberg fördert nur Kurzprojekte von maximal drei Jahren“, hat sich Gatter auf der Suche nach Geldgebern sagen lassen müssen. Das ist auch ein Grund, weshalb die ansonsten wenig an Trubel interessierten Vogelkundler inzwischen auch einmal im Jahr zum Tag der offenen Tür einladen. Es ist ein willkommener Anlass für den Hauptsponsor, einen in Wetzlar beheimateten Hersteller von optischen Präzisionsinstrumenten, seine Produktpalette an Fernrohren und Objektiven zu präsentieren. Neben der Instrumentenschau gibt es am Sonntag stündlich Führungen und Informationen zum Vogel- und Insektenzug.