Ausgerechnet der Vogel, dem das Industriegebiet zwischen Aspach und Backnang seinen Namen verdankt, könnte eine Erweiterung verhindern. Ein großflächiges Netz an Absperrbändern soll die Bodenbrüter abschrecken.
Backnang - Es hat eine ganze Weile gebraucht, doch mittlerweile hat sich das interkommunale Industriegebiet zwischen Backnang und Aspach zu einer wahren Erfolgsgeschichte gemausert. Demnächst steht bereits die dritte Erweiterung an – doch ausgerechnet die Vogelart, der das Gebiet seinen Namen zu verdanken hat, könnte die Pläne durchkreuzen. Die gemeine Feldlerche schickt sich an, die Lerchenäcker zu okkupieren. Der unlängst zum Vogel des Jahres gekürte Bodenbrüter pflegt – frühestens von Mitte März an – bis zu sieben Zentimeter tiefe Mulden in den Boden seiner Wahl zu scharren und dort ein Nest für den Nachwuchs zu bauen. Bei den gefiederten Pärchen beliebt sind Wiesen, Weiden und Äcker. Die Lerchenäcker haben da – der Name lässt’s vermuten – eine gewisse Tradition.
Landratsamt: Vorgehen nicht zu beanstanden
Doch damit wollen die beiden Kommunen jetzt unbedingt brechen und haben dazu Abwehrmaßnahmen aufgefahren: Die rund acht Hektar große Fläche ist mit rot-weißen Absperrbändern versehen worden. Nicht in der klassischen Zutritt-Verboten-Manier: das Areal ist buchstäblich von Absperrbändern durchzogen, deren alternative Bezeichnung – Flatterbänder – im Lerchenkontext die richtige Bedeutung hat: Die Bänder sind bewusst so gespannt, dass sie im Wind auf sich aufmerksam machen und dem Vogel nebenbei suggerieren, dass es sich bei dem Gelände nicht (mehr) um eine offene, flach abfallende Weite handelt.
Diese Täuschung, die von dem Stuttgarter Fachgutachter GÖG (Gruppe für ökologische Gutachten) ersonnen worden ist, mag aus Lerchensicht heimtückisch sein – rechtlich ist das Vorgehen nicht zu beanstanden, heißt es auf Anfrage dazu aus der Kommunalaufsichtsbehörde, dem Landratsamt. Dieses sei in Form des Umweltschutzamtes als Träger öffentlicher Belange bei der Erstellung des Bebauungsplans sogar involviert gewesen, betont eine Sprecherin der Behörde.
Deren Befund: In dem Bebauungsplan sei „der Artenschutz, speziell für die Feldlerche, berücksichtigt“. Für die Brutpaare, die in dem Areal des künftigen Industrie- und Gewerbegebietes bisher ihren Nachwuchs aufgezogen haben, seien im Umfeld – in der Feldflur – „Maßnahmen ergriffen, die es den Tieren ermöglichen, zukünftig dort zu brüten“. So würden pro Brutpaar eigens 2000 Quadratmeter sogenannte Buntbrachen angelegt – ungenutzte Flächen mit verschiedenen lerchenfreundlichen Kräutern und Gräsern. Zudem würden in bestehenden Ackerflächen „Feldlerchenfenster“ angelegt: kleine Lücken, die bei der Aussaat von Raps oder Wintergetreide gelassen werden. Dort sollen die Lerchen ihre Nester anlegen können und nicht von dem Getreide bei An- und Abflug behindert werden. Laut Angaben der Stadt Backnang wurden für den „Ausgleich des Defizits von etwa 220 000 Ökopunkten Maßnahmen außerhalb des Geltungsbereichs“ des Bebauungsplans durchgeführt und dies durch einen Vertrag auch rechtlich sichergestellt.
Auch in der Brutsaison soll das Bauen möglich sein
Das Vergrämen im Gewerbegebiet sei nicht nur in Ordnung, da die Ersatzflächen ja geschaffen worden seien, befindet das Landratsamt. Aus Sicht der Kommunen sei es auch notwendig, um sich den Zeitpunkt der Erschließungsarbeiten offen halten zu können. Andernfalls nämlich müsste die Brutsaison abgewartet werden, die bis in den August hinein andauern könne. Das gelte freilich auch, wenn sich die Vögel von den Flatterbändern nicht abhalten lassen würden.
Der Backnanger Wirtschaftsförderer Ralf Binder wird deshalb wohl demnächst seinen Blick sorgenvoll gen Süden schweifen lassen. Voraussichtlich in den nächsten zwei bis drei Wochen kehren die Singvögel nämlich von dort aus zurück, um sich zur Brut und Aufzucht in heimischen Gefilden sesshaft niederzulassen. Der Wirtschaftsförderer wird hoffen, dass dies nicht in den Lerchenäckern der Fall sein wird, damit erweiterungswillige und neue Unternehmen so rasch wie möglich zum Zuge kommen können. Bei der Bezeichnung des Areals aber wird es wohl so oder so bleiben – eine Umbenennung der Lerchenäcker wird laut Binder auch ohne Lerchen nicht in Betracht gezogen.