Die Idylle trügt: Frei lebende Gänse können gefährlich sein. Foto: dpa-Zentralbild

Vor etwa zwei Wochen hat die Stadt offiziell vor aggressiven Wasservögeln gewarnt. Was passiert, wenn eine wild gewordene Gans zubeißt, musste nun ein Cannstatter schmerzhaft erfahren.

Stuttgart - In den Höhenpark will Gerhard Zahn nicht mehr so schnell gehen. Die blauen Flecken auf seinen Beinen sind noch deutlich zu sehen, die ehemals blutende Wunde hat sich gerade erst geschlossen. Gut anderthalb Wochen ist es her, dass er auf dem Killesberg, am Seerosenteich, zum Opfer wurde. Opfer einer wild gewordenen Kanadagans. Dabei hat der 78-Jährige eigentlich alles richtig gemacht. „Da war ein Schild, das auf die Gänse hingewiesen hat. Ich habe mindestens vier bis fünf Meter Abstand gehalten“, betont der Cannstatter. Genützt hat es nichts. „Auf einmal streckt die den Hals, und los geht’s“, erinnert er sich. Mehrfach biss das Tier zu, Gerhard Zahn wurde selbst durch seine lange Hose hindurch verletzt, musste sich beim Arzt mit einer Jodsalbe behandeln lassen.

Auch im Rosensteinpark, im Schlossgarten oder am Max-Eyth-See entwickeln sich Nil- und Kanadagänse zur Plage. Zum einen ist der Kot ein hygienisches Problem, da die Tiere Wirte von Krankheitserregern sind, erklärt der Rathaussprecher Martin Thronberens. Hinzu kommt das aggressive Verhalten jetzt in der Balz- und Brutzeit. Die Stadt hat deswegen jüngst eine Warnung vor bissigen Gänsen und Schwänen veröffentlicht. Passanten sind angehalten, sich den Vögeln nicht zu nähern und das Fütterungsverbot einzuhalten.

Ein Kind hätte ernsthaft verletzt werden können

Gerhard Zahn, im Naturschutz durchaus bewandert, konnte sich nur durch einen beherzten Tritt retten. Der 1,70-Meter-Mann glaubt: Ein Kind hätte ernsthaft verletzt werden können. Umso mehr ärgert ihn die Reaktion aus dem Garten-, Friedhofs- und Forstamt. Von dort hat er eine schriftliche Entschuldigung erhalten – mit dem Verweis, dass die Situation als „naturgegebenes Risiko hingenommen werden“ müsse. Gerhard Zahn reicht das nicht. Er wünscht sich, dass man die Gänse umsiedelt. Laut dem Ordnungsamtsleiter Stefan Praegert ist das aber nicht ohne Weiteres möglich. Noch sei ein Einschreiten der Behörden im natürlichen Lebensraum der Wildtiere nicht zu begründen. Zudem bestünde die Gefahr, dass die Vögel den Stress durch Einfangversuche nicht überlebten. Bejagen ist in der Stadt auch keine Option. Einzige Möglichkeit laut Stefan Praegert: Aufgrund der gehäuften Meldungen aus dem Höhenpark überlege man, Zäune aufzustellen.

Zwei Bussarde haben einen Jogger angegriffen

Das hilft freilich nicht in jeder Lebenslage. Dieser Tage muss man sich nämlich auch vor Angriffen aus der Luft in Acht nehmen. Vergangene Woche hat ein Jogger am Abenteuerspielplatz in Hofen Bekanntschaft mit Greifvögeln gemacht. „Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich merkte, dass kurz hintereinander zwei Bussarde mich von hinten angegriffen und auch mit ihren Krallen in meiner Kopfhaut Spuren hinterlassen hatten“, schildert der Mann.

Stefan Praegert kennt solche Fälle während der Brutzeit, schützen könne man sich kaum. Auch im vergangenen Jahr sei ein Angriff eines Greifvogels gemeldet worden, Attacken durch Raben seien ebenso denkbar, aber sehr selten. Größer sei die Gefahr durch Gänse. Zahlen, wie viele davon in Stuttgart leben, gebe es nicht. Nur eines weiß Stefan Praegert: „Die Population nimmt zu.“