Der Internationaler Gerichtshof in Den Haag hat sein Urteil im Völkermord-Verfahren gefällt. Weder Serbien noch Kroatien seinen laut Gericht des Völkermordes schuldig. Foto: dpa

Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat Serbien und Kroatien zum Ende des Mammutverfahrens freigesprochen. Beide Länder hatten sich gegenseitig des Völkermords während des Balkankrieges angeklagt.

Den Haag - Fast 20 Jahre nach dem Bürgerkrieg auf dem Balkan hat der Internationale Gerichtshof (IGH) Serbien und Kroatien vom Vorwurf des Völkermords freigesprochen. Das höchste UN-Gericht wies am Dienstag in Den Haag die entsprechenden Klagen beider Staaten ab.

Auf beiden Seiten seien zwar Verbrechen mit den Merkmalen des Völkermordes begangen worden. Doch es war nach dem Urteil der 17 Richter kein geplanter Massenmord. Mit dem Urteil geht nach fast 16 Jahren das bisher längste Völkermord-Verfahren des IGH zu Ende.

Kroatien hatte Serbien 1999 vor allem wegen der Zerstörung der Stadt Vukovar 1991 und den sogenannten ethnischen Säuberungen zu Beginn des blutigen Konflikts verklagt. 13.5000 Kroaten wurden getötet, Hunderttausende vertrieben. Die Richter erkannten zwar an, dass die Verbrechen verübt worden waren. Doch fehlten Beweise, dass Serbien die Auslöschung einer ganzen Bevölkerungsgruppe bewusst geplant habe.

Ebenso war die Begründung für die Abweisung der serbischen Gegenklage. Serbien hatte das Nachbarland wegen der Tötung und Vertreibung von Tausenden Angehörigen der serbischen Minderheit aus der Kraijna 1995 verklagt.

Gericht appelliert an beide Länder

Gerichtspräsident Peter Tomka rief in seinem Schlusswort die beiden Länder auf, sich friedlich zu einigen: „Das Gericht ermutigt die Parteien zu weiterer Zusammenarbeit im Blick auf angemessene Entschädigung, was Frieden und Stabilität in der Region fördern kann.“

Das Urteil war sowohl in Kroatien als auch in Serbien mit Spannung erwartet worden. Beide Staaten hatten Entschädigungsansprüche erhoben. Während sich Serbien mit der Entscheidung zufrieden zeigte, reagierte Kroatiens Regierungschef Zoran Milanovic enttäuscht: „Wir sind nicht zufrieden, aber akzeptieren das Urteil. Von unseren Forderungen an Serbien, dass es den Verbleib der Vermissten aufklärt und (die geraubten) staatlichen Güter zurückgibt, werden wir aber nicht abrücken.“

Serbiens Justizminister Nikola Selakovic erklärte: „Das Gericht hat unsere Erwartungen erfüllt“. Der IGH hatte bereits 2007 Serbien vom Vorwurf des Völkermordes in Srebrenica freigesprochen. Auch das UN-Kriegsverbrechertribunal zum früheren Jugoslawien hat nur den Massenmord von Srebrenica 1995 in Bosnien als Völkermord anerkannt. Dafür müssen sich noch der ehemalige Serbenführer Radovan Karadzic und der serbische Ex-General Ratko Mladic verantworten. Zu Verbrechen im Balkankrieg laufen derzeit noch insgesamt acht Prozesse vor dem Tribunal in Den Haag.