Hannes Ametsreiter, Chef von Vodafone Deutschland, zeigt sich gerne vernetzt. Foto: Valéry Kloubert

Hannes Ametsreiter, Chef von Vodafone Deutschland, verspricht den Beschäftigten mehr Freiheiten und dem Südwesten ein schnelleres Netz. Auch zur möglichen Strahlenbelastung hat er eine klare Meinung.

Stuttgart - Hannes Ametsreiter, Chef von Vodafone Deutschland, gibt sich bestens gelaunt. Der Ausbau mit dem neuen Mobilfunkstandard 5G kommt schneller als erwartet voran, im Gigabit-Breitband ist der Konzern Marktführer. Seit langem ist der Neu-Münchner erstmals wieder in der Düsseldorfer Zentrale von Vodafone und telefoniert von dort mit unserer Zeitung.

 

Herr Ametsreiter, wie oft sind Sie eigentlich noch im Büro?

Selten – in den vergangenen zwölf Monaten vielleicht zehn Tage. Bei meinen Kollegen ist es ähnlich. Derzeit arbeiten 95 Prozent unserer 16 000 Mitarbeiter von zu Hause aus.

Wie unterstützen Sie ihre Mitarbeiter im Homeoffice?

Das ist bei uns gut eingespielt: Seit vielen Jahren können unsere Mitarbeiter die Hälfte ihrer Arbeitszeit mobil arbeiten. Jeder hat ein Firmenhandy und -notebook, bei Bedarf unterstützen wir zu Hause mit Bildschirmen und ergonomischen Bürostühlen. Im Homeoffice sind unsere Mitarbeiter unfallversichert. Was mir besonders wichtig ist: Wir kommunizieren viel. Einmal wöchentlich lade ich zu einem „Townhall Talk“ ein, also zu einer Videokonferenz mit allen Kollegen.

Wie wird die Bürowelt bei Vodafone nach Corona aussehen?

Wir setzen auf fluide Arbeitsmodelle. Die Mitarbeiter bestimmen ihren Arbeitsplatz selbst. Das kann zum Beispiel die Pflege von Angehörigen erleichtern. Wir wollen eine Kultur der Leistung und nicht der Präsenz fördern. Es bleibt aber auch wichtig, sich persönlich zu treffen, Ideen zu schmieden und sich auch mal gegenseitig auf die Schulter zu klopfen. Der persönliche Austausch lässt sich nicht ersetzen – bei Meetings, Events wie einem Grillfest oder dem zufälligen Plausch an der Kaffeetheke. Solche Momente machen das Arbeiten auch lebenswert.

Wie viel Bürofläche sparen Sie künftig ein?

Wir werden mehr Fläche für den kreativen Austausch mit den Kollegen schaffen. Dafür werden wir an einigen Orten klassische Büroflächen umwidmen. Dort, wo es sinnvoll ist, werden wir auch Flächen reduzieren. Geld und Emissionen sparen wir aber vor allem ein, weil es künftig weniger Reisen, dafür aber mehr Videokonferenzen gibt, auch aus Gründen der Nachhaltigkeit.

Neben Nachhaltigkeit ist in der Wirtschaft auch Diversität ein großes Thema. Wie sieht es bei Vodafone aus?

Der Frauenanteil im Management hat sich bei uns nochmals erhöht. Mich ausgenommen, ist die Hälfte unserer Geschäftsführung weiblich. Aber wir sind auf allen Ebenen divers. In unserer Zentrale in Düsseldorf arbeiten Menschen aus 70 verschiedenen Nationen. Die verschiedenen Perspektiven und Kulturen, die all diese Menschen einbringen, machen uns stark.

Sie haben Daten von Millionen Kunden. Wie hat sich das Kommunikationsverhalten seit Corona verändert?

Das Datenvolumen ist vor allem im Festnetz durch Videobesprechungen und Streaming explodiert. Bis zu 60 Prozent mehr Daten rauschen durch unsere Netze. Die Pandemie hat auch dazu geführt, dass die Menschen wieder länger telefonieren – im Schnitt dauert ein Gespräch 35 Sekunden länger als vor Corona. Früher wurden die meisten Gespräche abends geführt, jetzt sind sie über den ganzen Tag verteilt. Die Menschen telefonieren mehr, weil sie sich weniger häufig persönlich sehen.

Der neueste Standard beim mobilen Telefonieren und Datenaustausch ist 5G. Wie kommen Sie beim Ausbau des Netzes voran?

So schnell haben wir noch nie einen neuen Mobilfunkstandard aufgebaut. Wir versorgen ab diesem Dienstag 25 Millionen Menschen in Deutschland mit 5G. Im Laufe des Jahres wollen wir 30 Millionen erreichen – das sind zehn Millionen mehr, als wir beim Ausbaustart vor zwei Jahren erwartet haben. Dafür haben wir allein in den vergangenen zwölf Monaten 9000 neue 5G-Antennen errichtet, insgesamt sind es jetzt 10 000.

Wie sieht es in Baden-Württemberg aus?

Baden-Württemberg ist auf der Überholspur. Hier haben wir derzeit 1100 5G-Antennen am Netz und erreichen so bereits ein Drittel aller Menschen dort, wo sie wohnen. In den kommenden zwölf Monaten kommen im Südwesten weitere 1300 Antennen hinzu, bundesweit sind es sogar 9000.

Wie viele davon haben Sie auch als 5G-Kunden?

Fast alle Mobilfunkkunden von uns können mit ihren Verträgen ohne Zusatzkosten auch 5G nutzen. Die meisten bewegen sich an vielen Orten auch schon im 5G-Netz. Aber es kommt auch darauf an, ob ihr Handy überhaupt 5G ermöglicht. Was man aber feststellen kann: Das Datenvolumen, das über unser 5G-Netz geleitet wird, ist in den vergangenen zwölf Monaten um das 40-Fache gestiegen.

Bisher ist das 5G-Netz aber im Prinzip eine Weiterentwicklung des bisherigen LTE-Netzes, das vor allem mehr Geschwindigkeit garantiert.

Bislang brachte 5G vor allem höhere Bandbreiten. Die Reaktionszeiten mit 5G waren dagegen noch ähnlich, wie sie auch im LTE-Netz verfügbar sind. Der Standard entwickelt sich aber weiter. Als erster Netzbetreiber in Europa haben wir 5G jetzt auch im Kernnetz auf eigene Beine gestellt und von der LTE-Infrastruktur entkoppelt.

Was meinen Sie damit?

Wir haben im April als erster Anbieter „5G Standalone“ eingeführt – also ein 5G-Netz ohne Stützräder. Es kann auf nur einem Quadratkilometer eine Million Menschen oder Dinge anbinden. Es ist bereits an 1000 Antennen verfügbar, zum Jahresende sollen es 4000 Antennen sein. So wird der Datenaustausch in Echtzeit Realität. Und damit wichtige Anwendungen für das Internet der Dinge, die Industrie, das autonome Fahren und Augmented Reality. Außerdem können wir so Teilnetze für besondere Anforderungen bereitstellen.

Haben Sie ein Beispiel?

Nehmen Sie die Übertragung eines Fußballspiels. Früher braucht man einen Übertragungswagen. Jetzt kann ein Kameramann mit seiner 5G-Ausrüstung im Gepäck die Livebilder direkt in die Cloud übertragen. Er ist dann viel flexibler in seinen Laufwegen, weil die Kamera kein Kabel mehr braucht. Das funktioniert, weil wir ihm für die Übertragung exklusiv vor Ort für eine gewisse Zeit einen Teil des Netzes zur Verfügung stellen, im Fachjargon heißt das „Network Slicing“.

Wie häufig wurde der Bau von 5G-Antennen von Bürgerinitiativen oder anderen gestoppt?

Es gibt zahlreiche Verzögerungen beim Netzausbau, weil Gemeinden oder Bürgerinitiativen keine neuen Mobilfunkstandorte wollen, auch in Baden-Württemberg. Gerade für die leistungsfähigen Antennen im städtischen Bereich ist es schwierig, neue Standorte zu finden. Alle wollen den Mobilfunk, aber niemand die Station. In Deutschland dauern die Genehmigungen europaweit am längsten. Deshalb ist der Ausbau sehr teuer und mühsam. In anderen Ländern dürfen Netzbetreiber für ihre Antennen öffentliche Gebäude kostenlos nutzen. So etwas würden wir uns auch für Deutschland wünschen, um die Netze noch besser zu machen.

Nehmen Sie die Gesundheitsbedenken der Mastengegner wegen einer möglichen Strahlenbelastung ernst?

Das muss man immer ernst nehmen, auch wenn es manchmal irrationale Ängste sind. Wir kennen keine anerkannte Studie, die gesundheitliche Schäden durch 5G belegt. Viele Frequenzen, die in Deutschland für 5G genutzt werden, werden auch schon bei 4G verwendet. Auch WLAN funkt im ähnlichen Frequenzbereich. Deshalb versuchen wir, mit Informationskampagnen auf die Bürger zuzugehen. Wenn in zehn bis 15 Jahren der aktuelle Standard LTE abgeschaltet wird, brauchen wir 5G, um mobil zu telefonieren.

Wie kommen Sie beim Breitbandausbau voran?

Wir haben bereits 3,3 Millionen Gigabitanschlüsse in Baden-Württemberg gebaut, bundesweit sind es 22,3 Millionen. Alle anderen Anbieter zusammen kommen auf rund sechs Millionen weiterer Gigabitanschlüsse.

Wie viele Kunden haben überhaupt einen Gigabitvertrag abgeschlossen?

Eine Million, Tendenz stark steigend. Das ist eine unglaublich hohe Zahl im europäischen Vergleich.

Sie benutzen Ihr aufgerüstetes Kabelnetz. Können Sie mit den reinen Glasfaseranschlüssen ihrer Konkurrenten überhaupt konkurrieren?

Rund 90 Prozent unserer Gigabitinfrastruktur bestehen bereits aus Glasfaser. Wir arbeiten daran, dass wir in den kommenden Jahren den Glasfaseranteil bei der letzten Strecke von den Verteilern bis in die Häuser hinein noch weiter erhöhen. Potenziell sind Geschwindigkeiten von bis zu zehn Gigabit pro Sekunde möglich.

Wenn ich mit 50 anderen Haushalten in einem Hochhaus wohne und die Leitung teilen muss, kommt davon nicht mehr viel Geschwindigkeit an.

Je mehr Haushalte an einer Leitung hängen, desto mehr Menschen teilen sich die Bandbreite, wenn sie zeitgleich online sind – das ist auch bei Glasfaser der Fall. Deshalb bauen wir dort zuerst weiter aus, wo es besonders auf die Geschwindigkeit ankommt – also bei großen Hausgemeinschaften, aber auch bei Firmen.