Vodafone-Deutschland-Chef Hannes Ametsreiter will das Mobilfunknetz 5G auch an Tankstellen bringen. Autohersteller sollen dort die Software ihrer E-Fahrzeuge aktualisieren können. Foto: dpa/Valéry Kloubert

Vodafone gilt in puncto Internet-Geschwindigkeit und Aufbau des neuen Mobilfunkstandards 5G unter den deutschen Netzbetreibern derzeit als führend. Der britische Konzern, der im vergangenen Jahr Unitymedia gekauft hat, macht auch in Baden-Württemberg Dampf. Das gefällt nicht jedem.

Stuttgart - Der britische Konzern Vodafone, der im vergangenen Jahr den Kabelnetzbetreiber Unitymedia gekauft hat, macht dem Platzhirsch Deutsche Telekom immer mehr Konkurrenz. Entsprechend selbstbewusst zeigt sich Deutschland-Chef Hannes Ametsreiter im Interview. Wenn da nicht der Protest gegen Mobilfunkmasten wäre.

 

Herr Ametsreiter, Sie haben gerade 2,3 Millionen Haushalten in Baden-Württemberg Zugang zu Gigabit-Anschlüssen verschafft. Fühlen Sie sich als heimlicher Digitalminister?

Nein, ich bin sehr froh, in der Privatwirtschaft zu sein. Ich glaube, dass wir hier viele Gestaltungsmöglichkeiten haben, um Deutschland schneller zu machen.

Zumindest bietet Vodafone jetzt Internet, Fernsehen, Mobilfunk und Festnetz aus einer Hand. Pech, dass kaum einer das komplette Bündel will …

Das nutzen derzeit in der Tat nur wenige Prozent unserer Bestandskunden. Aber genau deshalb sehe ich hier immenses Wachstumspotenzial – auch mit Unitymedia. Warum? Weil sich bereits 70 Prozent aller neuen Mobilfunkvertragskunden für ein Bündelangebot entscheiden. Der Trend geht klar zur „Kombi“, weil der Kunde dort alles aus einer Hand erhält.

Neue Anschlüsse entstehen dabei aber nicht, vor allem nicht in den ländlichen Gebieten.

Das ist ein Vorurteil, denn schon jetzt haben wir ein Drittel unserer Kabelnetze auf dem Land. Daneben bauen wir auch das Glasfasernetz aus. Wir bieten – wo möglich – Gemeinden an, mit uns ein Glasfaserprojekt zu realisieren. Wenn jeder dritte Haushalt sich dort für einen Anschluss entscheidet, fangen wir an.

Wie sieht es beim Mobilfunk aus? Wie viele Masten rüsten Sie derzeit mit dem neuen Standard 5G auf, der ein schnelleres und verzögerungsfreies Netz bieten soll?

Wir haben bisher rund 300 5G-Antennen aufgerüstet. Und das in 50 Städten und Gemeinden. Dieses Jahr wollen wir rund zehn Millionen Menschen in Deutschland und im kommenden insgesamt 20 Millionen Menschen mit 5G versorgen.

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Wie sieht es mit dem Widerstand gegen neue Mobilfunkmasten aus?

Vor allem in Baden-Württemberg ist es nicht einfach zu bauen. Wir erhalten harte Ausbauauflagen von der Bundesnetzagentur, erfahren aber Widerstände aus der Bevölkerung und den Gemeinden. Aber wenn Deutschland eine moderne Infrastruktur haben möchte, muss man uns auch die Möglichkeit zum Ausbau geben. Die Erwartungen zum Ausbau und die Rahmenbedingungen passen nicht zusammen. In zehn oder 15 Jahren wird es möglicherweise nur noch 5G gegeben. Gemeinden, die nicht mit 5G erschlossen sind, laufen dann Gefahr, abgehängt zu werden.

Wie oft wurde der Bau von Masten gestoppt?

Wir haben bundesweit 562 Baustellen, an denen wir nicht weiterkommen. Eine Mobilfunkstation kostet mindestens 200 000 Euro. Bauverzögerungen treiben die Kosten weiter in die Höhe. Wir haben Standorte, wo der Baubeginn vor drei Jahren erfolgte und das Bauvorhaben immer noch nicht abgeschlossen ist. Das geht nicht. Auch hier müsste die Politik bessere Rahmenbedingungen liefern.

Seit vielen Jahren schon soll das Netz smart sein. Warum spürt man das im Alltag kaum?

Sie spüren es nicht, weil es schon fast selbstverständlich geworden ist. Carsharing, Parkplatzsuche, mobiles Bezahlen, Navigation sowie Augmented Reality – also virtuelle Einblendungen. Was Sie jeden Tag benutzen, funktioniert nur dank SIM-Karten und smarter Netze. Und das wird noch mehr: So haben wir als erstes Unternehmen weltweit 5G im Zusammenspiel mit einer Augmented-Reality-Anwendung bei einem Bundesligaspiel aktiviert und mit einem Elektroauto-Start-up in Aachen die erste 5G-Produktion in Deutschland aufgebaut.

Praktisch jedes Unternehmen will sich digitalisieren. Dann müsste man Ihnen ja die Tür einrennen.

Die Nachfrage ist riesig. Wir bieten unseren Kunden das Internet der Dinge, Rechnerleistungen im Internet und Digitalisierungskonzepte sowie 5G-Netze speziell für Fabriken. Es gibt derzeit 200 bis 300 Firmen, die sich unsere Lösungen anschauen – von kleinen Firmen bis hin zu großen Konzernen. Sie kommen aus allen Branchen – der Automobilindustrie, dem Gesundheitswesen, der Luftfahrt und Energieversorgung. Aber 5G ist auch eine Entwicklerplattform, auf die Millionen Entwickler aufsetzen und Millionen Ideen haben werden. Es wird riesige Umbrüche geben, nur einige kann man bisher erahnen. Das ist ja das Spannende, welches Unternehmen das Potenzial früher und besser erkennt.

Sie haben kürzlich mit Total in Düsseldorf und Erfurt die beiden ersten Tankstellen an das 5G-Netz angeschlossen. Was bringt das?

Total stellt sich auf den Bau von Elektrotankstellen mit digitalen Services ein. Wir wissen von Automobilherstellern, dass sie gerne an den Tankstellen für ihre E-Autos Software-Updates einspielen würden, während die Autoakkus aufgeladen werden und der Fahrer einen Kaffee trinkt. Die Tankstelle bringt das Betriebssystem auf einen neuen Stand – und dafür brauchen sie ein Netzwerk mit 5G.

Ein Wort zur Netzpolitik. In Deutschland werde zu wenig Geld in Start-ups gesteckt, es fehle das Wagniskapital: Haben die Kritiker recht?

Ja, hier muss es massive Veränderungen geben. Wo das Kapital ist, fliegen auch die Ideen hin – und damit die Arbeitsplätze. Deshalb müssen mehr Anstrengungen unternommen werden, dass es in einem der reichsten Länder der Welt auch einen der größten Pools für Wagniskapital gibt. Ich finde es bedauerlich, dass Deutschland beim Wagniskapital hinter viele Länder zurückgefallen ist. Es wäre für Deutschland gut, wenn Geld nicht in Stiftungen geparkt und vielfach in Staatsanleihen gesteckt wird. Man müsste einen Zukunftsfonds aufbauen, der produktiv in Firmen investiert und Marktdynamik schafft.

Wie sieht es bei der digitalen Bildung aus?

Solange es noch immer Grundschulen gibt, in denen Kinder keine digitalen Medien verwenden und weiterführende Schulen mit Kreidetafeln arbeiten, gibt es viel zu tun. Man muss die Ausstattung verbessern und mehr Lehrer zu IT-Experten schulen. Die Schüler müssen lernen, wie man mit IT und maschinellem Lernen umgeht. Da sind uns andere Länder voraus.

Fehlt auch Vodafone das Fachpersonal? Könnten Sie mehr wachsen, wenn Sie mehr Mitarbeiter-Expertise hätten?

In bestimmten Themengebieten vermutlich ja, aber das ist schwer zu quantifizieren. Im Bereich der Künstlichen Intelligenz oder dem maschinellen Lernen finden wir zu wenige Mitarbeiter. Sonst könnten wir auch in diesen Bereichen mehr Projekte stemmen.

Die Techbranche ist männerdominiert: Bekommt da die Digitalisierung keine Schlagseite?

Wir haben einen Frauenanteil von 30 Prozent im Management und in unserer Düsseldorfer Zentrale Mitarbeiter aus 77 Nationen. Wir haben also unterschiedlichste Perspektiven. Dass es nicht noch mehr Frauen gibt, hängt auch damit zusammen, dass in den Schulen und Universitäten sich zu wenige Frauen auf die technischen Fächer spezialisieren. Ich würde mir natürlich mehr Frauen in Technikberufen wünschen.