Der Klimawandel stellt Weinerzeuger vor große Herausforderungen. Acht Betriebe im Remstal testen mit einem sogenannten Vitiforst-Projekt, ob Bäume und Sträucher im Weinberg helfen können.
Frische Weine mit Eleganz sind Christoph Klopfers Ding – und das soll auch so bleiben. Doch angesichts des Klimawandels wird es für Erzeuger wie das Weingut Klopfer in Weinstadt-Großheppach (Rems-Murr-Kreis) immer schwieriger, dieses Ziel zu erreichen und den typischen Stil der Weine zu erhalten. Denn ein zu heißes Klima führt zu weniger Säure in den Trauben. Dürre, Starkregen und Hagel setzen den Reben darüber hinaus zu.
Weil Christoph Klopfer weiterhin seine Weinberge bewirtschaften und qualitativ gute Weine erzeugen will, sucht der Bio-Wengerter Antworten darauf, wie er auf die Klimaveränderungen reagieren kann. Die Vitiforst-Initiative, die das Weinstädter Klimabündnis angestoßen hat, kommt da gerade recht. Vitiforst ist eine spezielle Bewirtschaftungsform, die statt der Monokultur im Weinberg ein Miteinander von Reben, Bäumen und Sträuchern propagiert.
Bereits jetzt wächst bei Christoph Klopfer zwischen den Rebstöcken der ein oder andere Strauch. Und der Kollege Achim Stilz vom Weingut Im Hagenbüchle in Schnait hat vor zwei Jahren bei der Neubepflanzung eines Weinbergs versuchsweise ab und zu eine Zeile Reben ausgelassen und dort Obstbäume gepflanzt. Sie werfen nicht nur Früchte ab, sondern spenden auch Schatten, erhöhen die Humusbildung und helfen dabei, dass das Wasser bei starkem Regen besser versickert.
Symbiose statt Monokultur
Erste private Schritte zur Abkehr von der Monokultur im Weinberg gibt es also bereits. Nun wollen vier Weingüter und vier Nebenerwerbsbetriebe auf Weinstädter Markung zusammen mit dem Klimabündnis Weinstadt, der Universität Hohenheim und dem Landratsamt des Rems-Murr-Kreises im Rahmen eines vom Wissenschaftsministerium geförderten Forschungsprojekts den Weg zum Vitiforst weiter gehen.
Vitiforst: Miteinander im Weinberg von Reben, Bäumen und Sträuchern
„Die Idee soll Kreise ziehen“, sagen Edgar Neumann und Jürgen Frank vom Klimabündnis Weinstadt. Während Henry Zimmer von der Universität Freiburg die Beweggründe und Erwartungen der Projektteilnehmer erforscht, unterstützt Nicolas Haack die Wengerter ganz praktisch bei der Umsetzung. Er ist Berater beim hessischen Planungsbüro Triebwerk, das sich auf das Thema regenerative Land- und Agroforstwirtschaft spezialisiert hat.
Zum Projektstart besucht der Fachmann jeden der teilnehmenden Betriebe. Er schaut sich die für den Versuch ausgewählten Flächen an, zieht Bodenproben, prüft den pH-Wert am Standort und sichtet, welche Pflanzen rundum wachsen. Und wählt dann später die passenden Bäume und Sträucher aus.
Hagel und Wind setzen Reben im Weinberg zu
Der eine Weinberg eignet sich möglicherweise besonders gut für Nussbäume, ein anderer für Südfrüchte wie Kakis oder Granatäpfel. Die Planungen macht Nicolas Haack in Rücksprache mit Behörden wie dem Landratsamt, denn ein Teil der Flächen liegt in Schutzgebieten. Zudem hält er Ausschau nach Fördermöglichkeiten, sodass die Projektteilnehmer nicht alle Kosten selbst schultern müssen. Je nach Region würden bis zu 70 Prozent gefördert, sagt er. Christoph Klopfer hat ein 1,2 Hektar großes Areal auf einer Kuppe im Gewann Steingrüble oberhalb des Weinguts zur Versuchsfläche erklärt.
Hier wachsen Weiß- und Spätburgunder sowie Riesling. In den vergangenen Jahren seien die Reben häufig von Hagelschlag und heftigem Wind beschädigt worden, sagt Klopfer, und outet sich als großer Fan von Hecken. Von Nicolas Haack will er zum Beispiel wissen, an welchen Stellen im Weinberg er Reben roden und stattdessen Hecken pflanzen sollte.
Im Steingrüble wachsen Spätburgunder und Riesling
Gut vorstellen könnte sich Christoph Klopfer zum Beispiel Schlehdornhecken. Diese bieten Schutz vor Wind, einen Lebensraum für Tiere und liefern obendrein dunkelblaue Beeren, die das Weingut Klopfer beispielsweise in seinem alkoholfreien Aperitif Rousecco verarbeitet. Schlehdornhecken seien früher ganz typisch für die Weinberge im Remstal gewesen, erklärt er. Im Zuge der Rebflurbereinigung wurden sie entfernt. „Heute würde man es wohl anders machen“, räumt der Wengerter ein, betont aber auch: „Die Rebflurbereinigung war Gold wert. Ohne sie wäre der Weinbau im Remstal heute nur noch eine Randerscheinung.“
Auch mit Bäumen im Weinberg hat Klopfer kein Problem – allerdings unter der Maßgabe, dass die Fläche weiterhin maschinell bewirtschaftet werden kann. Solche Vorgaben berücksichtigt Nicolas Haack, bevor er den Betrieben seine Vorschläge macht. „Wir haben kein Standardsystem, jedes Weingut hat seine speziellen Herausforderungen und Chancen.“
Und alles, was gepflanzt wird, muss später auch gepflegt werden, was mehr Aufwand bedeutet. Die sorgfältige Planung spiele beim Vitiforst eine zentrale Rolle, sagt Jakob Hörl. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Uni Hohenheim und in der Koordination der Agroforst-Systemforschung tätig. „Ein Baum ist schnell gepflanzt, aber die Entscheidungen, die ich treffe, haben Auswirkungen über 20 bis 60 Jahre.“
Ein Vitiforst muss gut geplant werden
Jakob Hörl freut sich, dass gleich acht Betriebe im Boot sind, die wertvolle Daten liefern können. An Letzterem hapert es in Deutschland: „Uns fehlen zum Teil die Grundlagen.“ Im Mittelmeerraum sei man da bedeutend weiter, doch Beutelsbach ist nicht Bordeaux – die Erkenntnisse lassen sich nicht einfach übertragen. Seit 2007 gibt es aber die Vitiforst-Anlage Arbustum in Ayl an der Saar. Die werden sich die Projektteilnehmer in diesem Sommer anschauen, bevor dann im Herbst im Remstal gepflanzt wird, vielleicht sogar im Rahmen einer öffentlichen Aktion.
Bei einer Jahrgangsverkostung im Weingut Klopfer, Gundelsbacher Straße 1 in Großheppach, stehen am Sonntag, 27. April, von 11 bis 18 Uhr alle Weine zur Verkostung bereit. Die Teilnahme kostet zehn Euro, 15 Euro für Paare. Der Betrag wird beim Weineinkauf erstattet.