Der Karl-Benz-Platz ist heute fast eine reine Betonwüste und dient lediglich als Verkehrsknotenpunkt. Foto: Alexander Müller

Der Karl-Benz-Platz trennt seit Jahrzehnten die Altstadt Untertürkheim vom Neckar. Im Rahmen eines IBA’27-Projekts gibt es nun Visionen für eine Umgestaltung. Unter anderem eine „Neckarwiese“.

Eine mehrstöckige, gemischt genutzte Bebauung, die Halbierung der Straßen- und auch der Schienenflächen, aber vor allem ein großer, grüner Park, der sich zum Neckar hin öffnet. Der Siegerentwurf der Planungsgemeinschaft Labor für urbane Orte und Prozesse sowie Koeber Landschaftsarchitektur und Verkehrsplanung Link (alle aus Stuttgart) für das IBA’27-Großprojekt „Stadt am Fluss – Vernetzung Untertürkheim“ sieht großartige Visionen für eine Umgestaltung des Karl-Benz-Platzes vor. „Es entsteht eine Perspektive für ein grüneres, weniger von der Infrastruktur und vom Verkehr durchschnittenes Quartier mit hoher Aufenthalts- und Lebensqualität“, so der IBA’27-Intendant Andreas Hofer.

 

Verkehrsknoten mit 25 000 Fahrzeugen, zwei Stadt- und Buslinien

Der Karl-Benz-Platz ist einer der großen Verkehrsknotenpunkte in den Oberen Neckarvororten. Mehr als 25 000 Fahrzeuge, zwei Stadtbahn- und zwei Buslinien sowie zahlreiche Lastwagen auf der Zufahrt zum Daimler-Stammwerk – mit vorgelagertem Parkplatz – verkehren täglich über die zentrale Stelle in Untertürkheim. Hinzu kommen unzählige Fußgänger auf dem Weg zwischen den S-Bahnen am angrenzenden Bahnhof sowie der Arbeitsstelle und dem Lindenschulzentrum. Doch seit dem Bau der Eisenbahntrasse, dem Daimler-Stammwerk sowie der Flussbettverlegung wird über den trennenden Charakter der bestehenden „Infrastrukturbarrieren aus Bahnlinie und eben dem Verkehrsknoten Karl-Benz-Platz diskutiert“, weiß Hofer.

Zukunftsweisende Lösung für Wohnen, Arbeit und Freizeit

Seit vielen Jahren gibt es daher den Wunsch, den Ortskern von Untertürkheim baulich aufzuwerten und insbesondere durch eine entsprechende Freiraumgestaltung das Neckarufer erlebbar zu machen. Mit der Aufnahme als IBA’27-Projekt sieht die Stadt nun die große Chance, diesen zu realisieren. Gefragt war eine städtebauliche Idee, die auf der 24 Hektar großen Fläche zukunftsweisende Lösungen für Wohnen, Arbeit und Freizeit bietet sowie die Altstadt mit dem Neckarufer verknüpft.

Drei Hektar großer Park

Der Siegerentwurf konzentriert sich dabei auf die Bebauung der Bestandsbereiche und den Karl-Benz-Platz. Laut der Vision soll auf dem Areal des heutigen „Puritas-Gebäudes“ vor den Werkstoren und dem Daimler-Parkplatz ein drei Hektar großer öffentlicher Park entstehen, mit einer direkten Anbindung an den Neckarkanal. Diese stadtklimatisch wichtige „Neckarwiese“ soll neben dem Daimler-Stammwerk und dem Lindenschul-Campus durch eine urbane Mischbebauung auf dem Bereich der heutigen Endhaltestelle der Stadtbahnlinie U4 und dem Vorbereich am Inselbad eingerahmt werden – unter anderem mit einem mehrstöckigen „Leuchtturmprojekt“.

„Neben einer hohen Aufenthalts- und Lebensqualität müssen dabei die Bedürfnisse der Schule, des Inselbads, der hier Wohnenden und Arbeitenden miteinander abgestimmt werden, damit ein belebter Ort für viele am Wasser entsteht“, so Hofer weiter. Der bereits entschiedene Wettbewerb für eine urbane Wohnsiedlung an der Inselstraße (wir berichteten) könne hier als Leitbild für den Wandel in Untertürkheim in den kommenden Jahren dienen.

Straßen- und Gleisflächen müssen reduziert werden

Voraussetzung ist ein völlig neues Mobilitätskonzept. So sollen drei dezentrale Quartiersgaragen die nötigen Stellflächen sicherstellen. Die Straßenfläche wird halbiert, neue Kreisverkehre sollen Abbiegespuren unnötig machen. Zudem auch die Stadtbahnanlagen reduziert und optimiert werden. Soll heißen, die Endhaltestelle der U4 soll entfallen, die Linie vielmehr auf die Gleise der Linie U13 verlegt werden. Laut dem Preisgericht soll der Siegerentwurf nun als Grundlage für die weiteren Planungen dienen. Knackpunkt ist aber, „im weiteren Verfahren alle Akteure im Umfeld in einen gemeinsamen Zukunftsprozess einzubinden“, sagt die Vorsitzende des Preisgerichts, Professorin Ute Meyer. Ins Auge fasst sie daher als Langfristperspektive eines Parks auch qualifizierte Zwischenschritte des Aufbruchs zu konzipieren und umzusetzen – „unter Umständen erst einmal temporär“.

Daimler AG und die SSB mit ins Boot holen

Thomas Donn, der Leiter des Amts für Stadtplanung der Stadt Stuttgart, sieht dabei vor allem die Aufgabe, „der Firma Mercedes-Benz Optionen aufzuzeigen, wie sie sich zur Stadt hin öffnen kann“. Aber auch die Stuttgarter Straßenbahnen AG müsse wegen der möglichen Verlegung der Stadtbahnlinie U4 mit ins Boot geholt werden, „um für Untertürkheim neue Perspektiven für die Zukunft zu eröffnen“.

Die Pläne und Modelle des Siegerentwurfs werden von Montag, 5. bis Donnerstag, 15. Dezember im Stuttgarter Rathaus im Erdgeschoss und voraussichtlich Anfang 2023 im Bezirksrathaus Untertürkheim präsentiert.

Karl-Benz-Platz

Historie
Der Bereich, an dem in früheren Zeiten der Neckar floss, entstand nach dem das Flussbett als Vorbereitung für den Bau des Hafens begradigt wurde. In den 1940er-Jahren gab es nicht nur unter der Erde einen Bunker, sondern stand auch auf der Seite des Daimler-Werks ein Hochbunker mit dem größten Fassungsvermögen in Stuttgart. In den 1960er Jahren war es ein einziger großer Parkplatz für Mitarbeiter der Daimler AG. Sein heutiges Erscheinungsbild erhielt der Karl-Benz-Platz 1992. 32 Millionen Mark investierte die Stadt, um einen Platzcharakter zu schaffen. Mit bis heute mäßigem Erfolg.

Verkehrsknoten
Täglich bis zu 25 000 Fahrzeuge verkehren auf dem Karl-Benz-Platz. Mit den zwei Buslinien 60 (Fellbach/Oeffingen) und 61 (Rotenberg/Obertürkheim) sowie den Stadtbahnlinien U13 (Hedelfingen/Feuerbach) und der Endhaltestelle der U 4 (Charlottenplatz), und nicht zuletzt der S-Bahn-Linie-1 (Kirchheim (Teck)/Herrenberg) ist er einer der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte in den Oberen Neckarvororten.