In Experimenten wird mit Rauch der Weg der Partikel im Atem sichtbar gemacht. In geschlossenen Räumen können mit Viren beladene Aerosole größere Distanzen zurücklegen. Foto: dpa

Experten mahnen in einem Aufruf, die Gefahr einer möglichen Übertragung des Coronavirus durch die Luft besser zu kontrollieren. Wie verbreiten sich die Viruspartikel in engen Räumen? Und worauf gilt es zu achten?

Stuttgart - Es ist eine ungewöhnliche Mahnung: Im Fachblatt „Clinical Infectious Diseases“ rufen mehr als 200 Wissenschaftler dazu auf, der Verbreitung des Coronavirus über Aerosole mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Es gebe „ein signifikantes Potenzial für die Gefahr, Viren mit mikroskopisch kleinen Atemtröpfchen einzuatmen“ – in kurzen bis mittleren Entfernungen bis zu einigen Metern. Die Übertragung des Virus durch Mikrotröpfchen in der Luft sei ein wichtiger Verbreitungsweg. Politisch pikant wird der Aufruf, weil darin der Weltgesundheitsorganisation WHO sowie anderen Gesundheitsbehörden der Vorwurf gemacht wird, die Rolle der Aerosole bei der Übertragung nicht ausreichend zu würdigen. Vor allem für geschlossene Räume sollten zur Vorsorge Empfehlungen für eine gute Durchlüftung gegeben werden. Auch sollten überfüllte Räume vermieden werden.

Das Ergebnis passt zu den Ergebnissen einer deutschen Studie über die Ausbreitung von Aerosolen beim Singen. Dabei sei ein Teil der Minipartikel leicht strahlartig nach oben und zur Seite ausgetreten, hieß es. Das aber sagt noch nichts darüber aus, wie infektiös die Teilchen sind. Experten weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der wissenschaftliche Streit über die Übertragung durch Aerosole keinesfalls neu ist.

Unterschiedliche Experten-Ansichten

Ein Teil der Diskussion hängt damit zusammen, dass Forscher unterschiedlicher Fachrichtungen an den Studien beteiligt sind. Die Mahnung in „Clinical Infectious Diseases“ kam nun vor allem von Chemikern, Physikern und Ingenieuren. Sie gehen die Frage vor allem aus physikalischer Sicht an, während sich Epidemiologen eher an medizinischen Kriterien orientieren und etwa danach schauen, wie sich Infektionsherde und Zweitinfektionen entwickeln.

„Beide Seiten kommen der Wahrheit ein Stück näher“, meint Isabella Eckerle, die eine Forschungsgruppe über neu auftauchende Viren an der Uni Genf leitet. Die virenbeladenen Tröpfchen verhalten sich eben unterschiedlich. „Es macht einen Unterschied, ob ich mich mit vielen Menschen in einem kleinen stickigen Raum befinde oder im Freien, wo diese Tröpfchen sofort von der Luftbewegung davongetragen werden“, so Eckerle. Das Robert-Koch-Institut mahnt daher in seinen Richtlinien zu Corona: „Der längere Aufenthalt in kleinen, schlecht oder nicht belüfteten Räumen kann die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung durch Aerosole auch über eine größere Distanz als zwei Meter erhöhen.“