Das Ensemble im Holzmodell: Oben in der Mitte das neue Erweiterungsgebäude, links daneben schließen sich unterirdische Gebäudeteile an, die Villa ist am linken Bildrand erkennbar. Foto:  

Asbest, alte Technik, Platzmangel: Für eine Generalsanierung des Stuttgarter Regierungssitzes gibt es mehrere Gründe. Gewinnen soll nicht nur die Belegschaft des Staatsministeriums, sondern vor allem die Villa Reitzenstein.

Stuttgart - Ministerpräsident Winfried Kretschmann will die Sanierung seines Regierungssitzes dazu nutzen, die von 1910 bis 1913 erbaute Villa Reitzenstein besser zur Geltung zu bringen. „Ich habe mich dafür eingesetzt, dass die Gebäude wegrücken von der Villa, so dass sie wieder in ihrem ursprünglichen Zustand mit dem Rosengarten hergestellt werden kann“, sagte der Grünen-Politiker. Möglich wird das, weil das Bürogebäude, das 1974 direkt neben der Prachtbau errichtet worden war, abgerissen werden muss. Es ist asbestverseucht und stellt laut Staatskanzleichef Klaus-Peter Murawski eine „permanente Gefährdung der Mitarbeiter dar“.

An seiner Stelle soll ein Neubau entstehen, allerdings in größerer Entfernung zu dem denkmalgeschützten Bau und in weiten Teilen unter der Erde. „Wir nutzen die unterschiedlichen Höhen des Geländes“, sagte der Berliner Architekt Martin Sting, dessen Büro den europaweit ausgeschriebenen Wettbewerb gewonnen hat. Der ursprüngliche Charakter als „Villa im Park“, werde dadurch hervorgehoben.

In das Ensemble einbezogen wird auch das sogenannte Clay-Haus in unmittelbarer Nachbarschaft des Regierungssitzes. Diesen repräsentativen Bau hat das Land im vergangenen April von den Vereinigten Staaten gekauft. Das US-Militär hatte ihn mehr als 60 Jahre lang als Dienstsitz für hohe Generale genutzt, erhielt für eine Sanierung allerdings keine Mittel vom Senat.

Alle Gebäudekomplexe über einen unterirdischen Gang miteinander verbinden

Ab Mai 2013, wenn das Clay-Haus renoviert ist, sollen dort übergangsweise der Ministerpräsident, die Ministerin im Staatsministerium sowie der Staatskanzleichef einziehen. Nach Ende der Baumaßnahmen werde die Regierungsspitze wieder in die Villa Reitzenstein zurückkehren, sagte Murawski. Das Clay-Haus soll ihr aber weiter zur Verfügung stehen.

Alle Gebäudekomplexe sollen künftig über einen unterirdischen Gang miteinander verbunden sein. Dazu gehört auch das bisher von der Protokollabteilung genutzte Wohnhaus oberhalb der Villa Reitzenstein in der Gröberstraße. Auch mehrere Gebäude in der angrenzenden Sandbergerstraße und in der Schönleinstraße sind in den Sanierungsplan einbezogen. Darüber hinaus soll eine Kindertagesstätte für die Belegschaft entstehen. Als Ausweichquartier ist außerdem ein angemietetes Haus in der Stafflenbergerstraße vorgesehen, wo bisher die Diakonie Büros hatte.

Geplant ist nicht zuletzt eine energetische Sanierung sämtlicher zum Staatsministerium gehörenden Immobilien – bisher ist das Ressort auf elf verschiedene Immobilien verteilt. „Wir bekommen dann sogenannte Plusenergiegebäude, die mehr Energie erzeugen als sie verbrauchen“, sagte Murawski. Das soll vor allem durch den Einbau von zwei gasbetriebenen Blockheizkraftwerken erreicht werden. An der Fassade der Villa Reitzenstein seien keine Baumaßnahmen nötig, versichern Fachleute des Finanzministeriums. Die Sandsteinmauern seien so dick, dass sie nicht gedämmt werden müssten. Allerdings sei die Haustechnik veraltet.

Denkmalgeschützter Landschaftspark wie etwa der Rosengarten aufwerten

Alles in allem schlagen die Baumaßnahmen mit 28 Millionen Euro zu Buche. Die Sanierung der Villa wird auf 9,5 Millionen veranschlagt, der Abbruch der Büros und der Neubau sollen zwölf Millionen kosten. Für die übrigen Maßnahmen sind 5,5 Millionen Euro Kosten vorgesehen. Außerdem werden noch 800.000 Euro für einen „Systembau“ hinter dem Clay-Haus benötigt, in das die Pressestelle ziehen soll.

Durch den Abbruch des alten Erweiterungsbaus könnten wichtige Elemente des denkmalgeschützten Landschaftsparks wie etwa der Rosengarten aufgewertet werden, sagte Murawski. Ob der Park auch für die Öffentlichkeit zugänglich wird, wie das noch vor den Terroranschlägen der RAF der Fall gewesen ist, ist noch nicht entschieden. „Wir prüfen das, soweit es die Sicherheit zulässt“, sagte Kretschmann.

Ab Mai 2013 sollen die Arbeiten in der Regierungszentrale beginnen, in der zweiten Jahreshälfte 2015 sollen sie beendet sein. Laut Murawski hatte bereits die alte Landesregierung vergleichbare Sanierungspläne in der Schublade. Deren Absicht, sie in Etappen umzusetzen, sei jedoch teurer als der Umbau in einem Zug.

Staatsministerium nicht in Kombination mit Verkaufsflächen vorstellbar

Murawski räumte ein, dass die grün-rote Regierungszentrale entgegen der ursprünglichen Absicht in einem Gebäudeensemble residiert, das eine „etwas bürgerferne Symbolik“ hat. Die Pläne, in die City zu ziehen, hätten sich jedoch zerschlagen. So habe ein Gespräch des Ministerpräsidenten mit der Spitze des Kaufhauses Breuninger ergeben, dass ein Umzug in das geplante Geschäftsareal am Karlsplatz nicht in Frage komme. „Breuninger geht davon aus, dass es dort Läden und Restaurants geben wird“, sagte Murawski mit dem Hinweis auf finanzielle Vorleistungen des Unternehmens. Das Staatsministerium sei aber nicht in Kombination mit Verkaufsflächen vorstellbar.

Der Planieflügel des Neuen Schlosses – ein weiterer Quartierwunsch des Regierungschefs – scheide aus sicherheitstechnischen Gründen aus. „Das hätte unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht und keine optimalen Arbeitsabläufe ermöglicht“, sagte Murawski. Deshalb sei es sinnvoller, in der Villa Reitzenstein zu bleiben. Der Witwensitz von Baronin Helene von Reitzenstein ist seit 1921 in Staatshand. Seit 1952 ist die Villa offizieller Amtssitz des baden-württembergischen Ministerpräsidenten.