Letzte Instanz Leipzig: Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass Kevine Umba N. keine deutsche Staatsbürgerin wird. Foto: dpa

Seit neun Jahren will der Bönnigheimer Vikar Ephrem Khonde die deutsche Staatsangehörigkeit für seine Adoptivtochter erstreiten. Nun scheiterte er vor Gericht – mit einer absurd klingenden Begründung.

Bönnigheim - Ephrem Khonde ist ein bescheidener, geduldiger Mann. Der 58-jährige Kongolese hat schon viel erlebt. Seit 2003 ist er deutscher Staatsbürger, hat fünf Jahre in Sindelfingen bei der katholischen Kirche als Pfarrer und als Krankenhausseelsorger gearbeitet und ist nun Vikar in Bönnigheim. Warmherzig und offen, so beschreiben ihn Weggefährten.

Die Gemeindemitglieder kennen Khonde als hilfsbereiten Mann, der für jeden ein aufmunterndes Wort hat. Doch nun muss sich der Geistliche selbst trösten. Sein großer Wunsch, dass seine bei ihm lebende Adoptivtochter ebenfalls den deutschen Pass bekommt, wird sich erst einmal nicht erfüllen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in letzter Instanz entschieden.

Ephrem Khonde, der bis 2014 noch als katholischer Pfarrer in Sindelfingen gearbeitet hat, ist zugleich der Onkel und Adoptivvater von Kevine Umba N., die im Juni 1993 geboren wurde. Die 24-jährige Frau hat ein tragisches Schicksal im Kongo erlebt, einem von Krieg und Machtkämpfen zerrissenen Staat im Herzen von Afrika. Ihre Eltern verlor sie früh, als sie noch minderjährig war. Ephrem Khonde übernahm dann 2004 die Vormundschaft für seine Nichte.

Ein Mann mit großem Herz

Ephrem Khonde stammt aus Boma im westlichen Kongo und hat sechs Geschwister. Sein Vater war Lehrer. Er selbst wurde später Ministrant. „Schon als Kind wollte ich immer Priester werden“, erzählte er bei seinem Abschied in Sindelfingen. Zum Studium der Philosophie war er nach München gekommen und blieb in Deutschland. Nach Stationen in Göppingen und Sindelfingen kam er nach Bönnigheim und wohnt inzwischen in Walheim.

Das Schicksal der 24-jährigen Kevine Umba N. liegt ihm am Herzen. „Sie hat im Kongo nur noch ihre Geschwister und sonst keine Verwandten“, sagt der 58-Jährige. Ihr Vater starb bereits 1997. Im November 2004 dann auch ihre Mutter – Khondes Schwester. Der Geistliche adoptierte das Mädchen zwei Jahre später. Allerdings nach kongolesischem Recht.

Und eben das führte letztlich dazu, dass der Erste Senat des Bundesverwaltungsgerichts nun entschieden hat, dass Kevine Umba N. keine deutsche Staatsangehörigkeit erhält. Der Grund liegt darin, dass nach dem Recht des Kongo bei einer Adoption die Beziehungen zu den leiblichen Eltern „nicht vollständig erlöschen“ – selbst wenn die Eltern gestorben sind. Eine schwer zu verstehende rechtliche Semantik.

Doch hier greifen deutsches und kongolesisches Recht aneinander vorbei. „Die Adoption eines minderjährigen Kindes im Ausland durch einen Deutschen führt für das Kind in aller Regel nur dann zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit, wenn die Auslandsadoption auch zum Erlöschen des Eltern-Kind-Verhältnisses zu den leiblichen Eltern führt“, sagte der Vorsitzende Richter Uwe-Dietmar Berlit bei der Urteilsverkündung in Leipzig.

Das hatten bis dahin untere Instanzen noch anders gewertet. Der Gang durch den Behörden-Dschungel begann bereits vor neun Jahren. Zunächst wandten sich Khonde und seine adoptierte Tochter an das Amtsgericht Stuttgart. Das entschied im Oktober 2008, dass durch die Adoption das Eltern-Kind-Verhältnis zwar fortbestehe, gleichzeitig die Adoption aber hinsichtlich der elterlichen Sorge und Unterhaltspflichten „einer deutschen Adoption gleichsteht“. Familienrechtlich war der Fall also wie eine Adoption in Deutschland behandelt worden, Khonde hatte als Adoptivvater die entsprechenden Pflichten.

Kampf durch den Behörden-Dschungel

Im August 2011 beantragte er für seine Nichte und Adoptivtochter einen deutschen Staatsangehörigkeitsausweis. Dies lehnte das Bundesverwaltungsamt allerdings im Jahr 2012 ab. Die Behörde verwies darauf, dass die Adoption nur in eine nach deutschem Recht hätte umgewandelt werden können, wenn die junge Frau vor ihrem 18. Geburtstag einen entsprechenden Antrag gestellt hätte. Dies hätte sie demnach vor Juni 2011 tun müssen, was aber nicht geschehen ist.

Die deutsche Botschaft in Kinshasa erteilte Kevine Umba N. im November 2012 aber ein Visum, damit reiste sie zwei Monate später nach Deutschland ein. Seitdem lebt sie bei ihrem Adoptivvater Ephrem Khonde in Walheim und studiert derzeit in Stuttgart Pädagogik.

Gericht: Abstrakte Betrachtung notwendig

Im Mai 2013 erhob Kevine Umba N. beim Verwaltungsgericht Köln Klage gegen das Bundesverwaltungsamt. Die Kölner Richter entschieden im April 2014 zugunsten der Frau. Da die Behörde damit nicht einverstanden war, legte sie Berufung am Oberverwaltungsgericht Münster ein und gewann dort im Juli 2016. Es folgte die Revision am Bundesverwaltungsgericht.

„Das Eltern-Kind-Verhältnis der Klägerin zu ihren leiblichen Eltern ist nicht erloschen“, fasste der Vorsitzende Richter Berlit in der Urteilsbegründung zusammen. Bei der Beurteilung der Wesensgleichheit einer Auslandsadoption bedürfe es einer „abstrakten Betrachtung“, die nicht danach differenziere, ob im konkreten Fall ein oder beide leiblichen Elternteile verstorben oder verschollen seien.

Das versteht Ephrem Khonde beim besten Willen nicht. „Wir sind sehr enttäuscht“, sagt der 58-Jährige. Immerhin darf Kevine Umba N. erst mal in Deutschland bleiben und ihr Studium beenden.