Vielen Abgeschobenen drohen in ihrer Heimat Repressalien, zum Beispiel dem vietnamesischen Autor Nguyen Quang Hong Nhan. Foto: dpa

Bayern schiebt den Literaturnobelpreis-Kandidaten Nguyen Quang Hong Nhan nach Vietnam ab. Dort gilt er als Volksfeind.

Stuttgart - Abgeholt haben sie ihn, sagt sein Anwalt, ohne Vorwarnung. Und kurze Zeit später fand sich Nguyen Quang Hong Nhan zusammen mit seiner Frau im Abschiebeflugzeug nach Vietnam wieder – und das, obwohl die Regierung in Hanoi ihn den „Volksfeinden“ und zu den „antivietnamesischen Kräften“ zählt. Für die deutschen Asylrichter wiederum zählte das nichts. Und die in diesem Fall zuständige Ausländerbehörde in Nürnberg teilt mit, sie könne nichts machen; man sei ja „nur Vollzugsbehörde“ des Bundesamts für Asyl und Migration (BAMF) und an dessen Ausweisungsbescheide gebunden. Nguyen Quang Hong Nhan ist Schriftsteller, Blogger und Verteidiger der Menschenrechte. Er gehört zu den bekanntesten, renommiertesten Autoren in seinem Land; laut „taz“ war er schon zweimal für den Literaturnobelpreis nominiert. Mehr als zwanzig Bücher hat Nguyen geschrieben. Fast ebenso viele Jahre habe er, so meldet die „taz“ weiter, wegen „Propaganda gegen den sozialistischen Staat“ im Gefängnis gesessen.

Das sei alles Vergangenheit, befand wiederum das Verwaltungsgericht in Deutschland, bei dem der Schriftsteller seinen Asylantrag gestellt hatte; heute, so die Richter, interessiere sich die Regierung in Hanoi nicht mehr für den Mann. Folge: keine politische Verfolgung, keine persönliche Gefährdung, kein Abschiebehindernis. Aber warum steht Nguyen samt Frau und Tochter dann immer noch als „Volksfeind“ auf der Website der vietnamesischen Regierung?

Stundenlange Verhöre

Die Tochter: Ihr verdankt es der Schriftsteller, dass er 2015 in den Westen reisen konnte. Die heute 19-jährige gilt als musikalisch hochbegabt; sie durfte an Klavierwettbewerben in Europa teilnehmen. Heute studiert sie Musik in Nürnberg – und ist offenbar nur deswegen der Abschiebung entgangen, weil sie keinen vietnamesischen Pass hatte. „Das Auseinanderreißen der Familie und die Abschiebung der Eltern waren ein schwerer Schlag für sie“, sagt der Anwalt Manfred Hörner.

„Nicht nachvollziehbar“ findet der Jurist auch, warum unbedingt jetzt abgeschoben werden musste: Der Asylfolgeantrag laufe ja noch; außerdem habe die Familie beantragt, nach Kanada weiterziehen zu dürfen. Die Behörden dort hätten dem wohl entsprochen. Hörner sagt, zum letzten Mal habe ihn die Nürnberger Ausländerbehörde im Oktober vergangenen Jahres kontaktiert. Mit anderen Worten: Sie kann über den aktuellen Stand von Nguyens Bemühungen nichts gewusst haben. Und der Schlaganfall, den der Schriftsteller erlitten hat, der spielte auch keine mildernde Rolle: die Reisefähigkeit sei, wie immer bei der „Durchführung von Aufenthaltsbeendigungen“, geprüft worden, teilt die Nürnberger Ausländerbehörde mit.

Immerhin: Nguyen ist in Vietnam offenbar nicht verschwunden. Man habe ihn stundenlang verhört, dann aber freigelassen, sagt Anwalt Hörner, und die Tochter stehe in Kontakt mit ihrem Vater. Und aus dem BAMF kam am Dienstag Abend die Auskunft, man habe „die aktuelle Medienberichterstattung zum Anlass genommen, sich das Verfahren nochmals näher anzusehen.“ Anwalt Hörner sieht das hoffnungsfroh und zwiespältig zugleich: Die vietnamesische Regierung nehme ja durchaus zur Kenntnis, was im Ausland über sie geschrieben werde. Es könne also sein, dass die öffentliche Aufmerksamkeit eine erneute Gefährdung für Nguyen bedeute – dass andererseits das BAMF gerade diese erhöhte Gefährdung zum Anlass nehme, seinen Bescheid zu revidieren. Dann bekäme Nguyen die Chance, nach Deutschland zurückzukehren. Womöglich. Vielleicht.