Das Mekong-Delta bietet noch die Bilder, die sich Reisende von Vietnam erhoffen: Wie beispielsweise Frauen mit den traditionellen Spitzhüten. Foto: Warth

Mitten im Dschungel: Zu Besuch bei den Tempelwächterinnen von Mieu Ba. 

Vietnam - Die Tempelwächterinnen von Mieu Ba haben nicht oft Besuch. Das Dschungelgestrüpp und die holprigen Wege entlang der Reisfelder halten vieles zurück: Reisende, aber auch die Meldungen von Krieg, Atomkatastrophen oder Börsencrashs verlieren sich in diesem immergrünen Wald, an dessen Rand sich dieser heilige Platz befindet. Ein gemauerter Altar steht dort, nicht viel größer als ein Schuhschränkchen und flankiert von steinernen Tigern. Doch die wahren Aufpasser sind drei alte Damen. Ruhig sitzen sie vor dem Schrein auf einem Bänkchen und werden erst beim Anblick der Reisenden geschäftig, servieren grünen Tee in eilig ausgespülten Gläsern und zuckrige Kekse in Zellophan. „Xin Chao“, sagen sie. „Willkommen.“

Man reicht sich also die Hand, die eine blass, die andere braun und runzlig wie Dörrobst. „Schau nur unsere Hände an“, sagt eine der Alten, und ihre Runzeln verziehen sich zu einem Grinsen. Fast ihr ganzes Leben hat sie auf dem Feld verbracht und für ihre Familie gesorgt. Nun ist sie weit über 80 Jahre und hätte auch Zeit, in die Stadt zu gehen, liegt doch Can Tho nicht mal 20 Kilometer weit weg. Doch die Alte schüttelt den Kopf. „Das Leben da draußen“, sagt sie und hebt abwehrend ihren faltigen Arm, „ist nichts für uns.“

Im Gegensatz zum vietnamesischen Norden, der der Zukunft entgegenstürmt, haben die Vietnamesen im Süden der Welt lange den Rücken zugekehrt. Es ist der Mekong, der hier alles Leben bestimmt. Und der Fluss fließt ruhig dahin – 4500 Kilometer weit von China bis nach Vietnam. Dort teilt er sich in zahlreiche Arme und wird breit wie ein Meer. Mutter aller Flüsse wird er daher auch genannt. Oder der Fluss der neun Drachen.

Die Menschen, die sich in Pfahlbauten an seinen Ufern niedergelassen haben, leben recht amphibisch von selbst gezogenem Reis sowie gefangenen Fischen und Schildkröten. Von den kleinen Kreuzfahrtschiffen aus dunklem Teak, mit denen die Touristen üblicherweise den Mekong entlangschippern, sieht das alles ganz wunderbar aus. Wie ein Film, der ruhig an einem vorbeizieht und die Bilder bietet, die man sich von Vietnam erhofft: schwimmende Märkte, Reisfelder, Frauen mit Spitzhüten und Fischer, die Tonne um Tonne frischen Fischs auf Holzstangen über glitschige Stege balancieren. Doch wer sich ein Fahrrad schnappt und durch die Dörfer radelt, erkennt die harte Wirklichkeit, die sich hinter dem Postkarten-Idyll versteckt.

Auf einer Kokosnussplantage werden braune Nüsse zu Tausenden geknackt. Junge Männer und Frauen hauen seit Mitternacht mit Wucht die Nüsse auf einen Spieß in der Erde, reißen die Schale ab und werfen die Nüsse auf einen Haufen. Ihr Arbeitstag ist fast zu Ende, da ist die Sonne hinter dem Palmenwäldchen gerade aufgegangen. Die Nüsse werden auf Schiffe verladen und zu Fabriken gebracht, die die Milch zu Butter oder Süßigkeiten verarbeiten. Die Fasern der Schalen trocknen derweil in der Sonne. Aus ihnen werden Schuhabstreifer für den europäischen Markt hergestellt. Harte Arbeit. „Aber so verdienen wir Geld“, sagt ein Arbeiter.

Es geht auch anders: Im Mekong-Delta leben sozusagen mehrere Tausend Ich-AGs. Bootsbesitzer werden zu Fährmeistern, verstauen Räder und Mopeds auf dem Deck und setzen sie ans andere Ufer über, andere klauben Plastikmüll zusammen oder firmieren am Straßenrand als Gepäckträger.

Unter einem Holzunterstand sitzt Thi Tho Nguyen an einem Webstuhl. Mit flinken Fingern schiebt sie das Schiffchen von links nach rechts. Reihe für Reihe. Büschelweise Schilfgras verwebt sie zu bunten Matten, die dann auf dem Markt im Dorf feilgeboten werden. Wenn sie von sechs Uhr morgens bis nachmittags um vier Uhr arbeitet, schafft sie drei Matten pro Tag. So verdient die alleinerziehende Mutter das Geld. Viel ist es nicht, was ihr zum Leben reichen muss, knapp zehn Dollar pro Tag. Hundert Meter weiter flussaufwärts werden wieder Matten hergestellt. Wer an der kleinen Fabrik vorbeifährt, kann das Rattern der vollautomatischen Webstühle hören. Sie verwandeln 180 Kilo Schilf in etwa 60 Matten im Akkord.

Und doch sind die Menschen froh um jeden Touristen, der sich abseits auf ausgetretenen Pfaden mit dem Fahrrad oder Boot entlang des Mekongs bewegt. Auch sie wollen ihr Leben mit dem Tourismus bestreiten wie der Norden – wenn auch nicht nach dessen Vorbild. Hier gibt es keine filmreifen Buchten wie bei Ha-Long, keine vergessenen Königspaläste wie die von My Son und moderne Städte wie Hanoi. Und so versuchen die Reiseagenturen das zu nutzen, was sich Touristen im Norden so selten bietet: einen Einblick in das einfache Leben der Menschen, die im Delta wohnen.

Wer bei Coung Ba Nguyen übernachtet, bekommt zwar kein Sterne-Menü wie in den schicken Hotels von Can Tho serviert, dafür aber die Zutaten für Frühlingsrollen zum Selbermachen. Hier ist der Gast Familienmitglied – und hilft als solches mit. Seit November 2009 probiert sich Coung Ba Nguyen an dieser Form des Öko-Tourismus. „Noch sind wir auf die Vermittlung über Agenturen angewiesen“, sagt er. Die Ausbeute ist mager: zwei bis vier Gäste pro Monat. Der Hausherr gibt sich optimistisch: In dieser abgelegenen Gegend ist das schon ein Anfang.

Am Tempel Mieu Ba wird Tee nachgeschenkt. Die betagten Wächterinnen erzählen von ihrem Dorf. Nur noch wenige Junge leben dort, sie zieht es hinaus in die Städte, in die Moderne. Zurück bleiben die Alten mit ihren Traditionen und ihren Göttern. Ein kurzer Blick zum Altar, dann greifen sie nach den Bananen, die kurz zuvor ein Bittsteller geopfert hat. Entweder der Tigergott mag keine Bananen, oder den alten Damen ist das Wohl der weit gereisten Gäste wichtiger. Auf dass sie wiederkommen.

Can Tho

Anreise
Das Mekong-Delta liegt im Süden Vietnams und ist von Ho-Chi-Min-Stadt (Saigon) auf dem Landweg zu erreichen. Von Deutschland aus bietet Vietnam Airlines ab Frankfurt drei Direktflüge nach Ho-Chi-Min-Stadt pro Woche an. Kosten ab 749 Euro, www.vietnam-air.de. Touristen benötigen ein Visum, das bei der Botschaft in Berlin angefordert werden kann, www.vietnambotschaft.org. Impfungen sind nicht notwendig.

Reisezeit
Im Süden Vietnams herrscht tropisches Klima mit ganzjährig hochsommerlichen Temperaturen zwischen 26 und 40 Grad. Die beste Reisezeit ist von November bis März, wenn die Niederschlagsmengen am geringsten sind. Im April und Mai ist mit den höchsten Temperaturen zu rechnen, in den Sommermonaten regnet es regelmäßig und viel, zudem ist die Luftfeuchtigkeit sehr hoch.

Unterkunft
Reisende haben die Möglichkeit, in Drei- bis Fünf-Sterne-Hotels unterzukommen. In Ho-Chi-Min-Stadt bietet sich das Renaissance Riverside (ab 80 Euro) an, www.renaissancehotels.com. Für einen Luxusaufenthalt in Can Tho empfiehlt sich das Victoria Can Tho (ab 160 Euro), www.victoriahotels-asia.com. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, bei einheimischen Gastfamilien zu übernachten, beispielsweise über www.asiatica-travel.de.

Währung
In Vietnam wird mit Dong gezahlt. Ein Euro entspricht derzeit rund 30000 Dong. Neben dem Dong ist der US-Dollar inoffizielles Zahlungsmittel. Es bietet sich an, einige US-Dollar-Scheine in bar mitzunehmen, da diese überall getauscht werden können.

Rundreise
Das Mekong-Delta ist Teil einer 15-tägigen Tour durch Vietnam des Veranstalters Marco-Polo-Reisen, Kosten ab 2139 Euro. Im Preis inbegriffen sind die Flüge, Transportkosten, Übernachtungen und eine Deutsch sprechende Reiseleitung. Wer möchte, kann für 69 Euro eine Radtour ins Hinterland von Can Tho unternehmen oder auch eine Kreuzfahrt auf dem Mekong buchen, ab 319 Euro pro Tag. Weitere Infos unter www.marco-polo-reisen.de. Auch der deutsch-vietnamesische Reiseveranstalter Mekong Eyes Cruises bietet Kreuzfahrten an, www.mekongeyes.com. Reisende können bis zu sechs Tage auf den in traditioneller Bauweise hergestellten Holzbooten verbringen und Ausflüge an Land unternehmen.

Was Sie tun und lassen sollten
Auf jeden Fall einen vietnamesischen Kochkurs bei einer Gastfamilie oder auf einer Kreuzfahrt buchen. Die Frühlingsrollen mit Meeresfrüchten und Minze sind das perfekte Essen für schwüle Tropenabende.

Auf keinen Fall es einem Einheimischen nachmachen und im Mekong baden. Die Wasserqualität des lässt zu wünschen übrig, zudem gibt es Parasiten.