Kanzler Olaf Scholz (SPD) schraubt bei einem Besuch Anfang August vorigen Jahres im Allendorfer Viessmann-Werk die letzte Schraube in eine Wärmepumpe. Foto: dpa/Nadine Weigel

Der traditionsreiche hessische Hersteller von Heizungsanlagen verkauft seine wichtige Klimasparte an die US-Konkurrenz. Nun wächst in Politik und Fachkreisen die Sorge um den Zukunftsbereich der Wärmepumpenfertigung in Deutschland.

Ausgerechnet jetzt: Der seit 1917 bestehende Heizungsbauer Viessmann will seine Klimasparte inklusive der Wärmepumpen bis Ende des Jahres nach Florida (USA) verkaufen und mit dem US-Konkurrenten Carrier Global einen weltweiten „Champion für Klima- und Energielösungen“ schaffen. Dabei hat die Bundesregierung doch gerade erst eine Reform des Energiegesetzes beschlossen, das die Umstellung von Heizungen auf erneuerbare Energien fördert und den Markt für umweltfreundliche Technologien – vor allem Wärmepumpen – sehr lukrativ macht. Diese Geräte sind ohnehin schwer zu bekommen. Werden die Knappheiten noch verschärft? Ein Überblick.

Was treibt Viessmann an? Der Deal wirkt wie Rettungsversuch der Hessen, um am Markt gegen die übermächtige Konkurrenz aus Asien zu bestehen. Doch die offizielle Begründung soll natürlich positiv wirken: „Durch den Zusammenschluss entsteht aus einer Position der Stärke heraus ein schnell wachsender Innovationsführer in einem hart umkämpften Markt“, verspricht Unternehmenschef Max Viessmann. Gemeinsam würden Carrier und Viessmann Climate Solutions mit rund 45 000 Mitarbeitenden einen Gesamtumsatz von umgerechnet gut 15,4 Milliarden Euro erwirtschaften. Der Kaufpreis für die Sparte mit rund 11 000 Beschäftigten wird mit zwölf Milliarden Euro angegeben. Max Viessmann zieht in den Verwaltungsrat der Amerikaner ein, die als Pionier der Klimaanlagentechnik gelten. Betont wird, dass die Viessmann-Gruppe vollständig im Besitz der Unternehmerfamilie bleibt.

Warum wirkt die Politik überrascht? Die Bundesregierung ist alarmiert: „Wichtig ist, dass die Vorteile unserer Energiepolitik und Gewinne, die damit erwirtschaftet werden, weiter dem Standort Deutschland zugutekommen“, sagt Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). „Wir werden uns das Vorhaben im Rahmen der vorgesehenen Prüfschritte anschauen und sind im Gespräch mit dem Verkäufer und dem Investor, damit das Projekt unserer Wirtschaft und dem Standort Deutschland dient.“

Wie steht die Branche aktuell da? Laut dem Beschluss des Bundeskabinetts muss vom 1. Januar 2024 an „möglichst jede neu eingebaute Heizung zu mindestens 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden“. Mit europaweiten Investitionen von gut fünf Milliarden Euro verließen sich die deutschen Hersteller darauf, „dass die Regelung jetzt wirklich kommt und einen klaren Rahmen für den weiteren Wärmepumpen-Ausbau schafft“, heißt es vom Bundesverband Wärmepumpe (BWP). Der Streit in der Ampelkoalition sei dabei „ein großes Hindernis“.

Die Hersteller würden in Erwartung der erhöhten Nachfrage ihre Absatz- und Produktionszahlen derzeit kontinuierlich steigern. Allein im ersten Quartal 2023 habe die Branche fast 100 000 Wärmepumpen ausgeliefert. Damit sei das Ziel für 2023 von 350 000 Pumpen ebenso in Reichweite wie die Zielvorgabe der Regierung, wonach im nächsten Jahr 500 000 Wärmepumpen installiert werden sollen.

Wie bewerten Energieexperten den Deal? „Der Markt für Wärmepumpen entwickelt sich sehr dynamisch – vor allem asiatische Hersteller werden auf dem deutschen Markt drängen und so für niedrige Preise sorgen“, sagte Claudia Kemfert, führende Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) unserer Zeitung. „Dies bedeutet, dass es für Verbraucher deutlich billiger werden wird, aber für Hersteller weniger Margen zu erzielen sein werden.“ Somit werde ein erheblicher Druck auf Hersteller ausgeübt, Kosten zu senken.

Es sei jedoch „für die deutsche Wirtschaft nicht gut, zum jetzigen Zeitpunkt das wertvolle Know-how im Wärmepumpen-Markt von Viessmann an andere Hersteller zu verlieren“, warnt sie. „Daher ist es sinnvoll, dass die Regierung prüft, ob und inwieweit verhindert werden kann, dass deutsche Unternehmen dem Markt verloren gehen.“ Es gelte vergangene Fehler nicht zu wiederholen – so wie beim Solarmarkt. Deutschland habe schon einmal einen Fehler gemacht, als sie fast die gesamte Solarindustrie nach Asien hat abwandern lassen. „Heute haben wir eine ungünstige hohe Abhängigkeit und sollten Sorge tragen, dass Solarhersteller nach Deutschland und Europa zurückkommen.“ Gleiches gelte nun auch für den Wärmepumpen-Markt, sagte Kemfert. In geopolitisch schwierigen Zeiten sollten strategisch wichtige Unternehmen im Markt gehalten werden – und es gelte zu prüfen, „ob nicht der deutsche Staat selbst sich an derartigen Unternehmen beteiligt.“

Wie steht es um die Arbeitsplätze? Viessmann und Carrier haben sich auf diverse Garantien verständigt: für drei Jahre werden betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen, fünf Jahre werden die wichtigsten Produktions- und Entwicklungsstandorte geschützt und zehn Jahre der Hauptsitz im hessischen Allendorf. Erst im Juli 2022 hatte Viessmann den Bau für ein neues Werk in Polen begonnen. Mit einer Gesamtinvestition von einer Milliarde Euro werde über drei Jahre in den Ausbau von Wärmepumpen und grünen Klimalösungen investiert, hieß es – 200 Millionen Euro fließen nach Legnica.

Auch die IG Metall warnt: „Die Hersteller von Wärmepumpen sind Teil einer Schlüsselindustrie für den Umbau der Energieversorgung – auch im Fall eines Verkaufs dürfen Kompetenzen nicht verloren gehen, sondern müssen gehalten, ausgebaut und gefördert werden“, sagte der Bezirksleiter Jörg Köhlinger unserer Zeitung. „Das sichert Arbeitsplätze und es entstehen erst gar keine neuen Abhängigkeiten.“ Falsche industriepolitische Entscheidungen hätten schon einmal einer Zukunftsbranche, wie der Solarindustrie und Fotovoltaik, geschadet. „Das darf sich nicht wiederholen,“ mahnte der Metaller.