Die blauen Aufkleber im Bahnhof Südkreuz signalisieren: Hier wird gefilmt. Foto: dpa

Datenschützer sind skeptisch: An einem Berliner Bahnhof beginnt ein Pilotversuch zur Gesichtserkennung. Fast 300 Freiwillige machen mit. Die Bundespolizei will moderne Überwachungstechnik testen.

Berlin - Am Berliner Bahnhof Südkreuz hat am Dienstagmorgen ein Pilotversuch zur Erkennung von Gesichtern mit Videokameras begonnen – begleitet von Protest und rechtlichen Bedenken von Datenschützern. Mit Hilfe von 275 Freiwilligen erprobt die Bundespolizei sechs Monate lang eine Software zur Gesichtserkennung. Vier Videokameras spüren Gesichter in der Masse auf. Auch das Bundesinnenministerium, das Bundeskriminalamt und die Deutsche Bahn sind mit an Bord des Feldversuchs. Von den Freiwilligen waren zuvor Fotos gemacht worden, die auch ihre biometrischen Daten erfassten. In einer Datenbank werden sie für den späteren Abgleich gespeichert.

Die Videokameras in der Westhalle des Bahnhofs – nicht auf den Bahnsteigen – sollen Aufnahmen von den Menschenmassen machen, und die Freiwilligen herausfiltern. Die überwachten Bereiche sind extra markiert mit blauen Aufklebern. Dort, wo die Kameras nicht filmen, gibt es weiße Aufkleber. Wer will, der kann der Überwachung also aus dem Wege gehen. Das Ziel der „Erprobung intelligenter Videotechnik zur Gesichtserkennung“ ist herauszufinden, wie gut die Technik der Wiederkennung funktioniert an einem Ort wie dem Bahnhof Südkreuz, der von täglich 100:000 Menschen besucht wird.

Die Polizei erhofft sich Fahndungserfolge

Die Bundespolizei verbindet große Hoffnungen mit dem Projekt: In ferner Zukunft könne man damit „Personen, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen“ erkennen. Betreten sie den Bahnhof, könnten sie rasch dingfest gemacht werden. Außerdem könnten „mögliche Gefährder“ vor einem geplanten Anschlag ermittelt und gefasst werden. Noch ist das Ganze aber im frühen Versuchsstadium. Die Berliner Datenschutzbeauftragte Maja Smoltzky wies im Sender rbb darauf hin, dass eine flächendeckende Einführung der Gesichtserkennung noch gar nicht erlaubt sei, weil es dafür keine gesetzliche Grundlage gebe. Smoltzky ist von dem Versuch übrigens wenig begeistert: „Die große Gefahr besteht darin, dass umfangreiche Bewegungsprofile von Bürgerinnen und Bürgern erstellt werden können.“ Dadurch werde das Recht infrage gestellt, sich „frei und unbeobachtet“ in der Öffentlichkeit zu bewegen.

Eine Initiative „Freiheit statt Angst“ protestiert

Gegen den Versuch hatte auch die Berliner Initiative „Freiheit statt Angst“ zum Protest aufgerufen. Die neue Technik überwache nicht nur Menschen, von denen eine Gefahr ausgeht, hieß es: „Unschuldige geraten in das Visier von Behörden.“ Auch der Deutsche Anwaltverein sieht die Überlegungen zu einer flächendeckenden Gesichtserkennung in der Öffentlichkeit kritisch. Dagegen habe man „verfassungsrechtliche Bedenken“, teilte er der Agentur AFP mit. Datenschützer sehen vor allem das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung berührt. Denn die Software ermögliche neben der Beobachtung auch die Identifizierung von Menschen mithilfe biometrischer Daten.

Die „freiwillig“ Beobachteten vom Südkreuz erhalten übrigens kein Geld fürs Mitmachen. Aber wer an mindestens 25 Tagen sein Gesicht erkennen lässt, der bekommt dafür einen Amazon-Gutschein über 25 Euro. Die drei Testpersonen, die in dem halben Jahr am häufigsten gefilmt werden, bekommen Sonderpreise wie beispielsweise eine Apple-Watch.