Es spricht: BMG-05.01 alias Jens Spahn, dritte Reihe von oben, Zweiter von links. Foto: Judith A. Sägesser

Die Corona-Pandemie hat Videokonferenzen zum Standard gemacht. Das birgt Chancen. Zum Beispiel, dass sich Jens Spahn schneller die Zeit nehmen kann, um mit der CDU-Basis eine Stunde lang zu plaudern.

Esslingen/Böblingen - Jens Spahn ist fast pünktlich. „Ich komme gerade aus einer internationalen Konferenz“, sagt der Bundesgesundheitsminister. Und jetzt ist er in eine Videokonferenz der CDU-Kreisverbände Esslingen und Böblingen zugeschaltet. Um 17.04 Uhr am vergangenen Freitag sind 84 Teilnehmer in der Schalte, die Zahl wird in der nächsten Stunde noch leicht steigen. Stargast des Abends: Jens Spahn, den man jetzt alles fragen kann.

Spahns Hintergrundbild sieht zwar aus wie in der Tagesschau, und auch seine Aussagen zur Pandemie meint man wortgleich schon in der Presse vernommen zu haben. Trotzdem schimmert etwas mehr Lockerheit durch. Spahn sagt mehrmals „okidok“ und kommentiert einen irrtümlicherweise geteilten Bildschirm so: „Der macht viel Online-Shopping.“

„Ich kriege in kürzester Zeit jeden Referenten“

Einen Minister wie Spahn in eine eher lokal angehauchte Videokonferenz zu bekommen, ist einfacher geworden. „Das war eine typische Wahlkreisveranstaltung“, sagt Michael Hennrich, CDU-Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Esslingen-Nürtingen. Und trotzdem macht Corona alles anders. Die Videokonferenz etabliert sich in immer mehr Bereichen, auch bei Partei-Veranstaltungen. Das bringt klare Vorteile. „Es erleichtert vieles“, sagt Michael Hennrich. „Ich kriege in kürzester Zeit jeden Referenten, den ich will.“ Norbert Röttgen war schon da, und er habe eine Zusage von Peter Altmaier und Dorothee Bär.

Der CDU-Politiker Michael Hennrich glaubt trotzdem, dass persönliche Treffen in einer Post-Corona-Zeit wieder an Bedeutung gewinnen. „Das Zweiergespräch beim Vierteletrinken, das Von-Tisch-zu-Tisch-Gehen“, sagt der CDU-Politiker. Er denkt deshalb, dass es langfristig beides geben wird, den Vor-Ort-Termin und die Videoschalte. Zu Letzterer könne er noch eine Anekdote erzählen, sagt Michael Hennrich. An einem Montag hatte er um 10 Uhr Vorlesung in Nürnberg. Wäre er hingefahren, wäre er sonntags angereist und hätte im Hotel übernachtet, am Montagnachmittag wäre er wieder zu Hause gewesen. Weil aus der Vorlesung eine Videokonferenz geworden war, befand er sich an jenem Tag im Urlaub. Um 9.30 Uhr habe er gefrühstückt, um 11 Uhr ging’s auf eine Wanderung in die Berge. Für Jens Spahn hieß die Zusage bei den CDU-Kreisverbänden Esslingen und Böblingen, dass er eine Stunde investieren musste. Vermutlich saß er bei der internationalen Konferenz zuvor auf dem gleichen Platz.

Der Apotheker saß dort im Kittel

Matthias Gastel, Grünen-Bundestagsabgeordneter aus Filderstadt, lädt inzwischen auch regelmäßig zu Videokonferenzen. Vergangene Woche waren der Ärztliche Direktor und die Pflegedienstleiterin aus der Filderklinik sowie ein Apotheker aus Filderstadt zugeschaltet. Der Apotheker saß dort zum Beispiel im Kittel, er hatte sich für die Konferenz kurz ins Lager verzogen. Hätte er zu einer Präsenzveranstaltung gemusst, „wäre das mehr Aufwand gewesen“, sagt Matthias Gastel. „So sind sie einfach eine Stunde kurz aus ihrem Alltag raus.“ Gastel hat beobachtet, dass bei Videokonferenzen „ein ständiges Kommen und Gehen“ herrsche. Er stelle sich dann vor, dass die Leute in der Bahn einschalten und sich beim Aussteigen wieder ausklinken. Das sei eine ganz neue Art, Menschen zu erreichen.

Bundestagslaptops ohne Kamera

Nach dem Lockdown im Frühjahr sei die erste Reaktion gewesen: „ausfallen lassen“, erinnert sich Matthias Gastel. Heute werden Videokonferenzen langsam zum Standard, doch anfangs haperte es auch an der Technik. Die Bundestagslaptops hätten zum Beispiel keine vorinstallierte Kamera, erzählt der Grünen-Politiker. Doch inzwischen läuft’s. „In Summe habe ich mehr Veranstaltungen gemacht als sonst“, sagt er. Und man erreiche mehr Menschen als mit Präsenzveranstaltungen.

Wie es der Zufall will, wäre Jens Spahn übrigens an jenem Freitag, als er mit den Leuten aus den Kreisen Esslingen und Böblingen plauderte, eigentlich leibhaftig auf den Fildern gewesen. Beim CDU-Parteitag an der Messe. Die Veranstaltung wurde aber abgesagt. Gut für die beiden CDU-Kreisverbände, weil sich so in Spahns Terminkalender eine Lücke ergeben haben dürfte, in der der Gesundheitsminister trotzdem einen kleinen Abstecher in der Region gemacht hat.