Den Ball fest im Blick: Daniel Didavi kämpft mit dem VfB um die letzte Chance auf den Klassenverbleib. Foto: Baumann

Der Aufsichtsrat des VfB Stuttgart will eine schonungslose Aufarbeitung der Krise – und Ex-Trainer Felix Magath spricht darüber, was die Roten vor dem letzten Saisonspiel noch tun können.

Stuttgart - Der Schock über den drohenden Abstieg nach zuletzt 41 Jahren Bundesligazugehörigkeit sitzt beim VfB Stuttgart tief. Dennoch will der Fußball-Bundesligist nicht in Lethargie verfallen. Doch die Medien kommentieren kritisch, und der Aufsichtsrat verlangt eine schonungslose Aufarbeitung der Dauerkrise – sowie Lösungen für die Zukunft. Allerdings soll dies alles erst nach dem Spiel am Samstag beim VfL Wolfsburg passieren. So lange gilt: Wunden lecken, sich wieder sammeln und den Blick nach vorne richten.

Aussichten

Der aus den drei Wirtschaftskapitänen Martin Schäfer (Würth), Wilfried Porth (Daimler) und Hartmut Jenner (Kärcher) bestehende Aufsichtsrat hat es zu seinem Geschäftsprinzip erhoben, sich öffentlich nicht zu den Vorgängen und Planspielen beim VfB zu äußern. Das bedeutet aber nicht, dass das Kontrollgremium die Entwicklung nicht kritisch verfolgen würde. So muss der Vorstand mit dem Präsidenten Bernd Wahler im Falle des am Samstag feststehenden Abstiegs dem Aufsichtsrat erklären, wie es so weit kommen konnte. Dazu wird auch der eine oder andere Spielertransfer hinterfragt.

Gegen Ende der nächsten Woche wollen Schäfer, Porth und Jenner dann bekannt geben, ob daraus personelle Konsequenzen auf der operativen Führungsebene des Clubs hervorgehen – speziell was die Perspektive von Wahler und des Managers Robin Dutt betrifft. Als neuer ehrenamtlicher Präsident wird bereits Jenner gehandelt, wobei der Wechsel satzungsgemäß erst auf der Mitgliederversammlung am 17. Juli vollzogen werden könnte.

Viel früher entscheidet der VfB, wer die neue Saison verantwortlich plant. Dabei steht Dutt vor der Ablösung. Wenn er verabschiedet wird und wenn der Abstieg auch besiegelt ist, müsste sich sein Nachfolger definitiv in der zweiten Liga auskennen und einen dazu passenden Trainer verpflichten. Denn dass Jürgen Kramny bei diesem Worst Case weitermachen dürfte, gilt als ausgeschlossen. Ein Managerkandidat wäre Jens Todt, der aktuell auf dieser Position beim Karlsruher SC tätig ist und einst beim VfB gespielt hat. Als Trainer kämen eventuell Markus Gisdol (zuletzt 1899 Hoffenheim, zurzeit ohne Club) und Dirk Schuster (Darmstadt 98) in Betracht.

Eine Rolle in diesem Prozess spielt auch Karl Allgöwer, der bisher als externer Berater für den VfB tätig ist. Der frühere Stuttgarter Profi wird jetzt in die Analyse des Saisonverlaufs und in die Aussprache nächste Woche eingebunden. „Da wird es sicher nicht sehr freundschaftlich zugehen, aber damit muss man professionell umgehen und dementsprechend handeln“, sagt Allgöwer, der beim VfB „keine Alibifunktion“ übernehmen will. Dass er jedoch wie kolportiert neuer Manager werden könnte, ist sehr unwahrscheinlich. Vielmehr dürfte Allgöwer als Sportverantwortlicher in den Aufsichtsrat rücken – was aber wiederum auch nur die Mitgliederversammlung am 17. Juli beschließen kann.

Atmosphäre

Ein bisschen Spaß muss sein. Denkt sich Timo Baumgartl und verlängert das Training am Montag noch um etliche Minuten. Gemeinsam mit dem Athletiktrainer Chima Onyeike sowie den Mitspielern Matthias Zimmermann, Philip Heise und Jan Kliment geht es ans beliebte Lattenschießen aus 16 Metern. Treffen und lachen – schließlich soll ein wenig Spielfreude zurückkehren und die Enttäuschung über den drohenden Abstieg, so weit es eben geht, vertrieben werden.

Und während die Spieler nicht den Kopf in den Sand stecken wollen, ist ein paar Meter weiter auf der Geschäftsstelle auch keiner der Vereinsmitarbeiter unter dem Schreibtisch entdeckt worden. Der Zuspruch untereinander ist groß, der Zusammenhalt wächst wieder. So soll nach dem 1:3-Debakel am Samstag gegen den FSV Mainz und der deprimierenden Aufarbeitung auf der Führungsetage am Sonntag das Stimmungsbarometer langsam wieder steigen.

Also ist mehr und mehr von der letzten Chance die Rede. Am Samstag, in Wolfsburg, ein Stuttgarter Sieg und gleichzeitig gewinnt Frankfurt in Bremen. So viel muss da ja gar nicht zusammenkommen, um die Relegation zu erreichen. Oder doch? An die Mannschaft glaubt nach zuletzt fünf Niederlagen hintereinander außerhalb des Vereins niemand mehr. Doch im Club wollen sie sich nicht nachsagen lassen, es nicht bis zur allerletzten Minute versucht zu haben, den Absturz zu verhindern.

Das Medienecho rund um den VfB und was Felix Magath zur prekären Situation sagt

 

Die Schlagzeilen beherrschen vor dem 34. Spieltag noch die anderen: Der Meister FC Bayern oder die spannenden Trainerfragen (Weinzierl, Breitenreiter). Es scheint, als behielten die Zeitungen ihren großen Stuttgarter Abstiegsreport noch in der Schublade. Dass es für den VfB nach der Niederlage gegen Mainz aber wohl nach unten geht, darin sind sich von Hamburg („Spiegel“) bis München („Süddeutsche Zeitung“) alle einig.

„Stuttgart 41“ titelt die SZ und spielt auf die Jahre in der Bundesliga seit dem bislang einzigen Abstieg 1974/75 an. „Eine historische Dimension“, findet das Blatt aus München und meint eine Erklärung in dem ewig währenden Existenzkampf gefunden zu haben: „Viele Spieler wirken morsch und mürbe, sie haben sich aufgezehrt in den jahrelangen Anstrengungen gegen den Abstieg. Irgendwann ist der Geist müde von den vielen, immer neuen Parolen.“

Der „Kicker“ macht den Niedergang des VfB vor allem am Sportchef fest, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ nimmt die komplette sportliche Führung in Sippenhaft („Ohne strategischen Weitblick“). Die „Frankfurter Rundschau“ mag kaum glauben, was seit dem Jahr 2007 alles passiert ist. „Stuttgart, neun Jahre danach“, lautet die Überschrift zu dem Artikel, der sich mit dem Niedergang seit der Meisterschaft befasst: „Es ist viel zu Bruch gegangen an diesem sonnigen Nachmittag in Stuttgart, dort, wo vor neun Jahren ein Autokorso mit Meisterspielern nur im Schritttempo vorankam. Abwärts ging es in diesem Frühjahr viel, viel schneller.“

Außenansicht

Felix Magath verfolgt die Entwicklung beim VfB mit Interesse. Schließlich hat er den Club im Mai 2001 in einer prekären Lage schon einmal vor dem Abstieg gerettet. Aber die aktuelle Situation empfindet der Trainer als noch dramatischer als damals – auch weil er ein schlechtes Gefühl hat, was das Innenleben betrifft. Wenn man sich die Ergebnisse betrachte, müsse man zu dem Eindruck kommen, „dass Vorstand, Manager, Trainer und Spieler nicht an einem Strang ziehen“, sagt Magath.

Dabei könne der Klassenverbleib jetzt nur noch gelingen, „wenn man es schafft, den Spielern wieder den Glauben an die eigenen Stärken zu vermitteln“, sagt Magath. Dafür gebe es aber kein Patentrezept – höchstens den Hinweis darauf, „dass am letzten Spieltag einer Saison schon sehr oft die verrücktesten Sachen passiert sind.“ So oder so müsse der VfB in dieser Woche aber einiges tun, um die Talfahrt mit zuletzt fünf Niederlagen nacheinander zu stoppen. „Wenn etwas nicht läuft, kann man es nicht einfach so weiterlaufen lassen. Das wäre grob fahrlässig“, sagt Magath.

Auf den Einwand, dass der VfB mit einem Trainingslager kürzlich auf Mallorca ja etwas getan habe, erwidert der Trainer: „Wenn man das unter etwas tun versteht, hat der Verein wirklich etwas getan. Doch dazu hätten sie nicht nach Mallorca fliegen müssen, weil sie das auch in der Nähe hätten machen können.“

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