Der VfB Stuttgart bereitet sich im Trainingslager auf den Saisonstart vor. Im Interview spricht Trainer Jos Luhukay über die Baustellen im Kader – und dämpft die Aufstiegshoffnungen der Fans.
Stuttgart – - Herr Luhukay, es fällt auf, dass Sie Ihre Spieler fast nur mit dem Ball arbeiten lassen. Ein eher ungewöhnlicher Ansatz zum jetzigen Zeitpunkt der Vorbereitung, oder?
Finden Sie? Unser Gedanke dahinter ist auch, die vielen neuen Spieler möglichst schnell kennenzulernen. Das geht nun einmal am besten, indem wir sie vor allem das machen lassen, was ihre eigentliche Aufgabe ist: Fußball spielen.
Kondition, Taktik, Einzelgespräche sind also erst einmal zweitrangig?
So würde ich das nicht sagen. Unser Trainingsablauf ist eine komplexe Angelegenheit. Wir haben viele Spezialisten, die alles aufzeichnen und täglich auswerten. Die anderen Basics kommen nicht zu kurz. Aber es stimmt grundsätzlich schon: Ich lege viel Wert auf die Arbeit mit dem Ball. Ein reines Lauftrainingslager entspricht nicht meiner Philosophie. Ich will die Jungs möglichst schnell als Fußballer weiterentwickeln.
Ihr neuer Sportvorstand Jan Schindelmeiser hat Zweifel an der Aufstiegstauglichkeit des aktuellen Kaders angemeldet. Gehen Sie d’accord mit ihm?
Ich hatte ja auch schon gesagt, dass wir uns noch verstärken müssen.
In welchen Bereichen?
Prinzipiell in allen, vor allem aber in der Offensive. Uns ist allen bewusst, dass der Verein in Daniel Didavi, Martin Harnik, Timo Werner und womöglich bald auch noch Filip Kostic sehr viel Qualität verloren hat.
Bekommen Sie denn nicht langsam Bauchschmerzen? Die Liga startet in weniger als drei Wochen.
Es ist ja nicht so, dass wir unseren Kader bis zum ersten Spieltag komplett zusammen haben müssen. Zeit für Neuverpflichtungen ist noch bis Ende August, auch wenn ich die lange Öffnung des Transferfensters für verkehrt halte. Aber das ist ein anderes Thema. Fakt ist, dass sich uns in den nächsten Wochen noch genügend Möglichkeiten bieten, Spieler zu holen, die in der Bundesliga vielleicht nicht zum Zuge kommen.
Restekauf – das klingt nicht sehr vielversprechend.
Wir sind abgestiegen, da stehen die Spieler nicht Schlange. Zumindest nicht diejenigen mit einer gewissen Qualität, von denen wir hoffen, dass sie uns weiterbringen. Wir machen keine Schnellschüsse.
Wenn Sie die Situation nach dem Abstieg mit Ihren vorherigen Stationen vergleichen – wie steht der VfB Stuttgart da?
So eine Situation habe ich in dieser Form noch nicht erlebt. Die Umwälzungen im Verein, dazu die vielen Spieler, die uns verlassen haben. Sportlich ist die Situation, die ich hier angetroffen habe, sicherlich eine der schwierigsten meiner Trainerkarriere.
Damit verpassen Sie den Aufstiegshoffnungen der VfB-Fans aber einen herben Dämpfer.
Wir müssen realistisch sein. Aber wir haben trotzdem gute Chancen aufzusteigen. Auch wenn es kein Selbstläufer wird.
Mit welchen Gefühlen blicken Sie dem Rundenstart gegen den FC St. Pauli entgegen: Mit Bangen – oder voller Vorfreude?
Nur mit Vorfreude! Nach den fantastischen Verkaufszahlen bei den Dauerkarten rechne ich mit einer sehr gut besuchten Mercedes-Benz-Arena. Für mich gibt es nichts Schöneres, als in eine volle Arena einzulaufen. Ich werde es auf alle Fälle genießen.
Sie gelten als Experte in Sachen Aufstieg. Mit Paderborn, Augsburg, Mönchengladbach und Hertha BSC ist Ihnen das Kunststück gleich viermal geglückt. Allerdings hielten Sie sich danach nie sehr lange. Hadern Sie mit dem Ruf als Aufstiegs-Feuerwehrmann?
Ich sehe mich nicht als Feuerwehrmann, was immer das genau heißen soll (lacht). Wie jeder Trainer wünsche ich mir natürlich, möglichst lange bei einem Club zu arbeiten.
Warum waren Sie dann meistens so schnell wieder weg?
Das stimmt so nicht. Bei allen meinen Stationen war ich auch im Jahr nach dem Aufstieg noch Trainer und habe langfristig Dinge auf den Weg gebracht, zuletzt in Berlin.
Welche Fehler haben Sie gemacht – und welche Lehren daraus gezogen?
Das ist eine zu komplexe Frage, und die Antworten behalte ich lieber für mich. Aber klar ist doch auch, dass jeder in seinem Berufsleben immer dazulernt – ob das ein Trainer ist oder jemand anderes.
Sind Sie jetzt eigentlich wieder zu 100 Prozent Trainer, jetzt, wo in Jan Schindelmeiser ein neuer Sportchef gefunden ist?
Ich habe mich auch in den ersten Wochen immer zu 100 Prozent als Trainer gesehen. Die besondere Situation erforderte eben, dass ich mich stärker in die Kaderplanung einbringe. Aber auch jetzt machen wir beide das in enger Abstimmung.
Was wird aus Emiliano Insua?
Ich erleben ihn erst seit einer Woche im Training. Er hängt sich rein und ist voll fokussiert. Ich hoffe, dass er bleibt.
Rechnen Sie damit?
Solange es keine andere Entwicklung gibt, gehört er zu uns dazu. Und es hat sich auch noch kein anderer Verein gemeldet.
Bleibt Christian Gentner Kapitän?
Darauf habe ich mich frühzeitig festgelegt. Sein schnelles Bekenntnis zum VfB hat mir viel Respekt abgenötigt. Mit seiner Erfahrung und Identifikation ist er der Richtige.
Wer wird Stellvertreter?
Diese Entscheidung kann noch ein bisschen warten. Mal sehen, wer noch alles zu uns kommt.
Und die Nummer zwei im Tor: Benjamin Uphoff oder Jens Grahl?
Nummer zwei? Ich habe mich doch noch gar nicht auf die Nummer eins festgelegt (lacht).
Ihr langjähriges Trainerteam haben Sie dagegen durchgewechselt.
Zuvor hatte ich lange mit Rob Reekers und Markus Gellhaus zusammengearbeitet. Jetzt war ich der Meinung, dass es einer anderen Konstellation bedarf. Deshalb fiel die Wahl auf meine beiden Co-Trainer Remy Reinierse und Olaf Janßen.
Ein Teampsychologe und ein Ernährungsberater gehören nicht mehr zum Stab. Warum?
Wir haben uns so entschieden, weil wir glauben, so optimal aufgestellt zu sein. Nur weil wir keinen Ernährungsberater mehr haben, heißt das ja nicht, dass die Mannschaft den ganzen Tag nur Fast Food isst.
Welche Regeln setzen Sie am Büfett?
Zu viel Strenge bei der Ernährung bringt nichts, das ist meine Erfahrung. Wenn Sie zu viel verbieten, dann rufen die Jungs abends um zehn den Pizzaboten. Dann erlaube ich Ihnen lieber mal ein Stück Kuchen oder eine Kugel Eis.