Das Team für die Mannschaft: Torwarttrainer Marco Langner, Athletiktrainer Matthias Schiffers, Individualcoach Andreas Schumacher und der Chef: Hannes Wolf (v.li.) Foto: Baumann

Vorbei die Zeiten, als ein Fußball-Bundesligist neben einem Chef- noch einen Co- und Torwarttrainer unterhielt. Die Anforderungen sind inzwischen um einiges vielfältiger. Einblicke in die Trainingsarbeit beim VfB Stuttgart.

Grassau - Miguel Moreira hatte gut lachen. Der Co-Trainer des VfB Stuttgart reiste mit der frisch erworbenen A-Trainerlizenz ins Trainingslager nach Grassau nach. „Damit ich den Hannes irgendwann ablösen kann“, scherzte der 33-Jährige. Fußballerhumor – über den niemand mehr lachen konnte als der Cheftrainer selbst. Hannes Wolf ist gut drauf in den Tagen am Chiemsee, daran änderte auch die 1:2-Testspielniederlage gegen Dynamo Dresden nichts. Die Bedingungen sind gut, seine Mannschaft nimmt Formen an und der Druck des Bundesliga-Alltags ist noch nicht mehr als eine vage Vorahnung.

Also kann der Fußball-Lehrer die Tage auch ein bisschen genießen. Nimmt sich Zeit für Gespräche mit Journalisten und Fans. Schließlich arbeitet er in der Gewissheit, dass sich nicht die ganze weiß-rote Welt um ihn dreht. Er ein Team um sich hat, das bei der Kernarbeit auch mal ohne ihn zurechtkommt. Was viel mit einem neuen Gesicht zu tun hat: Mit Andreas Schumacher. Der 36-Jährige ist erst kürzlich vom Hamburger SV nach Stuttgart zurückgekehrt. Seine Stellenbeschreibung: Individualtrainer. Ein Fachmann, der den Abwehrspielern das Zweikämpfen und den Stürmern das Toreschießen beibringt?

Die Arbeit des Individualtrainers

Schumacher lacht. Ganz so abgedroschen ist es nicht. Schumacher soll die Stärken der Spieler ausbauen und ihre Schwächen abstellen. So lautet das Anforderungsprofil. Klingt einfach, ist aber kompliziert. Beispiel gefällig? Ein simples Passspiel im Dreieck. Spieler A passt den Ball zu Spieler B. Dieser wird im Moment der Annahme durch ein Signal abgelenkt. Das Ganze mit dem Ziel, den Spielzug schon vor der Ballannahme weiterzudenken. Peripheres Sehen und kognitives Denken soll so gestärkt werden – oder wie der Coach es ausdrückt: „Unter Stress mit der richtigen Technik die richtige Entscheidung zu treffen.“

Nun haben sie beim VfB den Fußball nicht neu erfunden, viele Inhalte gab es in dieser Form aber tatsächlich noch nie. „Miguel und ich sind viel mit Alltagsarbeit beschäftigt“, erklärt Wolf die Diversifizierung. Alltagsarbeit, das heißt Gegneranalyse, Eigenanalyse (Spiel plus Training) und Trainingsvorbereitung. Bei einem 27-Mann-Kader fällt es schwer, sich um jedes Einzelteil des großen Ganzen zu kümmern.

Takuma Asano beispielsweise hatte dieser Tage einen Schlag abbekommen. Teamtraining kam für ihn nicht in Frage. Statt in den Kraftraum auszuweichen oder Runden zu drehen, nahm sich Schumacher des Japaners an. Und trainierte all das, was trotz Verletzung möglich war – mit Ball.

Eine Heerschar von Assistenten

„Ich denke schon, dass uns das weiterbringt, auch wenn es nur ein Mosaikstein ist“, sagt Wolf. Er soll die Philosophie von Sportvorstand Jan Schindelmeiser umsetzen: In allen Bereichen besser werden. Und professioneller. Also gehört zum Multifunktionsteam neben Moreira, und Schumacher auch noch der Torwarttrainer Marco Langner und der Athletiktrainer Matthias Schiffers. Am Chiemsee war zusätzlich Steffen Kocholl für Aufwärm- und Konditionsübungen zuständig. Aus sicherer Entfernung beobachtete Phillip Laux das Treiben, der Teampsychologe. Ebenfalls in den grauen Trainerleibchen unterwegs sind die Dolmetscher Jumpei Yamamori und Matthieu Delpierre; der Franzose ist womöglich doch mehr als eine Interimslösung.

Nicht zu vergessen die Videoanalysten Marcus Fregin und Mathias Munz, die sämtliche Einheiten aufzeichnen und hinterher mit den Trainern auswerten. Eine komfortable Mannschaftsstärke an Helferlein – mit der man sich allerdings angreifbar macht, wenn in der Bundesliga die Ergebnisse ausbleiben. Im Moment betrachten sie es beim Aufsteiger aber genau anders herum: Umfassende Trainingsarbeit als Basis für künftigen Erfolg. Keine Strukturen, keine Siege.

Doch bei aller Innovation und Individualisierung: Hannes Wolf begreift seinen Sport noch immer als einfaches Spiel. So ist der frühere Dortmunder auch kein verkopfter Trainingswissenschaftler, der morgens als erstes die Blutwerte seiner Spieler analysiert. Wolf legt Wert auf die Feststellung, dass „man Fußball in der Gruppe lernt“. Weshalb der Großteil des Trainings im Team bestritten wird, ob Passformen oder Torschusstraining. Nur so lässt sich aus Sicht des Cheftrainers die Komplexität des Spiels simulieren. Und was seine vielen Helferlein angeht, auch da sieht Wolf die Grenzen bald erreicht: „Sonst redest du irgendwann nur noch mit Trainern.“

VfB Stuttgart - 1. Bundesliga

lade Widget...

Tabelle

lade Widget...
Komplette Tabelle