Kapitän außer Dienst: Seit acht Monaten ist Matthieu Delpierre ohne Bundesliga-Einsatz Foto: dpa

Dem Franzosen droht beim VfB Stuttgart dasselbe Schicksal wie dem Ex-Capitano der Nationalelf.

Belek - Es lässt sich nicht gerade behaupten, Matthieu Delpierre sei im vergangenen Jahr vom Glück verfolgt gewesen. Acht Monate lang war der Kapitän wegen eines Sehnenabrisses im linken Hüftbeugermuskel außer Gefecht. Als die Mannschaft sich nach dem Nervenkrimi im Kampf gegen den Abstieg neu sortierte, erholte er sich von seiner Operation. Und als die Saison dann losging, konnte er allen falls von der Tribüne aus die Daumen drücken.

Umso befreiender war für den Franzosen der Pfiff, der am vergangenen Samstag auf dem Platz des VfB im Trainingslager im türkischen Belek ertönte. Es war der Anpfiff zum Testspiel gegen den belgischen Erstligisten Beerschot AC. Es war das erste Spiel des VfB im Jahr 2012 – und das erste seit acht Monaten, bei dem Delpierre auf dem Platz stand. Seit jenem 12. Mai, als ihm das Malheur passierte. „Das Spiel gegen Beerschot war ein ganz wichtiger Schritt für mich“, sagt er. Ein Schritt zurück in die Normalität.

Aber auch ein Schritt zurück in die Mannschaft?

Fit wie lange nicht mehr

Vorerst ist der Innenverteidiger schon froh, dass ihm sein Körper wieder gehorcht. Im kurzen Winterurlaub hat er mit der Familie ein paar Tage in Dubai verbracht. Für die Sehenswürdigkeiten und fürs Plantschen im Meer nahm er sich eher wenig Zeit, umso mehr konzentrierte er sich auf das Trainingsprogramm, das ihm Konditionstrainer Christos Papadopoulos mitgegeben hatte. „Ich habe meine Hausaufgaben gemacht“, sagt Delpierre. Insgesamt absolvierte er in zehn Tagen sieben Läufe, Minimum zehn Kilometer, mit Ausdauer- und Intervallpassagen. Die Mühen haben sich gelohnt. „Ich bin fit wie lange nicht mehr, jetzt lebe ich wieder von meiner Fitness“, sagt er freudestrahlend, „meine Werte sind jetzt wieder so gut wie in meinen gesunden Zeiten.“ Darauf lässt sich aufbauen. „Ich kann mich im Training wieder voll reinknien, und ich werde weiter konzentriert arbeiten. Aber ich muss auch Geduld haben.“

Dabei ist die Frage: Wieviel Geduld bringt einer mit, der seinen Stammplatz an den Mexikaner Maza und sein Kapitänsamt an Cacau verloren hat, der innerlich auf die Rückkehr in die Mannschaft brennt und dessen Vertrag im Sommer ausläuft? Zwangsläufig drängt sich die Parallele zu Michael Ballack auf, der in der Nationalmannschaft genau die gleichen Sorgen hatte. Wie es ausging, ist bekannt. Während der WM 2010 in Südafrika musste der „Capitano“ schnell einsehen, dass für ihn kein Platz mehr war. Weil Philipp Lahm die Binde des Spielführers beanspruchte, weil Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira das defensive Mittelfeld beherrschten und die Mannschaft sich in seiner Abwesenheit glänzend entwickelt hatte.

Wird Matthieu Delpierre also zum Ballack der Roten?

Da macht er sich nichts vor. Delpierre hat die Zeichen der Zeit erkannt. „In den vergangenen Jahren habe ich immer gespielt, aber ohne mich hat die Mannschaft in der Hinrunde sehr gut funktioniert. Ich brauche jetzt einfach Geduld und ein bisschen Glück.“ Verletzungen und Sperren könnten ihm den Weg ebnen, ansonsten führt an Serdar Tasci und Maza kein Weg vorbei.

Viel Wenn und Aber

Dann könnte es auch eng werden mit seiner Vertragsverlängerung. Delpierre weiß das, und er stellt sich der Realität. „Ich bin gerade 30 Jahre alt geworden, und ich will noch ein paar Jahre weiterspielen. Die sportliche Herausforderung ist mir sehr wichtig. Aber wenn ich keine wichtige Rolle mehr in der Mannschaft spielen kann, stelle ich mir natürlich die Frage, ob es für mich in Stuttgart weitergeht“, sagt er.

Diese Frage beschäftigt auch den Sportdirektor. „Ich haben großen Respekt vor Matthieu, aber wie soll ich ihn nach diesen acht Monaten ohne einen Einsatz bewerten? Ich muss fair mit ihm umgehen und kann nicht verlangen, dass er in der Rückrunde gleich spielt“, sagt Fredi Bobic. Also muss er andere Kriterien anlegen. „Wenn ich in ihm ein Potenzial sehe für die Zukunft des VfB – warum sollten wir dann nicht verlängern?“

Viel Wenn und Aber. Innerlich hat Matthieu Delpierre die Möglichkeit einer Trennung akzeptiert. „Es würde in Stuttgart auch ohne mich weitergehen, und für mich würde es auch ohne den VfB weitergehen.“ Auch wenn es ihm anders viel lieber wäre.