Von Michael Reschkes vermeintlichen Transfercoups im vergangenen Sommer hat sich bislang nur Marc Oliver Kempf als Treffer erwiesen. Pablo Maffeo und Sosa enttäuschen auf ganzer Linie. Foto: Baumann

Bis auf Ozan Kabak hat keines der in dieser Saison neu verpflichteten Talente beim VfB Stuttgart eingeschlagen. Der neue Sportchef Thomas Hitzlsperger sieht die Schuld aber nicht bei den Spielern allein – sondern nimmt auch den Verein in die Pflicht.

Stuttgart - Das Lob kommt von höchster Stelle. „Wegen ihm haben wir einen Gegner, der sehr gut aufgestellt ist. Es ist schade, dass ein Verein wie der VfB solche Leute verloren hat.“ Sagt VfB-Präsident Wolfgang Dietrich über Fredi Bobic; jenen Mann, den der Fußball-Bundesligist im Jahr 2014 vom Hof jagte und der Eintracht Frankfurt inzwischen zu einer Spitzenmannschaft geformt hat. Am Sonntag (18 Uhr) kommt es zum Wiedersehen.

Gegen den Tabellen-Fünften trifft der VfB auf eine gut abgestimmte Mannschaft. In Sébastien Haller, Luka Jovic und Ante Rebic stehen drei der begehrtesten Offensivkräfte Europas im Kader. Geschätzter Marktwert: 150 Millionen Euro. Bezahlt haben die Frankfurter zehn Millionen.

Bobic wollte Luka Jovic schon zum VfB holen

Fredi Bobic und sein Chefscout Ben Manga – ebenfalls ein früherer Stuttgarter – haben also viel richtig gemacht. In Stuttgart war das anders. Hier wird Bobic bis heute der Aufkauf der sogenannten Hannoveraner Ersatzbank vorgehalten. Dabei wollte er bereits 2014 Luka Jovic zum VfB holen. Was eines zeigt: Manchmal ist ein Spieler, Trainer oder Sportchef nicht einfach schlecht oder gut. Sondern nur zur falschen Zeit am falschen Ort. Oder eben am richtigen. Wie Bobic und Manga jetzt in Frankfurt.

In Stuttgart lief zuletzt einiges schief. In der Personalpolitik liegt die Hauptursache für den enttäuschenden Saisonverlauf. Trainer Markus Weinzierl sieht in der Mischung aus vielen jungen Spielern und solchen, die ihre Hoch-Zeit vielleicht schon hinter sich haben, ein Kernproblem. Der entlassene Sportchef Michael Reschke wiederum hat sich von Weinzierl und Vorgänger Tayfun Korkut mehr erhofft: Die vielen Talente schneller auf Bundesliganiveau zu trimmen.

Bei Ozan Kabak oder vormals Benjamin Pavard gelang dies schneller. Andere wie Pablo Maffeo, Borna Sosa oder Nicolas Gonzalez sind auch nach einem dreiviertel Jahr nicht richtig angekommen. Was zur Frage nach den Ursachen und damit auch zum Scouting führt. Drei Fehler zeichnen sich anhand besagter Spieler ab.

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Bei Maffeo schien die Empfehlung von Pep Guardiola über die genaue charakterliche Expertise zu obsiegen. Die Liste mit den Allüren des 21-Jährigen ist lang: Von allen Spielern ist er der lauffaulste, zusätzlichem Krafttraining soll er sich schon verweigert haben. Bei Sosa reiben sich Experten verwundert die Augen, welche Bedeutung die Stuttgarter Kaderplaner der kroatischen Liga beimessen. Vom Serienmeister Dinamo Zagreb war der junge Linksverteidiger an den Neckar gewechselt. Nur wurde in Zagreb ein anderer Fußball gespielt. 80 Prozent des Spiels gegen oft überforderte Gegner findet in der gegnerischen Hälfte statt. Dass einer wie Sosa in der Bundesliga deshalb nicht auf Anhieb wie ein Prellbock verteidigt, darf daher nicht verwundern. Wie Maffeo wurde Sosa vor der Saison auch 1899 Hoffenheim angeboten. Doch die Kraichgauer winkten ab.

Maffeo, Sosa und Gonzalez: Zweifel am richtigen Scouting

Die spieltaktischen Defizite von Nicolas Gonzalez wiederum wecken Zweifel an dessen fußballerischer Ausbildung. Tatsächlich ist der Sprung von Argentinien nach Deutschland groß. Fußballerisch wie kulturell. Der 20-Jährige wurde genauso wie einst Santiago Ascacibar lange unter die Lupe genommen und charakterlich für tadellos befunden. Unterm Strich ging aber auch Gonzalez’ Verpflichtung noch nicht auf.

Wer nun welchen Anteil an den in Summe enttäuschenden Sommer-Transfers trägt, lässt sich schwer eruieren. Der Club hüllt sich über seine Scoutingabteilung in Schweigen, Reschke hat die Transfers bis zuletzt verteidigt. Für die VfB-Scouts hat er Lob übrig. Intern heißt es, in der Transferpolitik spiegle sich die fehlende Kontinuität der vergangenen Jahre wider, sollte der zweite vor dem ersten Schritt gemacht werden. Mit viel Talent und viel Routine zurück nach oben – dieser Plan ging nicht auf.

Auch der neue Sportchef zeigt sich von einigen Transfers enttäuscht. Er sucht die Schuld beim Verein. „Auch wir müssen unseren Umgang mit den Spielern überprüfen, warum es teilweise nicht gelungen ist, dass sie das Maximale aus sich herausholen“, sagt Thomas Hitzlsperger. Gemeint ist weniger das Rundum-Sorglos-Paket, das der VfB seinen Kickern außerhalb des Clubzentrums zukommen lässt. Er sieht in der rein fußballerischen Betreuung den größeren Nachholbedarf. Hitzlspergers Credo: „Wir müssen die Voraussetzungen schaffen, dass die Spieler alles für den VfB zu geben bereit sind.“ Dazu gehört, die Begeisterung für den Verein genauso zu vermitteln wie für die Trainingsarbeit. Oder Spieler für Extraschichten zu motivieren, wie sie Steven Zuber regelmäßig absolviert.

Vieles hängt vom neuen Sportdirektor ab

„Borna Sosa und Pablo Maffeo haben Potenzial. Nicolas Gonzalez ist ein Mann für zehn und mehr Tore pro Saison. Da müssen wir sie hinbringen. Ich fände es schade, wenn ein Spieler in zwei Jahren geht und hier nicht besser geworden ist“, lässt der Sportvorstand anklingen, dass er eine Qualitätsoffensive im aktuellen Kader dem großen Umbruch vorzieht.

Inwieweit die Stuttgarter Scoutingabteilung neu aufgestellt wird, hängt vom neuen Sportdirektor ab, der bald gefunden sein soll. Die Kardinalfrage aber lautet: Wie bekommt der VfB die bestmögliche Leistung seiner Spieler auf den Rasen? Eine Garantie auf einen Top-Transfer gibt es nie. Doch die Wahrscheinlichkeit, ihn zu finden und zu entwickeln, sie lässt sich erhöhen.