Licht oder Schatten? Noch ist unklar, wohin die Reise des VfB in der neuen Saison gehen wird– Trainer Bruno Labbadia dämpft dabei gerne mal die Erwartungen. Foto: Pressefoto Baumann

Es ist noch nicht das Gelbe vom Ei, was der VfB kurz vor Beginn der neuen Bundesligasaison bietet – dabei formulieren sowohl der Präsident als auch der Manager hohe Ansprüche an den Trainer und sein Team. Der Coach dämpft dagegen die Erwartungen. Schadet er dem Verein und sich selbst?

Stuttgart - Es ist nicht so ganz leicht in diesen Tagen, die Stimmung rund um den VfB Stuttgart auszuloten. Vor dem Bundesliga-Saisonstart an diesem Sonntag beim FSV Mainz 05 (15.30 Uhr/Sky) hallen die optimistischen, zupackenden Aussagen des neuen Präsidenten Bernd Wahler und von Sportvorstand Fredi Bobic immer noch nach – beide fordern den Einzug ins internationale Geschäft. Und insbesondere Bobic gibt dabei die Abteilung Attacke, er spricht davon, dass der VfB nun auch die Mannschaft für dieses Ziel habe. Auf der anderen Seite, so scheint es, steht Trainer Bruno Labbadia, der sagt, dass man noch nicht das Team habe, um von Platz sechs sprechen zu können.

Weil seine Mannschaft in den ersten beiden Pflichtspielen bei Botev Plovdiv in der Europa League (1:1) und im DFB-Pokal bei Dynamo Berlin (2:0) nicht überzeugte, ist die erste Euphorie schon wieder etwas verpufft, was sich auch in der Anzahl der verkauften Dauerkarten zeigt. Rund 27.500 Saisontickets hat der VfB bisher abgesetzt, und es ist fraglich, ob der Club aus Cannstatt die 30 000er-Marke wie in der Vorsaison bis zum Liga-Rundenstart noch knacken wird.

Der VfB, so scheint es, geht als Wundertüte in die neue Saison – und viele Fans fragen sich, ob es gut für den Verein ist, dass Trainer Labbadia im Gegensatz zu Bobic und Wahler eher den Bremser gibt. Er will die Aufbruchstimmung nicht so recht mittragen. Und seine Haltung nimmt Einfluss auf die Atmosphäre beim VfB.

Matthias Bonjer (45) beschäftigt sich von Berufs wegen mit der Wirkung von Menschen und deren Aussagen – der Kommunikationsexperte, Geschäftsführer der Berliner Zucker.Kommunikation GmbH, sagt, dass die Konstellation beim VfB große Gefahren berge. Bonjer berät mit seiner Firma verschiedene Markenunternehmen in ihrer Außendarstellung, im Portfolio sind auch einige Sportausrüster – auch zum VfB Stuttgart vertritt er eine klare Meinung.

Matthias Bonjer über...

...die Aussagen von Bruno Labbadia: „Ich finde es sympathisch und wohltuend, wenn sich ein Bundesliga-Trainer mal von seinen Vorgesetzten abhebt und bescheidenere Ansprüche formuliert. Das schärft sein Profil – das Problem ist nur, dass er – egal, was er sagt - am Erfolg gemessen wird. Das ist wie bei einem Produktmanager, der nach der Einführung eines neuen Schokoriegels Geduld bei seinen Chefs einfordert und sagt, dass das Ding bei den Menschen eine gewisse Anlaufzeit braucht. Wenn sich der Riegel in den ersten Wochen schlecht verkauft, steht der zuständige Manager dann schnell im Abseits – egal, ob er vorher für Bescheidenheit geworben hat oder nicht.“

...die Rollenverteilung beim VfB: „Der Präsident eines Clubs spielt im übertragenen Sinn in der Abwehr. Er gibt die Richtung vor, hat von hinten alles im Blick und leitet die Dinge ein.Im Mittelfeld spielt der Sportvorstand – er leistet die Aufbauarbeit und ist die Gestaltung zuständig. Und vorne, im Sturm, steht der Trainer. Er muss die Vorlagen verwerten – und im Idealfall vorneweg marschieren. Wenn nun aber wie beim VfB die Abwehr und das Mittelfeld mit Macht nach vorne drängen und der Trainer dabei nicht mitmachen will, gerät das System ins Stocken. Um den Konflikt aufzulösen, müssen das Mittelfeld und die Abwehr die Denkweise des Stürmers annehmen. Oder der sagt: Jawohl, ich greife jetzt mit euch an.“

...die Probleme des VfB: „Wenn die Aussagen von Labbadia und der Führungsebene abgestimmt wären, wäre das zum Wohle des Vereins. Der eine entfacht Euphorie, der andere bremst sie ein wenig – so könnte in der Öffentlichkeit ein dynamisches Bild entstehen.

Die Trainer erlangen in der öffentlichen Wahrnehmung eine immer größere Bedeutung, ihre Aussagen erreichen einen hohen, wichtigen Status. Weil das bei den Präsidenten und den Sportvorständen aber genauso ist, herrscht auch beim VfB zwischen diesen Polen ein Gleichgewicht, was die Wichtigkeit der jeweiligen Aussagen anbelangt. Und wenn nun der Trainer ein bescheideneres Ziel ausgibt als der Präsident und der Vorstand zuvor, wird es schwierig. Problematisch wird es, wenn sich die Führungsebene nach den Äußerungen des Coaches erst recht zu den höheren Zielen bekennt und sich gar nicht auf dessen Aussagen einlässt. Von einer Abstimmung ist dann wenig zu spüren.

In Wirtschaftsunternehmen und der Industrie würde man in solchen Fällen sagen, dass der Countdown läuft. Es ist eine blumige Art des Vorstands, das Ende der Zusammenarbeit mit einem Mitarbeiter einzuläuten. Die möglicherweise harten Konsequenzen werden charmant verpackt. Und unterschwellig steckt in den Aussagen eine Botschaft an den Trainer: ‚Spring’ auf unseren Zug auf, sonst hast du ein Problem.’“