Nach der 0:4-Pleite gegen die Wölfe: VfB-Stürmer Martin Harnik am Boden Foto: Baumann

Nach dem 0:4 gegen den VfL Wolfsburg ist klar: Der VfB Stuttgart braucht dringend Verstärkung, aber es fehlt am Geld. Harte Zeiten für Präsident Bernd Wahler, Teile der Fans wollen die Ausgliederung in eine AG verhindern. Aber nur so gibt es von Investoren neues Geld.

Stuttgart - In der Regel sind Absichtserklärungen die von Einsicht getriebenen Ankündigungen, all das besser zu machen, was bisher nicht funktionierte. Und meistens versieht sie der Geläuterte noch vorwurfsvoll mit einem an sich selbst gerichteten Imperativ: „Das muss besser werden!“ Zumindest in dieser Hinsicht ist der VfB Stuttgart auf dem Weg zum Spitzenteam.

Nach jedem Spiel gibt es genügend Anlässe, um in guter Absicht große Teile der Darbietung zu optimieren. „Wieder vier Gegentore“, stöhnte Kapitän Christian Gentner nach der Packung gegen die Wölfe, „das müssen wir in den Griff bekommen.“

Der Verein: Langzeitbeobachter des Vereins für Bewegungsspiele überfällt an dieser Stelle stets die Migräne. Denn dem Gefühl nach ist der Wunsch nach Stabilität beim VfB Stuttgart so alt wie das Wappen. Die Mini-Euphorie nach dem 5:4-Sieg von Frankfurt wich prompt der Mega-Ernüchterung gegen Wolfsburg. Diesmal war es die stümpernde Abwehr, nächstes Mal klemmt es im Sturm. Und übernächstes Mal wahrscheinlich vorne und hinten. Die 50 050 Zuschauer in der Mercedes-Benz-Arena grämten sich über die Niederlage jedenfalls so erstaunlich emotionslos, als studierten sie ihre Kontoauszüge zum Monatsende.

Der Präsident: Da braucht es kein psychologisches Seminar, um zu verstehen, dass jeder neue Anlauf des häufig wechselnden Führungspersonals von einem Vorschuss an Misstrauen begleitet wird, der im weiß-roten Sympathisanten so unverbrüchlich sitzt wie ein resistenter Keim. Bernd Wahler, der Präsident, stürzte unter diesen Umständen in verblüffend kurzer Zeit von der umjubelten Lichtgestalt ab zum bemitleidenswerten Remstal-Obama. Zwar stemmt er sich unverändert tapfer gegen die Untiefen der Vereinspolitik, aber wenn Samstag für Samstag die Ergebnisse nicht stimmen, erscheint sein Krisenmanagement den Kritikern gern mal als die irrlichternde Suche des Vereins nach seinem neuen Selbst.

Der Trainer: „Von außen betrachtet“, analysierte Wolfsburgs Trainer Dieter Hecking die Lage, „ist immer ein bisschen Hektik im VfB. Der Verein muss aber zur Ruhe kommen, wenn wieder was wachsen soll.“ Und als müsse er das Gesagte unterstreichen, richtete er den Blick auf seinen smarten Kollegen: „Armin ist ein Frontman, der die nötige Erfahrung mitbringt.“ Eine Einschätzung, welcher der Gelobte wohl nicht widersprechen würde.

Mit gelinder Skepsis verfolgt Veh die intensive Suche des Präsidenten nach einem Bobic-Nachfolger. Dass angebliche Kandidaten dem VfB öffentlich absagen, versteht er als respektlosen Anschlag auf das Selbstbewusstsein eines Clubs, den er 2007 noch zum Titel führte. Und Namen wie Ralf Rangnick oder Jens Lehmann sind ihm wie Juckpulver unter seinem körperbetonten T-Shirt. Mit anderen Worten: In diesem Fall hätte der VfB zwar einen Manager, aber keinen Trainer mehr.

Es ist ja kein Geheimnis, dass Veh ganz gern seinen Frankfurter Personalberater Bruno Hübner an den Neckar lotsen würde. Mit Hinweisen auf die schöne Landschaft allein wird er seinen Sportsfreund aber nicht überzeugen können. Außerdem wiegen die roten Häuptlinge während solcher Gedankenspiele nachdenklich mit den Köpfen. Die Furcht vor einem Veh-f-B scheint zumindest latent vorhanden.

Die Kasse: Weit mehr Sorgen als die freundliche Übernahme durch den selbstbewussten Coach bereitet aber die Kasse, in der das Minus rapide wächst statt allmählich schrumpft. Die Abschreibungen der Abfindungen für Ex-Präsident Gerd Mäuser (geschätzt 800 000 Euro), die Ex-Trainer Bruno Labbadia (geschätzt 800 000) und Thomas Schneider (geschätzt 500 000) sowie Ex-Manager Fredi Bobic (geschätzt 500 000) lasten schwer auf der ohnedies negativen Bilanz.

Gleichzeitig streitet spätestens seit der Pleite gegen den VfL Wolfsburg niemand mehr ab, dass die VfB-Abwehr in ihrer aktuellen Konstellation selbst mit einem Mückensturm ihre Probleme hätte. „Wir machen Fehler, das gibt’s gar nicht“, ärgerte sich der Qualitätsmanager Veh. Aber Eintracht Frankfurt fordert dem Vernehmen nach für den peruanischen Defensiv-Rambo Carlos Zambrano 3,5 Millionen Euro Ablöse. Zudem verlangen die Berater des Innenverteidigers angeblich ein Jahresgehalt von 2,5 Millionen Euro.

Auch den Mexikaner Héctor Moreno (Espanyol Barcelona), sofern er sich von seinem Schien- und Wadenbeinbruch wieder erholt hat, gibt es nicht nur für nette Worte. Weshalb es nicht mehr ausgeschlossen ist, dass sich Antonio Rüdiger bald schon ein anderes Trikot überstreifen wird. Es soll Clubs geben, die bereit wären, für den „kleinen Boateng“ (Joachim Löw) eine Transferentschädigung von 15 Millionen Euro zu überweisen.

Die Fans: Noch weit mehr Luft für Investitionen, bis zu 80 Millionen Euro, erhoffen sich die Club-Chefs von der geplanten Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung in eine Aktiengesellschaft. Doch die ist unter den Traditions-Diktatoren in der Cannstatter Kurve so umstritten wie das Bier ohne Alkohol. Investoren und Sponsoren sind ihnen zuwider, sportliche Erfolge und preisgünstige Stehplatztickets dagegen heilige Pflicht.

Der VfB ist eben noch immer auf der Suche nach sich selbst. Und das kann noch ziemlich lange dauern.