Santiago Ascacibar (Mi.) fehlt dem VfB Stuttgart lange. Christian Gentner (li.) und Dennis Aogo (re.) könnten den Argentinier ersetzen. Foto: Baumann

Erst in einem möglichen Rückspiel der Relegation kann Santiago Ascacibar wieder für den VfB auflaufen. Also beginnt nun die Suche nach einem Ersatzmann. Es gilt Einiges zu kompensieren.

Stuttgart - Ein wenig zerknirscht soll er noch gewirkt haben, als am Dienstagmorgen beim VfB Stuttgart die erste Trainingseinheit der neuen Woche begann.

Kein Wunder – schließlich hatte sich Santiago Ascacibar ja alles andere als ruhmreich aus der vergangenen verabschiedet. Das Heimspiel des VfB gegen Bayer Leverkusen war im Grunde gelaufen, als der kleine Argentinier erst seinen Gegenspieler Kai Havertz anspuckte, dann Schiedsrichter Tobias Stieler schubste und danach noch zum Schlagversuch gegen Havertz ausholte. Es gab Rot – und am Dienstag das entsprechende Urteil.

„Wegen einer Tätlichkeit gegen den Gegner nach einer zuvor an ihm begangenen sportwidrigen Handlung“ wurde Ascacibar vom Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) bestraft – und zwar mit der erwarteten Härte. Sechs Wochen lang, also bis einschließlich 25. Mai, ist der 22-Jährige zum Zuschauen verdonnert worden. Damit fehlt der defensive Mittelfeldspieler dem VfB nicht nur in den letzten fünf Spielen der regulären Saison, sondern auch in einem möglichen Hinspiel der Relegation. Das trifft den Club, das trifft auch Ascacibar.

Entschuldigung des Übeltäters

Der hatte sich nach dem Spiel am Samstag schnell aus dem Staub gemacht, nach dem Regenerationstraining am Sonntag zog er sich dann in seine Wohnung in Esslingen zurück. Am Dienstag folgte neben dem Urteil dann eine erste öffentliche Reaktion. „Ich habe mich für mein Verhalten beim Verein und der Mannschaft entschuldigt“, sagte Ascacibar und ergänzte: „Natürlich gilt meine Entschuldigung auch meinem Gegenspieler Kai Havertz. Auch wenn ich zuvor provoziert wurde, darf mir so etwas nicht passieren.“ Weil es aber passierte, entwickelte sich seit Samstag eine teils groteske Diskussion.

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Die einen nahmen den Argentinier, der einerseits für seinen aggressiven Spielstil und andererseits für sein ruhiges Gemüt abseits des Platzes bekannt ist, in Schutz. Einige waren hin- und hergerissen, andere forderten eine knallharte Bestrafung. Und ein nicht ganz kleiner Teil der Diskussionsteilnehmer überspannte den Bogen auch deutlich. So wie Peter Neururer. Der ehemalige Bundesliga-Trainer meinte in einer TV-Sendung, „solch ein Mensch“ habe „in unserer Gesellschaft nichts verloren“.

Der VfB verzichtete in der Folge darauf, sich schützend vor seinen Spieler zu werfen. Bereits zuvor hatte Thomas Hitzlsperger zwar einerseits gesagt: „Das ist etwas, was wir nicht dulden, er hat eine Grenze überschritten und wird auch intern bestraft.“ Andererseits erinnerte der Sportvorstand aber – öffentlich und vor der Mannschaft – an die andere Seite des Argentiniers: „Er hat für den Verein bereits sehr viel Gutes getan, er ist ein Vorbild, was die Einstellung angeht.“ Und genau diese Eigenschaft fehlt dem VfB nun ausgerechnet in der wichtigsten Phase der Saison.

Christian Gentner trainiert noch individuell

„Die Sperre“, sagte Hitzlsperger nach der Urteilsverkündung, „schmerzt uns sehr.“ Vor allem deshalb, weil Ersatz nicht in Hülle und Fülle parat steht. Erste Option wäre eigentlich Christian Gentner – doch der Kapitän hat sich im Spiel bei Eintracht Frankfurt (31. März/0:3) einen Muskelfaserriss in der rechten Wade zugezogen. Bisher hat er noch nicht wieder mit der Mannschaft trainiert. Wenn er bis zum wichtigen Auswärtsspiel beim FC Augsburg am Samstag (15.30 Uhr) fit wird, dann wird es eine Punktlandung. Besser sieht es bei Dennis Aogo aus.

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Der Routinier fehlte zuletzt ebenfalls wegen einer Muskelverletzung, konnte am Sonntag und Dienstag aber bereits das Teamtraining absolvieren. Erleidet er keinen Rückschlag, wird Aogo wohl mit Gonzalo Castro das VfB-Duo im defensiven Mittelfeld bilden. Auf andere Varianten auf dieser Position – etwas mit den Abwehrspielern Benjamin Pavard, Ozan Kabak oder Holger Badstuber oder dem Spielmacher Daniel Didavi – hatte der VfB-Trainer Markus Weinzierl bisher verzichtet.

In einigen Statistiken vorne dabei

Klar ist aber auch: den Schuss Aggressivität im legalen Rahmen, den Ascacibar meist ins VfB-Spiel einbringt, muss das Team erst einmal kompensieren. Auch die nun fehlende Laufstärke des Argentiniers muss aufgefangen werden – Santiago Ascacibar liegt mit 334,1 gelaufenen Kilometern in 27 Spielen auf Rang fünf dieser ligaweiten Statistik, die vom Bremer Maximilian Eggestein (349,1 Kilometer in 29 Spielen) angeführt wird. Und mehr Zweikämpfe als der 22-Jährige (280) hat im VfB-Team bisher auch keiner gewonnen, ebenso hat keiner mehr intensive Läufe (2088) hinter sich gebracht. Zehnmal Gelb und einmal Rot – das ist die negative Seite an Ascacibars Bilanz dieser Spielzeit.

Dennoch gilt: Chefcoach Markus Weinzierl und seine Mannschaft werden gut zu tun haben in den nächsten fünf Ligaspielen und einer eventuellen Relegation, in deren Rückspiel Ascacibar erst wieder dabei sein könnte. Beide Partien, in denen der argentinische Defensivmann in dieser Saison gesperrt gefehlt hatte, verlor der VfB übrigens 0:3 (in Mönchengladbach und in Frankfurt). Am Samstag in Augsburg soll es anders laufen.